Der Moment, in dem man ahnt, dass Daten unwiederbringlich gelöscht wurden (Symbolfoto).
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Nur Menschen, die bereits in ähnlichen Situationen waren, können den Verlust nachempfinden, wenn der Laptop mit der nahezu fertigen Abschlussarbeit gestohlen wird oder eine alte externe Festplatte voller Fotos den Geist aufgibt. Das zeigt bereits, dass digitale und greifbare Objekte von hoher Bedeutung einen ähnlichen Stellenwert haben können – und ihr Abhandenkommen entsprechend schmerzt.

Dass aber auch digitale Informationen von vernachlässigbarem Wert Verlustgefühle hervorrufen, zeigte nun ein Forschungsteam mit Beteiligung der Universität Innsbruck. Dabei sind offenbar psychologisch ähnliche Mechanismen am Werk – eine erstaunliche Parallele, wie Fachleute in drei Studien darstellen. Bekannte psychologische Mechanismen, die bei materiellen Gütern auftreten, fanden sich laut der im Fachjournal "PNAS" veröffentlichten Arbeit auch in Bezug auf mehr oder weniger unwichtige Information wieder.

Subjektiver Wert

Die menschliche Beziehung zu Gegenständen kann sich bekanntlich höchst kompliziert bis pathologisch gestalten. Dass man bestimmten Dingen oder Besitztümern nicht nur sprichwörtlich "an-" oder "nachhängen" kann oder diese "loslassen" oder "festhalten" möchte, drückt den vielfach hohen emotionalen Wert von Dingen aus. Dementsprechend gut sind die psychologischen Verbindungen zwischen Gütern und Menschen wissenschaftlich untersucht, heißt es am Montag in einer Aussendung der Uni Innsbruck.

Inwiefern diese Mechanismen auch bei Informationen, wie etwa Nachrichten oder digitalen Daten, greifen könnten, hat ein Team unter der Leitung von Yana Litovsky vom Institut für Banken und Finanzen der Uni Innsbruck und Kollegen von der Carnegie Mellon University in Pittsburgh (USA) untersucht.

Ins Visier haben die Wissenschafter das Phänomen der Verlustaversion und den Endowment-Effekt genommen. Unter letzterem versteht man, dass der Wert eines Objekts dann subjektiv höher wird, wenn man dieses in seinem Besitz hat, während man identische Objekte als weniger wertvoll einschätzt, die jemand anders gehören. Unter der Bezeichnung Verlustaversion firmiert wiederum eine Art "Glas-halb-voll, Glas-halb-leer"-Dilemma, nämlich die Tendenz, dass Menschen Verluste als gravierender einschätzen als gleich hohe Gewinne.

Für Irrelevantes zahlen, Nützliches meiden

In Analogie zu Gütern wollten die Expertinnen und Experten in mehreren Studien mit insgesamt über 1.000 Probandinnen und Probanden herausfinden, bis zu welchem Grad sich diese Mechanismen auch bei Informationsgewinnen und -verlusten beobachten lassen. Bisher herrschte vielfach die Meinung, dass Informationen nur dann ähnlich wie handfeste Güter bewertet werden, wenn sie für Entscheidungen genutzt werden können, die wiederum zu auch materiell günstigeren Ergebnissen führen. Nun konzentrierten sich die Forscher um Litovsky allerdings auf Informationen, die diese Voraussetzung nicht erfüllten, also eigentlich eher vernachlässigbar waren.

Dass Menschen auch dazu mitunter emotionale Bindungen eingehen können, zeige etwa, dass viele Personen etwa für Informationen bezahlen, die für sie letztlich irrelevant sind. Als Beispiel nennen die Forschenden hier den Konsum von Klatschmagazinen. Auf der anderen Seite wurde auch in der Coronapandemie klar, dass einige Menschen nützliche Nachrichten aktiv vermeiden, weil diese ihrem Weltbild nicht entsprechen oder aus einer Quelle stammen, die ihnen nicht genehm ist.

Relevant für Datenschutz

In einer der Untersuchungen wurde den Beteiligten in Aussicht gestellt, dass sie drei Informationen zu einem Sachverhalt erhalten würden. Wollten sie auch darüber hinausgehende Fakten erfahren, mussten sie darum spielen. Dabei war die Chance, alle sechs Fakten präsentiert zu bekommen, ebenso hoch, wie letztlich keine der Infos zu erhalten. Je nachdem, ob die "Glücksspiel"-Option als möglicher Gewinn oder Verlust angepriesen wurde, veränderte sich die Wahrscheinlichkeit, dass diese auch ausgewählt wurde. Das zeige, dass die Aussicht, "seine" Informationen quasi zu verlieren, für Menschen abschreckender ist, als die Option, die Infos einfach nicht zu erhalten.

Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter gehen davon aus, dass sich ähnliche Muster offenbaren, wenn es um wichtige Informationen geht. "Dass wir nun Verlustaversion und Endowment-Effekt für Informationen identifiziert haben, kann im digitalen Zeitalter besonders wichtig sein: Der heute beispiellose Zugang zu Informationen hat die Art, wie wir diese Informationen bewerten, verkompliziert und kann sie auch verändern", sagt Litovsky.

Dass Menschen Güter und Informationen ähnlich bewerten, sei zudem eine Erkenntnis, die in Überlegungen zum Online-Datenschutz einfließen sollte. Sie ist etwa relevant, wenn es etwa um Datenweitergabe geht. Und auch bei der Erinnerung daran, regelmäßig auf verschiedenen Medien und Plattformen Sicherheitskopien zu erstellen. (APA, red, 6.9.2022)