Gülşen war zunächst verhaftet und später in den Hausarrest entlassen worden.

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Ankara – Wegen einer vieldiskutierten Aussage über religiöse Bildungseinrichtungen in der Türkei muss sich die prominente Popsängerin Gülşen ab 21. Oktober vor einem Gericht verantworten. In der am Dienstag angenommenen Anklageschrift werde Gülsen unter anderem Volksverhetzung vorgeworfen, berichtete der türkische Staatssender TRT. Der Künstlerin drohen demnach bis zu drei Jahre Haft.

Durch ihre Aussagen sei eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit entstanden, zitierte der Sender aus der Anklageschrift. Die Vorwürfe stehen in Zusammenhang mit Äußerungen auf einem Konzert im April. Dort hatte die Sängerin gesagt, die "Perversität" eines Kollegen sei auf dessen Zeit an einer Imam-Hatip-Schule zurückzuführen – Gülşen sagte, sie habe nur gescherzt.

Kritik aus religiösen Kreisen

Imam-Hatip-Schulen sind staatliche Bildungseinrichtungen, die einen Schwerpunkt auf religiöse Ausbildung legen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan war etwa Schüler einer solchen Schule. Aufgrund der zunehmenden Zahl der religiösen Schulen werfen Kritiker der Regierung eine Islamisierung der Türkei vor. In der türkischen Verfassung ist die Trennung von Staat und Religion festgeschrieben.

Gülşen Bayraktar Çolakoğlu, wie die Sängerin mit vollem Namen heißt, war erst verhaftet und Anfang vergangener Woche in den Hausarrest entlassen worden. Das Vorgehen gegen die beliebte Sängerin löste nicht nur unter Künstlern im Land große Empörung aus.

Gülşen ist bekannt für ihre öffentliche Solidarisierung mit LGBT+-Personen, und sie wurde auch dafür bereits mehrfach aus religiösen und Proregierungskreisen kritisiert. (APA, 6.9.2022)