Die OMV ist Thema im U-Ausschuss und der Aufsichtsrat beschäftigt sich mit Entscheidungen von Rainer Seele.

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Aufregende Tage erwarten die OMV – beziehungsweise ihre aktiven und ehemaligen Verantwortungsträgerinnen und Verantwortungsträger. Mitte der Woche kommt der Aufsichtsrat des teilstaatlichen Energiekonzerns (die Öbag hält 31,5 Prozent) zu einem Strategie-Workshop und zu einer Sitzung zusammen, um etliche Themen abzuarbeiten.

Zum einen wird es eben um die vom Vorstand unter Alfred Stern erarbeitete und vom Aufsichtsrat bereits beschlossene Strategie gehen, die unter dem Motto "Raus aus Gas und Öl, rein in Kunststoff" läuft, zum anderen um die Vergangenheit. Um Entscheidungen, die unter Sterns Vorgänger Rainer Seele getroffen wurden und für viel öffentlichen Wirbel gesorgt haben und nach wie vor sorgen. Die deutsche Anwaltskanzlei Gleiss-Lutz und die Wiener Kanzlei HBA Rechtsanwälte haben da etliche Themen geprüft, wegen derer die Aktionäre Seele in der jüngsten Hauptversammlung die Entlastung verweigert hatten.

U-Ausschuss geht weiter

Und: Am Dienstag und Mittwoch wird die OMV auch Thema im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu mutmaßlicher ÖVP-Korruption sein. Der U-Ausschuss tritt erstmals nach der Sommerpause wieder zusammen. Für Dienstag ist Seeles Vorgänger, Gerhard Roiss, geladen, eine frühere Betriebsratschefin hat aus gesundheitlichen. Gründen kurzfristig abgesagt.*

Am Mittwoch wird Ex-Aufsichtsratsvorsitzender Wolfgang Berndt befragt sowie eine OMV-Managerin. Seele selbst kommt nicht: Er ist deutscher Staatsbürger und konnte daher nicht geladen werden. Befragt werden die Geladenen zu den Beweisthemen zwei und vier, also zur Einflussnahme auf Beteiligungen des Bundes bzw. Begünstigung bei der Personalauswahl.

Beim U-Ausschuss des Parlaments wird es vor allem um die Frage der Abhängigkeit Österreichs von russischem Gas gehen, konkret wer Selbige zu verantworten hat. Seele hat den Gasliefervertrag mit Gazprom ja 2018 vorzeitig verlängert – und zwar bis zum Jahr 2040. Das wird ihm nun angekreidet, auch von seinem Vorgänger Roiss.

Ex-Ex-OMV-Chef Gerhard Roiss ortete "Putin-Versteher" in der OMV.
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Roiss sieht "Putin-Versteher"

Er kritisierte die Russland-freundliche Linie der OMV in der Ära Seele in diversen Interviews, ab 2014 "gab es eine große Fraktion von Russland- und Putin-Verstehern, die darauf drängte, dass die OMV sich stärker in Russland engagiert", sagte er etwa im Profil. Er, Roiss, sei ab Oktober 2014 bis zu seinem Ausscheiden Ende Juni 2015 "kaltgestellt" worden und habe keine Entscheidungen mehr gegen seinen designierten Nachfolger treffen dürfen. Der frühere Aufsichtsratschef Berndt wird am Mittwoch bei seiner Befragung wohl dagegenhalten: Er argumentiert wie berichtet, dass die Vertragsverlängerung für die Gazprom-Lieferungen vom Gesamtvorstand beschlossen worden und auch der Aufsichtsrat informiert gewesen sei. Kurz gesagt: Die Russland-Entscheidung sei kein Alleingang Seeles gewesen.

Bei der Vertragsunterzeichnung im Juni 2018 hatten der OMV- und der Gazprom-Chef höchste politische Rückendeckung: Hinter den Unterzeichnern standen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Wladimir Putin. Anfang 2018 war Kanzler Kurz zu Putin nach Moskau gereist, gemäß dafür vorbereiteten "Gesprächsleitfaden" sollte Kurz dort erwähnen, dass Österreich "die fünf Jahrzehnte verlässlicher Energiebeziehungen mit Russland schätzt".

Seltsame Connections

Auch die Vorkommnisse rund um kritische Berichterstattung über die OMV dürfte im Camineum der Nationalbibliothek, in dem der U-Ausschuss tagt, wohl Thema werden – darauf deutet die Ladung jener früheren Betriebsratschefin hin, der der Konzern Informationsweitergabe vorgeworfen hatte und die quasi bespitzelt worden sein soll.

Ob auch Kontakte von Ex-OMV-Leuten zur deutschen Privatagentin mit dem Stasi-Codenamen "Nina", die später in Deutschland inhaftiert wurde, bzw. ihre Beratungsleistungen für den größten österreichischen Industriekonzern aufs Tapet kommen, ist noch nicht bekannt.

Der Aufsichtsrat ließ Entscheidungen von Ex-OMV-Chef Rainer Seele (hier mit dem früheren Kanzler Sebastian Kurz) prüfen.
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Keine rauchende Pistole

Die vorzeitige Verlängerung der Gaslieferverträge bis 2040 wird auch im OMV-Aufsichtsrat Thema sein: Die beiden genannten Anwaltskanzleien haben geprüft, ob Seele der Vertragsabschluss vorwerfbar sei – das Gleiche gilt für den Abschluss eines Sponsoringvertrags mit dem russischen Fußballklub Zenit St. Petersburg (25 Millionen Euro für fünf Jahre) und einer hohen Ausstiegsprämie für den einstigen Compliance-Chef der OMV. Wie berichtet diffundiert aus der OMV die Information, dass in keiner dieser Angelegenheiten rauchende Pistolen gegen Seele gefunden worden seien. Gravierende Fehler des Ex-OMV-Chefs sollen sich also nicht gefunden haben. Sollte dem wirklich so sein, müssten die Aktionäre Seele wohl die im Juni versagte Entlastung erteilen – freilich erst in der nächsten Hauptversammlung 2023.

Was der Aufsichtsrat, konkret der Präsidial- und Nominierungsausschuss wohl auch diskutieren wird diese Woche: Kandidatinnen für den Vorstandsbereich Chemicals& Materials – eine Position, die Stern abgeben wird und für die eine Frau gefunden werden soll.

OMV-Chef Alfred Stern musste in der Öbag über die künftige Strategie nähere Auskünfte erteilen.
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Kein Showdown

Etwaige Anpassungen der neuen OMV-Strategie sind nicht auszuschließen – gravierend dürften diese aber eher nicht ausfallen. Die Öbag hatte Stern ja für vorigen Freitag zu einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung geladen, in der der OMV-Chef die neue "Strategie 2030" zu erläutern hatte. Thema der Veranstaltung unter Leitung von Öbag-Aufsichtsratschef Günther Ofner war dabei auch die Frage, ob die OMV ihren Plan, aus Öl und Gas auszusteigen (das soll bis 2050 geschehen) nicht zugunsten eigener OMV-Förderaktivitäten abändern sollte.

Aus dem in diesem Konnex von manchen prognostizierten Showdown anlässlich der Sitzung in der Staatsholding – bis hin zu einer damit eingeleiteten Demontage Sterns – ist aber nichts geworden. Das Treffen soll ziemlich unspektakulär abgelaufen sein. (Renate Graber, 6.9.2022)