Verheerender Monsunregen sorgt in weiten Teilen Pakistans für Überschwemmungen.
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Die Opferzahlen steigen weiterhin: Etwa 1.300 Menschen sind infolge der heftigen Überschwemmungen in Pakistan gestorben, darunter auch hunderte Kinder. Wesentlich mehr Menschen mussten evakuiert werden – die Klimaministerin Pakistans, Sherry Rehman, spricht von 33 Millionen Betroffenen. Der Grund dafür sind die Regenfälle infolge des Sommermonsuns.

Jedes Jahr kommt es in Indien und Pakistan in den Monaten Juli bis September zu Niederschlag und steigenden Wasserpegeln, auch beim Indus, dem längsten Fluss des Subkontinents. Vereinfacht formuliert werden wasserreiche Luftmassen vom Ozean über das Land geweht. Vor der Gebirgskette des Himalaya kommt es daraufhin zu heftigen Regenfällen.

So viel Regen wie in einer Saison

Im August diesen Jahr es traten allerdings Monsunstörungen auf, sogenannte "monsoon depressions", sagt Andreas Fink vom Karlsruher Institut für Technologie. "Eine dieser Störungen war für einige Tage über Südpakistan stationär", sagt der Meteorologe. Weil der Golf von Bengalen wärmer als normal sei, könne dies "den Wasserdampfgehalt und damit die Regen zusätzlich intensiviert haben". Dabei spiele womöglich auch das La-Niña-Phänomen eine Rolle, das die Regenfälle durch eine höhere Wassertemperatur verstärkte.

Da der Monsun erst im Laufe des Septembers abklingt, kann sich die Situation noch immer verschärfen. "Der beispiellose und frühe Monsun hat bisher 190 Prozent mehr Niederschlag gebracht als in einem normalen Jahr", liefert Muhammad Saleem Pomee von der Universität Augsburg, der unter anderem Zusammenhänge zwischen regionalem Klimawandel und Gesundheit erforscht, einen Vergleich. "Allein im Juli wurden mehr Niederschläge verzeichnet als im Mittel in der gesamten Saison fallen." Ein stärker als sonst ausgeprägter zweiter Monsunstrom könne zudem erklären, weshalb das benachbarte Indien derzeit nicht gleichermaßen unter Überschwemmungen leidet.

Gesundheitliche Risiken

Ähnliche Niederschläge gab es vor zwölf Jahren: 2010 sorgten Regen und Überflutungen für ungefähr 2.000 Todesfälle, die allerdings andere Regionen des Landes betrafen. Doch nun, im Jahr 2022, trifft es Pakistan besonders hart. Nicht nur das Wasser belastete Bevölkerung und Ökosysteme, sondern auch Trockenheit und Hitze. Im Land wurden bald nach dem Jahresbeginn bereits Temperaturen von mehr als 50 Grad gemessen.

Neben der Wetterlage haben die aktuellen katastrophalen Zustände weitere Gründe, erläutert Pomee: "Darüber hinaus haben fehlerhafte Eingriffe in natürliche Wasserwege, unzureichende Wasserspeicher und die rasche Abholzung der Wälder die Überschwemmungen in den Städten und auf dem Land in weiten Teilen Pakistans weiter verschlimmert."

DER STANDARD

Durch die Überflutungen wurden nicht nur Häuser und Straßen zerstört. Wasserversorgungssysteme etwa wurden mit Abwässern vermischt, weiten Teilen der Bevölkerung mangelt es an sauberem Trinkwasser. In den betroffenen Regionen könnten durch Wasser übertragene Krankheiten wie Cholera, Durchfall und Magen-Darm-Infektionen auftreten, sagt Pomee: "Außerdem könnten das stehende Wasser, die hohen Temperaturen und die hohe Luftfeuchtigkeit den Ausbruch von Denguefieber in diesen Regionen begünstigen."

Ernteausfälle

Zudem stehen Felder unter Wasser, die Landwirtschaft ist stark betroffen. Durch deutliche Ernteausfälle drohen Hungersnöte, wie auch Agrarwissenschafterin Rike Becker von der Universität Kassel deutlich macht: Die Überflutungen treffen "das Land genau zu Beginn der Erntezeit der Kharif-Feldfrüchte, die während der Monsunzeit angebaut werden".

Diese Monsunfrüchte, zu denen etwa Reis und Baumwolle zählen, werden von Herbst bis Winter geerntet. Sie sind nicht nur für die Nahrungsmittel- und Rohstoffversorgung im Land wichtig, sondern auch für den internationalen Handel. Die stark von den Überschwemmungen betroffenen Provinzen Sindh und Belutschistan machen zusammen etwa 20 Prozent der Ackerflächen des Landes aus.

Die Region Sindh und das nordwestlich davon gelegene Belutschistan sind besonders stark von den Überflutungen betroffen.

"Zwar liegt die Hauptregion landwirtschaftlicher Produktion etwas weiter im Norden, in der geringer betroffenen Punjab-Provinz, dennoch könnte die aktuelle Flutkatastrophe ein Risiko für die Ernährungssicherheit des Landes darstellen", sagt Becker. "Denn es sind nicht nur die Ernteausfälle, sondern auch die Infrastruktur wie Transportwege und Zugänge zu Absatzmärkten, die von der Flutkatastrophe betroffen sind."

Risikofaktor für Konflikte

Pakistan ist flächenmäßig mehr als doppelt so groß wie Deutschland und hat mit geschätzt 220 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern eine höhere Bevölkerungsdichte. Das Land ist wirtschaftlich wesentlich schwächer, ein Großteil der in Pakistan lebenden Menschen ist von Armut betroffen. Kriege und Konflikte beeinflussten und beeinflussen weiterhin den Alltag. Hinzu kommt erschwerend, dass das Land mit am stärksten von der Klimakrise betroffen ist.

Um Heu als Nahrung für Tiere zu retten, nehmen Landwirte große Anstrengungen auf sich.
Foto: AP Photo/Fareed Khan

Flutkatastrophen wie die aktuelle bedeuten "in der Regel Vertreibung innerhalb des Landes", sagt Jacob Schewe vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). "Konflikte gehen in aller Regel auf mehrere Ursachen und beitragende Faktoren zurück. Extremereignisse wie Überflutungen oder extreme Hitze können dazu gehören. Für ärmere und politisch fragile Länder sind die sozialen und finanziellen Kosten solch großer Katastrophen besonders schwer aufzufangen."

Der Trend der zunehmenden Dürren und Extremüberschwemmungen wird auch in Zukunft anhalten, wie Klimamodelle zeigen. Demnach wird es – wie auch in vielen anderen Teilen der Erde – immer häufiger Extremwetterereignisse geben. "Statistisch werden solch starke Überflutungen in Pakistan in den nächsten Jahrzehnten also mit großer Sicherheit häufiger", sagt Fink. "Das gilt aber auch für Trockenperioden im Monsun."

Steigende Hitze, mehr Instabilität

Insbesondere hohe Temperaturen werden zu einer stetig wachsenden Herausforderung. Zwischen 1986 und 2015 ist es im Land um 0,3 Grad Celsius pro Jahrzehnt wärmer geworden. Das ist mehr als der weltweite Durchschnitt. Die Hitze sorgt dafür, dass immer mehr Wasser verdunstet und damit der Wasserbedarf steigt, erläutert Becker: "Bedenkt man, dass die Landwirtschaft bereits heute für zirka 90 Prozent der gesamten Wassernutzung in Pakistan verantwortlich ist, wird deutlich, dass auch Wasserknappheit ein großes Problem ist." Auch wenn der Wassermangel künftig ausgeglichen werden kann, ist mit deutlichen Ertragsrückgängen zu rechnen, wie die Analysen und Simulationen der Forscherin etwa für Reis, Baumwolle und Mais zeigen.

Land unter: Viele Wohngebäude sind überschwemmt, Menschen von Obdachlosigkeit betroffen.
Foto: Fida HUSSAIN / AFP / APA

Besonders ärmere Gesellschaftsschichten sind von diesen Problematiken betroffen. Beinahe zwei Drittel der ländlichen Bevölkerung Pakistans sind "direkt oder indirekt im landwirtschaftlichen Sektor beschäftigt", sagt Becker. "Selbst wenn also auf nationaler Ebene Nahrungsmittel vorhanden sind, werden auf regionaler Ebene für viele Menschen wichtige Einnahmequellen einbrechen, und ökonomische Instabilitäten werden sich verstärken."

Im Gegensatz zu reicheren Staaten – die bereits in Sachen Anpassungsmaßnahmen hinterherhinken – können sich Länder wie Pakistan angesichts der künftigen Herausforderungen der globalen Erwärmung nur schwerlich adaptieren. Es werde aber bereits diskutiert, wie landwirtschaftliche Zonen nach Norden in kühlere Bereiche "verschoben" werden können, sodass die angebauten Pflanzen weiterhin gedeihen können, sagt die Agrarwissenschafterin.

Hilfe durch Industriestaaten

Gleichsam ist die historische und aktuelle Verantwortung des Landes in Sachen Treibhausgasemissionen relativ gering: Pakistan sorgt weltweit pro Jahr für weniger als ein Prozent der Emissionen. "Der Westen sollte auch seine globalen Verpflichtungen erfüllen, wie im Pariser Abkommen vereinbart, um Regionen wie Pakistan vor den negativen Folgen des Klimawandels zu schützen", fordert Klimaforscher Pomee.

Nicht nur teure Monitoringsysteme zur Analyse des Monsuns seien notwendig und dem Wissenschafter zufolge eine Möglichkeit der Industrieländer, "um Klimaflüchtlinge aus dieser Region zu vermeiden". Es brauche zudem finanzielle und technologische Unterstützung bei Hilfsmaßnahmen, Oberflächen- und Grundwasserspeichern. "Die Förderung einer klimaangepassten Landwirtschaft sowie einer wassersensiblen Stadtplanung und Investitionen in Massentransportprojekte würden ebenfalls zu einer besseren Anpassung an solche Situationen beitragen." (Julia Sica, 5.9.2022)