Der slowakische Premierminister Eduard Heger hat mit der wirtschaftsliberalen SaS einen wichtigen Koalitionspartner verloren.

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Der slowakische Premier Eduard Heger sucht nach neuen Leuten für sein Regierungsteam – und nach einem Weg aus der tiefen politischen Krise in seinem Land. Nachdem einer von Hegers kleineren Regierungspartnern, die wirtschaftsliberale Partei SaS (Freiheit und Solidarität), die Koalition de facto aufgekündigt und ihre Kabinettsmitglieder abgezogen hat, sind nun gleich vier Ministerposten vakant: Parteichef Richard Sulík hatte bereits am Freitag seinen Rücktritt als Wirtschaftsminister eingereicht, am Montag folgten ihm Außenminister Ivan Korčok, Justizministerin Mária Kolíková und Bildungsminister Branislav Gröhling.

Hintergrund ist ein lange schwelender Konflikt zwischen der SaS und der größten Regierungspartei Oľano (Gewöhnliche Menschen und unabhängige Persönlichkeiten), der auch Premier Heger angehört. Vor allem Oľano-Chef und Finanzminister Igor Matovič steht dabei im Kreuzfeuer der Kritik des Koalitionspartners.

Im Juni hatte Matovič ein Hilfspaket für Familien, das die Folgen der Inflation abfedern soll, gegen den Willen der SaS durch das Parlament gebracht – und zwar auch mit den Stimmen rechtsextremer Abgeordneter. Die Liberalen sahen darin einen Koalitionsbruch und forderten Matovič auf, bis Ende August die Regierung zu verlassen. Matovič freilich ließ die Frist verstreichen. Zwar stellte er einen möglichen Rücktritt in Aussicht, knüpfte diesen jedoch an weitreichende Forderungen an die SaS, was wiederum in deren Reihen überwiegend auf Ablehnung stieß.

Verlust der Parlamentsmehrheit

Der Rücktritt der vier SaS-Regierungsmitglieder muss nun noch von Staatspräsidentin Zuzana Čaputová angenommen werden. Trotzdem kursierten am Dienstag bereits erste Namen, die die Ministerliste von Hegers Kabinett wieder vollständig machen sollen. Als neuer Außenminister etwa ist Rastislav Káčer im Gespräch, ein erfahrener Diplomat und derzeit slowakischer Botschafter in Tschechien.

Doch selbst wenn es gelingt, rasch wieder eine vollständige Regierungsmannschaft zu präsentieren: Mit dem Abgang der SaS hat das Kabinett seine Parlamentsmehrheit verloren. Oľano kann sich gemeinsam mit der rechtspopulistischen Gruppierung Sme rodina (Wir sind Familie) und der Mitte-rechts-Partei Za ľudí (Für die Menschen) nur auf 70 der insgesamt 150 Mandate stützen – mit einigen unabhängigen Abgeordneten auf bis zu 73. Ein fliegender Übergang zu einer Minderheitsregierung ist zwar verfassungsrechtlich möglich, würde die politischen Entscheidungsprozesse aber ausgerechnet in Zeiten von Energie- und Inflationskrise komplizierter machen. Beobachter schließen daher auch baldige Neuwahlen nicht aus.

Gilt auch in den Reihen der Regierung vielen als streitsüchtig und unberechenbar: Finanzminister Igor Matovič.
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Der Konflikt rund um das von Matovič geschnürte Anti-Inflations-Paket ist nicht der erste seiner Art. Im Februar 2021 vereinbarte Matovič, damals noch als Premierminister, mit Russland die Lieferung von zwei Millionen Dosen des Corona-Impfstoffs Sputnik V – und zwar nur einen Tag nachdem sein eigenes Kabinett genau diesem Plan eine Absage erteilt hatte. Bereits damals forderte ihn die SaS zum Rücktritt auf. Am Ende verlor der häufig als streitsüchtig und unberechenbar beschriebene Matovič durch die Affäre sein Amt als Regierungschef, konnte jedoch ins Finanzministerium wechseln und so im Kabinett bleiben.

Die nun zerbrochene Vier-Parteien-Regierung war nach den Ende Februar 2020 abgehaltenen Parlamentswahlen ins Amt gekommen. Wichtigstes Wahlkampfthema war damals der Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen. Nach der Ermordung des Enthüllungsjournalisten Ján Kuciak im Jahr 2018 hatte eine breite Protestbewegung einen gesellschaftlichen Wandel gefordert. Bei der Wahl wurden die alten Eliten, vorwiegend aus dem linkspopulistischen Lager, schließlich abgewählt.

Bei der Angelobung des Kabinetts nur drei Wochen nach der Wahl, im März 2020, trug man bereits Masken. Die Corona-Krise hatte mittlerweile ganz Europa erfasst und der Regierung einen turbulenten Start beschert. (Gerald Schubert, 6.9.2022)