Lila Schwarzenberg sprach für das Filmporträt "Mein Vater, der Fürst" mit ihrem Vater, bringt sich in die Dokumentation auch selbst ein.

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Lila Schwarzenberg und ihr Vater Karl bei Gesprächen und Spaziergängen.

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Die Filmemacher Lukas Sturm und Lila Schwarzenberg.

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Fünf Jahre dauerte die Arbeit am Film Mein Vater, der Fürst. Weil einiges los war und manche Dinge einfach Zeit brauchen. Ursprünglich wollte Lila Schwarzenberg mit dem Regisseur Lukas Sturm ein ganz herkömmliches Porträt ihres Vaters machen. Weil es aber auch – und wie sich herausstellte – sehr stark darum ging, sich dem Vater zu nähern, erzählt der Film nicht nur die Geschichte des tschechisch-schweizerischen Politikers, Landwirts und Unternehmers Karl Schwarzenberg, sondern ist auch eine Vater-Tochter-Beziehungs-Geschichte, deren Aufarbeitung für die Filmemacherin sichtlich nicht einfach war. Ab Freitag im Kino, noch heuer im ORF.

STANDARD: Sie sagen zu Beginn, Sie halten den Kontakt mit Ihrem Vater nicht lange aus. Warum dann der Film?

Schwarzenberg: Gerade deshalb. Es war mein Wunsch, meinen Vater in irgendeiner Form zu bewahren. Während des Drehens haben wir beide gesehen, dass uns die Kamera hilft, in den Dialog zu kommen, und ich glaube, es war einfach ein Versuch, mit ihm ins Gespräch zu kommen, einen Dialog zu haben. Und das hat funktioniert.

STANDARD: Die Begeisterung des Vaters hat sich in Grenzen gehalten – zumindest wirkt es im Film so. Ist es dabei geblieben?

Sturm: Ganz im Gegenteil, Schwarzenberg war von Anfang an dabei, das Projekt hat ihm sehr viel Spaß gemacht. Ungewöhnlich an dem Film ist die lange Entstehungsgeschichte. Wir wollten ja ursprünglich etwas machen mit zwei, drei Drehtagen, ohne Förderung und nichts. Das war der Impuls.

Schwarzenberg: Ich habe 2015 in der Flüchtlingskrise einen Charityevent organisiert, wo mein Vater eine sehr bewegende Rede hielt, in der es auch um seine eigene Verfolgungsgeschichte ging. Die Leute hörten bei dieser sehr langen Rede aufmerksam zu, und da meinte unser Co-Produzent Gernot Schaffler: "Lila, du musst einen Film über ihn machen!" Danach ging ich lange schwanger mit der Idee. Ich wusste aber, ich kann einen solchen Film nicht allein machen, sondern brauche auf alle Fälle noch einen Regisseur. Und erst als Lukas sagte, er würde den Film mit mir zusammen machen, wurde das Ganze konkret.

STANDARD: Aber warum hat es fünf Jahre gedauert?

Sturm: Aus mehreren Gründen. Für ein kleines Studio produzieren wir ziemlich viel. Das heißt, wir haben den Schwarzenberg-Film nebenbei mitgemacht. Es hat diese Zeit gebraucht, weil die Begegnungen immer auch aufwühlend für uns waren. Und dann haben wir es wieder eine Zeit liegengelassen.

Schwarzenberg: Im Laufe des Schnittes bemerkten wir, dass die wirklich interessanten Szenen nicht die im Interview waren, sondern jene davor und danach. Irgendwann hat sich das Ganze wegbewegt von einem Film über ihn zu einem Film über uns.

STANDARD: Als Sie ihm eröffnen, dass Sie den Film machen, sagt er im Film, dass er sich nicht vorstellen kann, dass das etwas wird. Eine Erwartungshaltung, die Ihnen bekannt vorkommt?

Schwarzenberg: Er sagt aber auch, es sei das Schwerste überhaupt, diesen Film so zu machen. Damit hat er wahrscheinlich recht, weil es inhaltlich auf der einen Seite Familie ist und es Loyalitäten gibt, auf der anderen Seite dramaturgische Wünsche stehen. Ich war sehr oft im Konflikt mit mir selbst – zwischen der Filmemacherin und dem Familienmenschen.

"Wenn es um private Fragen geht, kommt die Privatperson schnell zum Vorschein."

STANDARD: Welche Kriterien spielten bei der Entscheidung eine Rolle, ob eine Szene bleibt oder nicht?

Schwarzenberg: Bauchgefühl, Bauchgefühl, Bauchgefühl.

Sturm: Wir haben dasselbe Gespür für die Fragen, was gut für den Film ist und wo man Grenzen überschreiten würde, was wir nicht wollten. Wir haben nicht viel miteinander diskutiert, weil wir viel Vertrauen zueinander haben.

Schwarzenberg: Aber auch eine gewisse Lernfähigkeit. Lukas sagte zum Beispiel, die Zuschauer sind sehr daran interessiert, wie wir leben, also im Schloss und so weiter. Ein Umstand, mit dem ich überhaupt nichts anfangen kann, wieso Menschen das wissen wollen. Aber ja, ich nahm es zur Kenntnis, vertraute Lukas, und so drehten wir an verschiedenen Plätzen und zeigen Schlösser und Parks.

STANDARD: Schwarzenberg ist ein Medienprofi, der gewohnt ist, die Kamera um sich zu haben, und sie wahrscheinlich auch zu nutzen weiß. Was stellten Sie an, um der Privatperson vor der Kamera näherzukommen?

Schwarzenberg: Man musste das Historische, Politische verlassen. Wenn es um private Fragen geht, kommt die Privatperson sehr schnell zum Vorschein.

STANDARD: Sie geben selbst auch viel von sich preis. Zum Beispiel sprechen Sie über das Scheitern Ihrer eigenen Ehe. Warum war das wichtig zu erwähnen?

Schwarzenberg: Weil der Film sonst keine Balance gehabt hätte. Das ist mir nicht leichtgefallen, aber es kann nur so funktionieren. Wenn er so viel von sich erzählt, muss ich umgekehrt mehr von mir zeigen.

STANDARD: Was haben Sie Neues an Karl Schwarzenberg kennengelernt?

Schwarzenberg: Vieles war nicht neu, hat sich nur verdeutlicht. Er ist noch immer widersprüchlich und komplex. Er ist progressiv und gleichzeitig traditionell, er ist großzügig und dann wieder sehr auf sich bezogen.

Sturm: Je länger wir mit ihm gesprochen haben und je mehr Material wir von ihm bekommen haben, desto vielschichtiger ist die Figur geworden.

Je länger wir an dem Film gearbeitet haben, desto mehr ist dieses nach außen zu stark scheinende Aristokratische zurückgetreten, und es ging immer mehr dann um eine Tochter, um den Vater.

STANDARD: Und jetzt im Nachhinein, ist alles gesagt zwischen Ihnen und Ihrem Vater?

Schwarzenberg: Bestimmt nicht. Eine Beziehung entwickelt sich. Das Fragenstellen hört nie auf.

Sturm: Der Mann ist ein reichhaltiges Biotop. Sowohl in der Familiengeschichte, aber auch historisch.

Schwarzenberg: Ich glaube, man muss schon in sich selbst gefestigt sein, um so einen Film zu machen. Es gibt auch kein Happy End. Wir sind in unserem Alter und werden uns nicht mehr groß ändern, und das ist auch gut so, es muss sich ja auch nichts ändern. Wir haben immerhin etwas gemeinsam gemacht.

STANDARD: Hat sich gar nichts geändert?

Schwarzenberg: Natürlich hat es unsere Beziehung verändert, weil wir viel Zeit miteinander verbracht und Bleibendes geschaffen haben.

STANDARD: Die Aristokratie steht derzeit sehr hoch im Kurs ...

Schwarzenberg: Ist das so?

STANDARD: Zumindest im Film erfreut sie sich gewisser Beliebtheit, "Downton Abbey", "The Crown", "Bridgerton".

Schwarzenberg: Ich glaube, die Beliebtheit dieser Serien hat weniger mit der Aristokratie zu tun als mit den darin gezeigten Biotopen. Es geht um das Menschliche, und die Aristokratie ist halt ein lustiger Background.

STANDARD: Aber es gibt offenbar ein gewisses Interesse am Adel, Wohnen und Leben – siehe "Herrschaftszeiten" im ORF.

Schwarzenberg: Ich muss sagen, ich habe das als Kind nie so zu schätzen gewusst. Es war angenehm, und es gab viel Platz. Mir persönlich ist eine Wohnung trotzdem lieber. (Doris Priesching, 7.9.2022)