Die Osteopathie ist als Behandlung in Österreich nicht anerkannt – dennoch vertrauen viele darauf. Rund 30.000 Behandlungen pro Woche führen die rund 2.000 Osteopathinnen und Osteopathen durch.

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30.000 Menschen in Österreich pro Woche gönnen sich eine osteopathische Behandlung – nicht wenige angesichts der Tatsache, dass die Methode immer wieder im Bereich der alternativen Heilmethoden ohne besondere Wirksamkeit verortet wird. Dazu kommt, dass man die Behandlung selbst bezahlen muss. Zwischen 80 und 140 Euro muss man im Schnitt für einen Termin hinlegen. Weiters gibt es für den Beruf kein geregeltes, anerkanntes Berufsbild – theoretisch kann sich jeder und jede Osteopath nennen.

Tatsächlich gibt es aber eine wissenschaftlich belegte Wirkung bei spezifischen Krankheitsbildern. Eines davon sind chronische Schmerzzustände. Andrea Siebenhofer-Kroitzsch, Leiterin des Instituts für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung der Med-Uni Graz, hat das in einer umfassenden Analyse der wissenschaftlichen Literatur herausgefunden.

Kein gesetzlicher Rahmen

Zehn Prozent aller über 15-Jährigen gehen mindestens einmal im Jahr zum Osteopathen, das hat eine Umfrage der Statistik Austria aus dem Jahr 2019 ergeben. "Das sind bei 1.500 bis 2.000 Osteopathen rund 30.000 Behandlungen pro Woche, für die es in Österreich noch immer keinen gesetzlichen Rahmen gibt", bemängelte Margit Halbfurter, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Osteopathie (OEGO), bei einem Podiumsgespräch der Praevenire Gesundheitsinitiative in Alpbach in Tirol die aktuelle Lage.

Das führt zu einer skurrilen Situation: Patientinnen und Patienten suchen in breitem Ausmaß Linderung für ihre Beschwerden in einer Disziplin, die es offiziell in Österreich gar nicht gibt und die am ehesten im Windschatten der Physiotherapie existiert. Tatsächlich weist die Osteopathie in manchen Behandlungsbereichen Ähnlichkeiten mit der Physiotherapie auf, da es viele manuelle Ansätze gibt. Aber auch chraniosakrale Behandlungen gehören zu ihrem Portfolio. Weiters wird sie oft als Therapie für Kleinkinder und Säuglinge angeboten, etwa wenn Babys viel schreien.

Die Ausbildung dafür ist allerdings nicht eindeutig geregelt. Halbfurter weiß: "In 13 europäischen Ländern ist die Osteopathie als Gesundheitsberuf gesetzlich verankert, in Großbritannien seit 1993. In sieben Ländern gibt es dafür sogar eine akademische Vollzeitausbildung. In unserem Gesundheitssystem ist die Osteopathie dagegen gar nicht verankert, die Berufsbezeichnung ist nicht geschützt und die Ausbildung nicht geregelt."

Zwar sehen die seriösen etablierten Osteopathie-Ausbildungsinstitutionen Studien mit mindestens 1.500 bis 2.000 Stunden samt Master-Titel vor, verpflichtend ist das aber nicht. Im Grunde kann sich jeder Osteopath nennen. Diese fehlende Anerkennung als gesetzlich geregelter Gesundheitsberuf führt auch dazu, dass derzeit eine Übernahme der Kosten durch die Krankenkasse nicht einmal angedacht ist.

Nachweisbare Wirkung

Die positive Wirkung der Osteopathie ist aber immer besser wissenschaftlich belegt. Das hat zumindest eine Analyse der existierenden Übersichtsarbeiten zu "Wirksamkeit und Sicherheit osteopathischer Behandlungen" ergeben, die Siebenhofer-Kroitzsch vor kurzem fertiggestellt hat. Die Literaturstudie erfolgte zwar im Auftrag der OEGO, jedoch hätte man – wie immer – "fachlich unabhängig" gearbeitet, betont die Expertin.

Insgesamt wurden von der Grazer Institutsleiterin und ihrem Co-Autor Thomas Semlitsch 27 systematische Reviews nach ihrer Aussagekraft beurteilt. 16 von ihnen wurden erst ab 2016 veröffentlicht, 13 stammten aus Europa. 15 der ausgewerteten Publikationen befassten sich mit der Wirksamkeit der Osteopathie bei Erkrankungen von Muskeln und Skelett.

Das Ergebnis: "Osteopathische Behandlungen sind bei erwachsenen Personen mit chronischen nichtonkologischen Schmerzen, chronischen unspezifischen Kreuzschmerzen, auch während der Schwangerschaft, akuten Nackenschmerzen und bei frühgeborenen Säuglingen zur Verringerung der Spitalsaufenthaltsdauer wirksam." Diese Erkenntnisse könnten auch eine Anleitung dafür sein, bei welchen Beschwerden und Krankheitsbildern am ehesten eine Osteopathin oder ein Osteopath helfen und eine Verbesserung des Zustandsbildes erreichen können, so die Autoren.

Gut bei chronischen Schmerzen

Für alle diese Anwendungsgebiete bestehen in der wissenschaftlichen Literatur Hinweise auf eine positive Wirkung mit moderater Verlässlichkeit. Das bedeutet, dass weitere Studien diese Sichtweise "vermutlich nicht verändern" werden. Keine Effekte bei einer niedrigen Verlässlichkeit der vorliegenden wissenschaftlichen Evidenz gibt es hingegen für Erwachsene mit akuten unspezifischen Kreuzschmerzen, Fibromyalgie- und Kopfschmerzbetroffenen und etwa Personen mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung. Für Anwendungen in der Zahn- und Kieferheilkunde, bei Krebs und anderen Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen gibt es keine wissenschaftlichen Hinweise auf eine Wirkung.

"Mittlere oder moderate Evidenz für bestimmte Indikationen, das ist eigentlich schon relativ viel", sagte dazu Gerald Gartlehner, Leiter des Departments für Evidenzbasierte Medizin und Evaluation an der Donau-Universität Krems. Immerhin seien auch in der modernen Medizin nur ein Drittel aller Verfahren durch gute wissenschaftliche Studien in ihren Effekten ausreichend belegt. (APA, kru, 5.9.2022)