Sind nicht genügend Blutkonserven auf Lager, müssen planbare Operationen verschoben werden, damit der Vorrat für Notfälle ausreicht. Das ist im vergangenen Sommer bereits geschehen.

Foto: www.corn.at Heribert CORN

Blut ist ein echtes Notfallmedikament, es kann Leben retten. Bei einem schweren Unfall, bei einer großen Operation oder auch bei einer Geburt, wo es zu starken Blutungen kommt, muss es oft ersetzt werden. Das Problem: Blut kann man nicht künstlich herstellen. Patientinnen und Patienten sind immer noch auf Spenden angewiesen – und das wird sich auch so schnell nicht ändern. Genau darauf wird am Welttag der Ersten Hilfe aufmerksam gemacht. Die gute Nachricht: Man braucht dank guten Managements heutzutage viel weniger Blutspenden.

Doch was genau macht die rote Flüssigkeit so besonders? Zwei wesentliche Aufgaben hat Blut, das zu etwa 55 Prozent aus flüssigen und 45 Prozent aus festen Bestandteilen besteht. Flüssig ist das klare Blutplasma, das viele Gerinnungsfaktoren enthält – wesentliche Stoffe um schwere Blutungen zu stoppen. Die festen Bestandteile sind Blutzellen, der größte Anteil davon sind die roten Blutkörperchen, Erythrozyten in der Fachsprache. Sie geben dem Blut die Farbe. Und sie transportieren den Sauerstoff zu den Organen. Ohne sie ist ein Überleben unmöglich.

Spenden ist Männerjob

Trotz aller medizinischen Fortschritte kann man die roten Blutkörperchen nicht künstlich herstellen, weiß Gottfried Fischer, Transfusionsmediziner an der Blutbank St. Pölten "Beginnend mit dem Zweiten Weltkrieg hat vor allem das US-Militär versucht, künstliches Blut herstellen, man hat mehrere Jahrzehnte lang geforscht. Tatsächlich hat man in den 1980er-Jahren, beruhend auf Forschungen von Max Perutz und Kyoshi Nagai in Cambridge, England, künstliches Hämoglobin produziert. Die roten Blutkörperchen bestehen praktisch nur aus diesem Eiweißstoff für den Sauerstofftransport. Aber in die Praxis hat sich künstliches Blut leider nicht umsetzen lassen."

Deshalb ist man bis heute auf Blutspenden angewiesen. Fischer betont: "Das ist ein rein altruistischer Akt, man bekommt kein Geld dafür. Und deshalb ist es umso großartiger, wenn Menschen sich dazu bereiterklären." Vor allem Männer sind da angesprochen, denn sie können häufiger spenden als Frauen. Laut Blutspenderverordnung dürfen sie sechsmal pro Jahr spenden, Frauen nur viermal, nach der Menopause fünfmal. Das liegt daran, dass Frauen viel stärker von Eisenmangel betroffen sind – und genau das ist der Hauptbestandteil der roten Blutkörperchen.

Ohne Blut keine Operationen

Gespendet wird jeweils ein halber Liter, der bis zu maximal sechs Wochen aufbewahrt werden kann – danach tritt der rote Blutfarbstoff in die Umgebung aus, dadurch wird er toxisch. Deshalb ist regelmäßiges Spenden so wichtig – denn sind zu wenig Blutkonserven vorrätig, müssen aus Sicherheitsgründen Operationen abgesagt werden. Fischer weiß: "Im vergangenen Sommer mussten geplante Operationen verschoben werden, weil zu wenig Spenderblut vorhanden war. Dieses muss dann für Notfälle aufbewahrt werden."

Spenden dürfen mittlerweile alle, die klare Kriterien erfüllen. Lange wurde ja kritisiert, dass homosexuelle Männer von der Spende ausgeschlossen sind. Mit der diesen September in Kraft getretenen Blutspende-Novelle wurde das endlich fallengelassen. Die Risikogruppe, die nicht spenden darf, ist jetzt wie folgt definiert: alle, die innerhalb von drei Monaten mehr als drei verschiedene Sexualkontakte hatten, sowie deren Partner – unabhängig von Geschlecht oder sexueller Orientierung.

Für ein Jahr werden außerdem Personen vom Blutspenden ausgeschlossen, die unmittelbaren Kontakt zu einer mit HBV, HCV oder HIV infizierten Person hatten oder sich einem Risiko für die Ansteckung mit sexuell übertragbaren Infektionen ausgesetzt haben. Im besonderen Fokus stehen dabei Hepatitis B, Hepatitis C und HIV. Bei einem negativen Test auf diese Krankheiten wird die Wartefrist auf drei Monate verkürzt.

Auch ungeschützter Sex im unmittelbaren Vorfeld der Blutspende wird zum temporären Ausschlusskriterium. Weiterhin darf man nach kürzlich auskurierten Erkrankungen und Erkältungen, Zeckenstichen oder Auslandsaufenthalten in Tropen- und Malariagebieten nicht spenden. Das wird auch mittels Fragebogen eruiert. Darüber hinaus testet das Rote Kreuz jede Spende auf alle wichtigen Infektionskrankheiten, die über Blut übertragen werden.

Umfassendes Patientenblut-Management

Die zur Verfügung stehenden Spenden werden außerdem sehr gewissenhaft eingesetzt, betont Sibylle Kietaibl, Leiterin der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin am Evangelischen Krankenhaus Wien und Expertin für Patient Blood Management: "Das ist ein wertvoller Saft, man muss sehr sorgfältig damit umgehen. Und mit dem richtigen Management brauchen wir viel weniger Blutkonserven."

Tatsächlich konnte der Bedarf an Spenderblut in den vergangenen Jahrzehnten drastisch gesenkt werden – durch innovative Operationsmethoden, Blutgerinnungstherapie, aber auch durch die Autospende. Kietaibl nennt das "die Blutzellrettung". Im OP-Raum oder im Schockraum werde dabei Wundblut aufgefangen, gereinigt und dann wieder zugeführt.

Diese Wiederverwertung ist deshalb so wichtig, weil das eigene Blut am besten verträglich ist. Denn auch bei Bluttransfusionen kann es, wie überall in der Medizin, zu Nebenwirkungen kommen, wie etwa eine höhere Infektanfälligkeit. Kietaibl weiß: "Solche Nebenwirkungen sind wirklich selten, aber eben nicht unmöglich. Denn die Blutzellen haben an den Oberflächen viele Antigene und Moleküle, die der Körper als fremd erkennen kann. Deshalb kann der Empfänger mit einer Immunreaktion reagieren."

Und auch die ideale Versorgung während einer Operation hilft, einen eventuellen Blutverlust zu minimieren. "Im Vorfeld kann man Patientinnen und Patienten auf eventuelle Gerinnungsstörungen testen und diese behandeln. Auch während des Eingriffs werden etwaige im Zuge des Blutverlustes entstandene Gerinnungsstörungen rasch diagnostiziert und medikamentös behandelt. Und eine gute Narkoseführung ist enorm wichtig. Dann hat der Körper weniger Stress, er braucht weniger Sauerstoff und benötigt deshalb auch weniger Blutkonserven", erklärt Anästhesistin Kietaibl.

Reichen aber all diese Maßnahmen nicht aus und sind dennoch Blutkonserven nötig, ist es wichtig, dass sie vorhanden sind. Deshalb betont Kietaibl: "Es gibt zwar für diese spezielle Erste-Hilfe-Maßnahme der Blutspende keine gesetzliche Verpflichtung, aber doch eine moralische Motivation. Darum rufen wir alle Menschen ohne Ausschlussgrund für eine Blutspende zum wiederkehrenden Spenden auf." (Pia Kruckenhauser, 10.9.2022)