Licht aus in Schaufenstern? Der Strompreis hat sich für viele Händler vervielfacht. Sie fürchten, von der Regierung übersehen zu werden.

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Wien – Die Flut an Rechnungen, die erzürnte Händler an Rainer Trefelik schicken, reißt nicht ab. Zwei Millionen Euro habe ein Grazer Handelshaus im Jahr für Strom bisher bezahlt, erzählt Trefelik, der seine Branche in der Wirtschaftskammer vertritt. "Die Kosten explodierten auf zwölf Millionen Euro." Eine Tiroler Modekette habe statt 48.000 künftig 486.000 Euro zu stemmen. Ein Elektrogroßhändler bleche statt 500.000 Euro jährlich 1,8 Millionen.

"Das geht sich nicht aus. Derartige Energiepreise fressen das gesamte Jahresergebnis", klagt Trefelik. Er fürchtet, dass österreichische Händler ohne weitere Förderungen geradezu "ausradiert" würden.

"Tausende Jobs gefährdet"

Vor einer brandgefährlichen Mixtur, die zum Flächenbrand führen könne, warnt auch Stephan Mayer-Heinisch. Der Handelsverbandspräsident sieht tausende Jobs gefährdet, werde das Energieproblem der Branche zu spät oder unzureichend gelöst. "Aus eigener Kraft sind dazu viele Betriebe nicht in der Lage."

Energieintensiven Unternehmen winkt angesichts des teuren Stroms staatliche Kompensation. Um neue Hilfen für Handel und Gewerbe wird politisch noch gerungen. Der Druck aus der Wirtschaft steigt, auch kleinen und mittleren Betrieben erneut finanziell unter die Arme zu greifen.

Ökonomen raten davon aber entschieden ab. Forderungen nach Förderung seien aus Sicht der Interessenvertreter legitim – die öffentliche Hand dürfe ihnen diesmal aber nicht nachgeben, denn das gebe die Wirtschaft nicht länger her, sagt Michael Böheim, Experte des Wifo, im Gespräch mit dem STANDARD. Für Böheim rufen derzeit vor allem jene nach dem Staat, die vor der Krise für freie Marktwirtschaft plädierten.

Verschleppte Konkurse

Der Ökonom erinnert an Covid-Hilfen, die zu einer Verschleppung von Konkursen führten. Und er betont, dass es einem Teil der Betriebe möglich sei, höhere Energiekosten auf ihre Kunden abzuwälzen.

Das treibe zwar die Konsumpreise nach oben. Dennoch sei es besser, einkommensschwächere Haushalte über Transferleistung zu unterstützen, als Energieverbraucher großflächig zu subventionieren.

Böheim schließt nicht aus, dass Handel und Gewerbe auf Mehrkosten sitzenbleiben. "Dann setzt sich jener durch, der seine Semmeln am effizientesten bäckt." Auch wenn es sich wenige auszusprechen getrauten und es die Wirtschaftskammer nicht gerne lese: Schützenswert sei nicht der einzelne Betrieb. Entscheidend sei vielmehr, insgesamt Versorgungssicherheit sicherzustellen.

Elfenbeinturm?

Böheim legt Unternehmen nahe, auf das Instrument des Verlustrücktrags zuzugreifen. "Es klingt neoliberal und hart: Aber wer in der Vergangenheit keine Gewinne erzielte, hat offenbar kein tragfähiges Geschäftsmodell und wird aus dem Markt ausscheiden."

"Hier bestimmt der Standort den Standpunkt", hält Trefelik entgegen und ortet einen Blick aus dem Elfenbeinturm. Was sich auf Metaebene gut ausmache, sehe für den einzelnen Händler, der ums wirtschaftliche Überleben kämpfe, anders aus.

Der Handelsobmann plädiert für leicht administrierbare Hilfen gegen den Strompreisschock. Mittelfristig gehöre am Merit-Order-Prinzip, wonach Kraftwerke mit den höchsten Kosten den Strompreis bestimmen, gerüttelt. "Im Handel würde dies als Wucher bezeichnet werden."

Mayer-Heinisch wünscht sich das Wifo-Modell des subventionierten Energiekontingents zum Fixpreis. Dieses war allerdings nur für private Haushalte vorgesehen.

Umfragen des Handelsverbands zufolge sieht die Branche Potenzial, 15 Prozent des Stromverbrauchs einzusparen. 42 Prozent der Händler erwarten infolge der gestiegenen Kosten Verluste. 5.900 Betriebe fürchten eine Schließung. Die Konsumlaune, sagt Trefelik, sei schlechter als während der Finanzkrise 2008. (Verena Kainrath, 7.9.2022)