Außenminister Ivan Korčok hat wie Bildungsminister Branislav Gröhling und Justizministerin Maria Kolíková sein Amt niedergelegt. Die Slowakei hat aktuell eine Minderheitsregierung.

Foto: EPA/Noemi Bruzak/HUNGARY OUT

Bratislava – Die seit Monaten anschwellende Koalitionskrise in der Slowakei hat am Montag mit dem Rücktritt dreier weiterer Minister der neoliberalen Freiheit und Solidarität (SaS) ihren Höhepunkt erreicht. Die Partei von Liberalen-Chef Richard Sulík habe damit definitiv die Regierungskoalition verlassen und ziehe sich in die Opposition zurück, bestätigte er vor Journalisten in Bratislava.

Nach Sulík, der selbst seinen Rücktritt als Wirtschaftsminister bereits letzte Woche eingereicht hatte, haben jetzt auch Bildungsminister Branislav Gröhling, Justizministerin Maria Kolíková sowie Außenminister Ivan Korčok auf ihre Posten verzichtet. Die Namen der Nachfolger waren am Montagnachmittag vorerst nicht bekannt.

Ultimatum nicht erfüllt

Dem vorausgegangen war ein zweimonatiges Ultimatum der Liberalen, die strikt darauf bestanden, dass der Parteichef der stärksten Koalitionspartei Olano, Finanzminister Igor Matovič, die Regierung verlassen müsse. Er sei für eine "Zersetzung" des Landes, seiner Institutionen und öffentlicher Finanzen verantwortlich, mit seinem Konfliktcharakter habe er nahezu das ganze Land gegen sich aufgebracht, bekräftigte Sulík.

Olano ließ die Frist ergebnislos verstreichen und beschuldigte ihrerseits die Liberalen, vor der Verantwortung in der aktuellen Inflations- und Energiekrise wegzulaufen.

Die seit den letzten Parlamentswahlen 2020 bestehenden Spannungen zwischen Sulík und Matovič waren Anfang des Sommers erneut eskaliert, nachdem der Finanzminister ein Inflationshilfspaket für Familien trotz strikter Ablehnung der SaS mithilfe von Rechtsextremisten im Parlament durchgesetzt hatte. Die Liberalen bezeichneten die Hilfe in Gesamtumfang von 1,2 Milliarden Euro im kommenden Jahr als viel zu kostspielig und nicht ausgerichtet für Bedürftige.

Die rechtspopulistische Regierung von Ministerpräsident Eduard Heger hat mit der SaS einen extrem wichtigen Koalitionspartner verloren. Die Slowakei bekommt damit mitten in Krisenzeiten eine Minderheitsregierung.

Minderheitsregierung

Die drei verbleibenden Koalitionspartner, die "Gewöhnlichen Menschen" (Olano) von Ex-Premier Matovič, "Wir sind Familie" von Parlamentspräsident Boris Kollár und die einst von Ex-Präsident Andrej Kiska gegründete Partei "Für die Menschen", werden sich im 150 Mitglieder zählenden Parlament nur noch auf 70 Mandatare stützen können. Bei der Durchsetzung dringend notwendiger Gesetze zur Milderung von Folgen der Inflation und Energiekrise werden sie auf die Hilfe der Opposition angewiesen sein.

Nach dem letzten Urnengang vor zweieinhalb Jahren hatten die vier Regierungspartner über eine bequeme Verfassungsmehrheit von 95 Stimmen im Parlament verfügt. Beobachter halten Neuwahlen in der Slowakei für immer wahrscheinlicher. (APA, 5.9.2022)