Karajan dirigiert Geldscheine. Ein Gemälde aus den 1980er-Jahren erinnert an vergangene Konflikte um die Festspiele.

Foto: Thomas Neuhold

Das Vorhaben ist selbst für eine Kultureinrichtung dieser Größenordnung ambitioniert: Die Sanierung des Salzburger Festspielbezirks nach den Entwürfen des auf die Umgestaltung historischer Raumgefüge spezialisierten Wiener Architekturbüros Jabornegg & Pálffy soll rund 335 Millionen Euro kosten. Ob es bei dieser Summe bleibt, ist aber fraglich. Baubeginn soll 2024 sein.

Für die Salzburger Festspiele ist das von Bund, Land und Stadt Salzburg finanzierte Sanierungs- und Erweiterungsprojekt jedenfalls ein Quantensprung. Gleich 11.000 Quadratmeter Nutzfläche im Bereich Werkstätten und Verwaltung kommen hinzu. Ein Teil des Festspielbezirks wird zudem quasi in den dahinterliegenden Mönchsberg verlagert.

"Protz und Spiele"

Über 330 Millionen Euro – vermutlich aber noch weit mehr – für die Salzburger Festspiele? Dazu weitere Millioneninvestitionen, beispielsweise für die Salzburger Dependance des Museums Belvedere? Das konnte sich die FPÖ angesichts der Landtagswahl im April kommenden Jahres nicht entgehen lassen.

"Protz und Spiele" lautete das Motto einer von den Blauen beantragten Debatte im Salzburger Landtag vor der Sommerpause. Die Argumentation der Landesparteichefin Marlene Svazek: Während hunderte Millionen in das Festspiele-Bauprojekt flössen und weitere 31 Millionen in den Standort des Belvedere in Salzburg und auch in die Sanierung der Neuen Residenz, betrage das Entlastungspaket der Landesregierung angesichts der hohen Inflation nur zwölf Millionen Euro. "Eine halbe Milliarde Euro für Prestigeprojekte in Zeiten, in denen sich die Leute Strom und Gas nicht mehr leisten können."

MFG wie FPÖ

Auffallend ähnlich argumentiert die unmittelbare Konkurrenz der FPÖ. Der Partei MFG (Menschen Freiheit Grundrechte) wird ja 2023 durchaus ein Einzug in den Salzburger Landtag zugetraut.

Der Landessprecher, Bundesgeschäftsführer und Bundesfinanzreferent der MFG, Gerhard Pöttler, listete anlässlich der Bekanntgabe der MFG-Kandidatur für die Landtagswahl eine ganze Reihe "sinnbefreiter Ausgaben der Landesregierung" auf. Auf Platz eins die Festspiele, auf Platz zwei das Museum Belvedere, auf Platz drei die Sanierung der Neuen Residenz. "Wo bleibt die Entlastung für die Menschen", fragt Pöttler und setzt vier Ausrufezeichen dazu.

Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) will von solcher Kritik freilich nichts hören. In der Landtagssitzung vor der Sommerpause erinnerte er Svazek an die Gründung der Festspiele. Ginge es nach der FPÖ, würde es diese gar nicht geben, denn auch damals sei die Not sehr groß gewesen.

Ein Blick in die Geschichte

Dieser historischen Argumentationslinie bleibt Haslauer konsequent treu. Bei der Präsentation des Museums Belvedere rechtfertigte er die Millioneninvestition in wirtschaftlich schwierigen Zeiten mit dem Bau der Festspielhäuser in den 1960er-Jahren. Dieses Projekt wurde durchgezogen, während noch Flüchtlinge in Barackenlagern lebten. "Kunst und Kultur sind der Leuchtturm von Salzburg", sagt der Landeshauptmann und meint wohl auch die oft beschworene Umwegrentabilität von Kulturinvestitionen.

Der aktuelle Stein des Anstoßes: Baubeginn für die neuen Werkstätten im Salzburger Festspielbezirk soll 2024 sein.
Foto: Visualisierung: Jabornegg & Pálffy

Dass sich gerade die Hochkultur in Salzburg hervorragend für politische Auseinandersetzungen eignet, ist jedoch kein neues Phänomen, wie ein Blick in die jüngere Vergangenheit zeigt.

Anfang der 1980er-Jahre schlossen sich rund 50 zeitgenössische Salzburger Kulturinitiativen zur Arge Rainberg zusammen. Ihr Ziel war die Gründung eines autonomen Kulturgeländes auf einem ehemaligen Brauereigelände. Die Festspiele waren dabei willkommener Reibepunkt – sowohl inhaltlich als auch medial.

Karajan und Brecht

Medial nutzten die Aktivisten und Aktivistinnen geschickt die Anwesenheit vieler Kulturjournalisten und -journalistinnen im Sommer, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Inhaltlich war das Karajan-Festival ohnehin prädestiniert für Kritik von links. Karajan war NSDAP-Mitglied gewesen.

Dazu kam die Historie der Festspiele selbst mit dem Brecht-Skandal. 1951 hatte Gottfried von Einem Bertolt Brecht beauftragt, ein Stück für die Festspiele zu schreiben, das den Jedermann ablösen sollte. Im Zuge des Kalten Krieges der 1950er-Jahre hatte der Kommunist Brecht das Vorhaben zurückziehen müssen. Gottfried von Einem war aus dem Festspieldirektorium hinausgeworfen waren.

Ideologisch motivierter FPÖ-Protest

Nach mehreren großen Demonstrationen der Kulturszene schließlich gab die Stadtregierung nach und machte einen ehemaligen Schulkomplex im Stadtteil Nonntal frei. Hier entstand 1987 das Kulturgelände Nonntal und gleichzeitig oder in Folge viele weitere autonome Kulturstätten in der Stadt.

Das historische Beispiel macht auch den Unterschied zur FPÖ deutlich. Parteivorsitzende Svazek hadert mit den Festspielen nicht nur wegen der hohen Summe für das Sanierungsprojekt. Sie lehnt auch "linkspolitisch geprägte" Inszenierungen ab, wie sie am Beispiel der Jedermann-Aufführungen 2022 kundtat. Stattdessen präferiere sie den ländlich in Mundart gehaltenen Jedermann in der kleinen Flachgauer Gemeinde Faistenau.

Kritisch und solidarisch

Die Proponenten und Proponentinnen der alternativen Protestbewegung von einst sind inzwischen an der Schwelle zur Pension oder haben diese bereits überschritten. Mehrheitlich hat man sich mit den Festspielen ausgesöhnt.

Thomas Randisek, Geschäftsführer beim Dachverband Salzburg Kulturstätten, beschreibt im STANDARD-Gespräch drei Abschnitte im Verhältnis der autonomen Einrichtungen zur Hochkultur: Nach einer Phase der Konfrontation sei eine der "friedlichen Koexistenz" gekommen. "Heute ist das Verhältnis kritisch-solidarisch. Das hat auch mit den Bemühungen der ehemaligen Präsidentin Helga Rabl-Stadler zu tun, die etwa den Dachverband politisch unterstützte – beziehungsweise es hat auch mit gemeinsamen Kooperationen wie den Stolpersteinen zu tun."

Zudem kämen inzwischen viele künstlerische Inputs aus der freien Szene, und viele Mitarbeiter aus den freien Häusern arbeiteten im Sommer bei den Festspielen.

Eine Frage der Summen

Ein bisschen reibt man sich freilich dennoch an den geplanten Investitionen. Randisek rechnet vor: Laut derzeitigem Planungsstand würden in den nächsten Jahren rund 522 Millionen Euro in die Kultur-Infrastruktur des Landes Salzburg fließen. Der Anteil der freien Szene sei verschwindend gering. "Nur rund 0,6 Prozent gehen dafür in den Umbau des Filmkulturzentrums Das Kino beziehungsweise in den Bau eines Probenhauses für die freie Tanz- und Theaterszene." Aber ganz prinzipiell seien Investition in kulturelle Projekte – auch in Museen – natürlich wichtig und richtig, um das Land als "Kulturland" zu positionieren.

So gesehen ziehen die einst aus einer Protestbewegung entstandenen freien Häuser mit Haslauer inzwischen fallweise durchaus an einem Strang. (Thomas Neuhold, 6.9.2022)