Im Gastblog berichtet Basisbildnerin Kristina Stocker von einer Veranstaltung, bei der Konzepte der Basisbildung mit einem breiten Publikum besprochen und diskutiert wurden.

Basisbildung braucht dringend Öffentlichkeitsarbeit, denn es gibt in der Gesellschaft zu wenig Auseinandersetzung mit dem Thema. Es steigt zwar langsam das Interesse daran, viele denken aber immer noch, dass es in diesem Rahmen ausschließlich darum geht, dass bildungsbenachteiligte Migrantinnen und Migranten Lesen und Schreiben lernen. Dabei bedeutet Basisbildung viel mehr: Wir verstehen darunter emanzipatorische Lernprozesse, durch die die soziale Teilhabe erhöht und die Gestaltungskompetenz das eigene Leben betreffend, gefördert werden sollen.

Mit der "Campus Basisbildung (CaBa) Pop-up Gallery" ist das Kunstlabor uniT in den öffentlichen Raum gegangen und hat Passantinnen und Passanten mit der Frage konfrontiert, was sie denken, dass Basisbildung eigentlich sei? Ziel war es einen Dialog mit Menschen aus unterschiedlichen Kontexten anzuregen.

Dialogformat Gartenhäuschen

Einen Tag lang waren wir am Mariahilferplatz in Graz präsent. Wir waren Teil des Lendwirbels, einem Grätzelfest in Graz, das viele Menschen anspricht und viele Leute anzieht. Der Bezirk ist zudem ein Ort, an dem nicht wenige bildungsbenachteiligte Personen leben, auch wenn sich das gerade ändert. Mit im Gepäck hatten wir ein kleines, mobiles Gartenhaus, welches als Gallery fungierte. Zunächst haben wir vorbeigehende und interessierte Menschen gebeten uns beim Aufbau des Hauses zu helfen und nutzten das, um erste Gespräche über das Thema Basisbildung zu führen.

Ähnlich wie ein Haus, sollte auch die Basis in der Bildung stabil und belastungsfähig sein.
Foto: Andrea Fischer und Kristina Stocker

Ähnlich wie beim Bauen ging es um die Fragen: Was ist die Basis in der Bildung? Wie tun, dass sie belastungsfähig und stabil ist? Und es wurde gleich klar, wie viel man können muss, um so ein Häuschen aufzubauen: die Betriebsanleitung verstehen, Kommunizieren und Arbeiten im Team und vieles mehr. Die Aktion machte schnell deutlich, welche Kompetenzen einfache Aktivitäten im Alltag verlangen.

Als das Haus stand, haben wir es "eingerichtet". Unsere spezielle Kompetenz war da von Vorteil: Wir arbeiten seit vielen Jahren mit kreativen und künstlerischen Methoden, nutzen sie für Lernprozesse. Gezeigt wurden Produkte dieser Prozesse: Texte, Filme, Plakate, Hörbilder, die von und mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Rahmen von Basisbildungsangeboten gestaltet wurden.

Das erregte Bewunderung, machte aber klar, was man dadurch lernen kann, denn Basisbildungsprozesse und -erfahrungen wurden so sichtbar.
Zudem haben wir Menschen nach den Gesprächen darum gebeten mit uns ein Wort, einen Satz oder eine Erfahrung in Zusammenhang zum Basisbildung zu teilen und dieses zu Papier zu bringen. Es kamen Sätze wie: "Keine Panik!" oder "Eine Hand voll Deutsch ist ein Strauß Probleme weniger." Das alles wurde Teil der Ausstellung, die im Laufe des Tages wuchs und wuchs.

Basisbildung: Was ist das?

Viele Menschen, mit denen wir sprachen, konnten mit dem Begriff allerdings wenig anfangen und wussten nicht, dass es ein Basisbildungsangebot gibt. Fragte man nach, kam als Antwort: Lesen und Schreiben lernen, und ein bisschen Mathematik. Manche meinen, Basisbildung ist, wenn man den Pflichtschulabschluss vorweisen kann. Hier leisteten wir Aufklärungsarbeit. Oft wurde lebhaft diskutiert: Über Basisbildung in Zusammenhang mit Migration und Spracherwerb, über die Notwendigkeit von Weiterbildungen. Es wurde darüber gesprochen, was Inhalte von Basisbildung seien.

Es wurde gefragt: Wo fängt Basisbildung an? Wo hört sie auf? Wer sind die Menschen an die sich Basisbildungsangebote richten? Klar wurde, sie richtet sich an Menschen mit deutscher Erstsprache als auch für Menschen mit anderen Erstsprachen sowie unterschiedlichen Bildungshintergründen, Erfahrungen, Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten.

Uns war es ein Anliegen das Bild von Basisbildung positiv zu besetzen und den Fokus von einem defizitorientierten Ansatz hin zu einem ressourcenorientierten Ansatz zu verschieben.

Im direkten Gespräch wurden Konzepte der Basisbildung vermittelt und Vorurteile aufgedeckt.
Foto: Andrea Fischer und Kristina Stocker

Erfahrungen aus bisherigen Kursen

Zu merken war, dass das Thema Sensibilität erfordert, denn schnell landet man bei Zuschreibungen und Stigmatisierungen. Zufällig kam auch ein Gruppe von Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus der Basisbildung vorbei. Sie besuchten mit ihrer Trainerin den Lendwirbel. Auch sie haben wir gefragt, was sie meinen, dass Basisbildung sei. Antworten waren: Deutsch lernen, die eigenen Möglichkeiten am Arbeitsmarkt zu verbessern, durch Basisbildung die Möglichkeiten bei der Arbeitssuche verbessern. Erzählt wurde auch von Emanzipationsprozessen und Erleichterungen im alltäglichen Leben, zu denen Basisbildung beigetragen hat.

Viele Teilnehmerinnen Teilnehmer beschreiben den Kurs als Möglichkeit zu lernen, ohne Panik haben zu müssen. Als Möglichkeit Zeit zu bekommen, um individuelle Kompetenzen aufzubauen.
Sie lobten vor allem auch das gute Klima in der Kursgruppe und freuten sich über das Verständnis und die Solidarität untereinander und über die Unterstützung durch die Lehrenden.

Bildung als Thema der Gesellschaft

Wir machten an diesem Tag die Erfahrung, dass Formate wie das beschriebene dazu beitragen können, dass die Diskussionen um Bildung und um Basisbildung vermehrt stattfinden. Es wurde auch deutlich, dass Bildungsprozesse nicht nur für einzelne Personen wichtig sind, dass sie deren Schicksal beeinflussen, sondern dass es immer auch um gesellschaftliche Strukturen geht. Bildungsprozesse sind immer im Zusammenhang mit sozialen, politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen zu sehen. (Kristina Stocker, 9.9.2022)

Kristina Stocker ist Basisbildnerin mit Ausbildung als bildende Künstlerin und Mal- und Gestaltungstherapeutin. Sie arbeitet mit dem Kunstlabor uniT zusammen.

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