Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer und Sportminister Werner Kogler (beide Grüne) hatten in den vergangenen Jahren immer wieder mit Fällen missbräuchlichen Verhaltens in ihren Bereichen zu tun.

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Alle paar Wochen werden Vorfälle publik, die den Bedarf nach einer zentralen Anlaufstelle für Opfer von Missbrauch, Belästigung und Gewalt im Kultur- und Sportbereich vor Augen führen. Seit März 2021 gab es dafür einen Regierungsbeschluss, Vorarbeiten liefen bereits, nun soll die Stelle mit dem Namen vera* ihren Vollbetrieb aufnehmen.

Die Berichte von Beginn des Sommers aus der Film- und Theaterbranche – publik geworden u.a. im STANDARD – würden sie immer noch "fassungslos" machen, sagte Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) am Dienstag bei der Präsentation von vera*. Auf die aktuellen Vorwürfe gegen eine Filmproduktion des Regisseurs Ulrich Seidl in Rumänien angesprochen, gebrauchte sie auch hier das Wort "fassungslos", die Vorwürfe würden "schwer wiegen", selbstverständlich werde dem nachgegangen. Das Österreichische Filminstitut, mit 1,3 Millionen Euro der größte Fördergeber der Produktion (675.000 kamen vom ORF, weitere Beteiligungen aus Deutschland und Frankreich), habe den Auftrag, alle Verträge, Protokolle von Drehtagen etc. von Seidl einzufordern und aufzuarbeiten.

Falls bei der Produktion des Films Sparta – der von unterdrückter Pädophilie handelt – gegen Kinderrechte verstoßen wurde, könne "unabhängig von allen möglichen rechtlichen Konsequenzen" die Fördersumme komplett zurückverlangt werden, stellte Mayer klar. Dass die Produktion überhaupt gefördert wurde, verteidigte Mayer: Ulrich Seidl sei immerhin ein international renommierter und geschätzter, vielfach ausgezeichneter Regisseur.

Vorbildwirkung und Männersache

Bei der Präsentation der "Vertrauensstelle gegen Belästigung und Gewalt in Kunst, Kultur und Sport", wie sie mit vollem namen heißt, war auch Sport- und Kulturminister Werner Kogler (Grüne) zugegen. Es gebe "ein großes Augenmerk der Gesamtgesellschaft auf Kunst und Sport", daher gehe es hier auch um Vorbildwirkung. Natürlich gebe es missbräuchliches Verhalten in der gesamten Gesellschaft, aber in Sport und Kultur herrschten oft besondere Vertrauens- und Naheverhältnisse in relativ abgeschotteten Räumen – da sei die Möglichkeit für Übergriffe stärker gegeben als woanders.

Kogler war es auch wichtig, festzuhalten, dass die allermeisten Übergriffe von Männern ausgingen. Daher liege es inbesondere "an uns Männern" dagegen aufzutreten und ein anderes Männerbild vorzuleben. Das Ausnützen von Machtpositionen sei "leider nach wie vor Realität".

Im ersten Jahr stehen für die Stelle, die ihren Hauptsitz am Wiener Hauptbahnhof in der Gertrude-Fröhlich-Sander-Straße 13 hat, 350.000 Euro zu Verfügung. Getragen wird die Anlaufstelle von zwei unabhängigen Vereinen, "100% Prozent Sport" und dem "Verein Vertrauensstelle Kunst und Kultur", der von den Interessenvertretungen gestützt wird.

Im österreichweiten Netzwerk der Anlaufstelle arbeiten 104 geschulte Präventions- und Schutzbeauftragte sowie 102 Genderbeauftragte, Juristinnen und Juristen. Man sei zwar keine 24-Stunden-Hotline, vielmehr setze man aber auf begleitende, persönliche Betreuung. Für jeden Fall solle im individuellen Gespräch die jeweils passende Vorgangsweise eruiert werden. Und selbstverständlich kooperiere man eng mit bestehenden Opferschutzinitiativen. (Stefan Weiss, 6.9.2022)