Man müsse gegensteuern, wenn mit gefördertem Wohnraum spekuliert werde, sagte Claudia O’Brien. Bürgermeister Benedikt Erhard war da gleich noch ein wenig radikaler: "Eigentum ist Diebstahl!"

Foto: Oreste Schaller

Grundsätzlich ist die traditionelle "politische Debatte" des Wohnsymposiums ja durchaus als Streitgespräch konzipiert. Doch so wenig Streit wie diesmal war selten. Denn der ÖVP(-nahe) Bürgermeister der kleinen Tiroler Gemeinde Lans, Benedikt Erhard, und die Bundesvorsitzende der Jungen Generation in der SPÖ und Bezirksrätin von Wien-Alsergrund, Claudia O’Brien, waren sich in vielem einig. "Sie klingen ja wie ein Wiener Sozialdemokrat", sagte der ob dieses Gleichklangs durchaus verdutzte Moderator Eric Frey da einmal zum ÖVP-Bürgermeister.

Doch Erhard, seit 1998 Mitglied des Gemeinderats von Lans, ab 2010 Vize- und ab 2015 Bürgermeister, hatte schon zuvor in einer Wortmeldung erkennen lassen, dass er sich kaum in eine bestimmte Schublade stecken lasse. Der hohe Bodenverbrauch sein ein enorm wichtiges Thema; und abseits der Städte werde dem sozialen Aspekt des Wohnens kaum Beachtung geschenkt. "Es entstehen auch heute noch Siedlungen, die schon tot sind, wenn sie gebaut werden", sagte er wörtlich.

Bausperren verhängt

Neben O’Brien auf dem Podium gab er dann Einblicke in seinen Zugang zur Bodenpolitik: Anlegerprojekten hat er in seiner Gemeinde den Kampf angesagt, er verfolgt eine rigide Bodenpolitik, arbeitet mit Bausperren und bevorzugt den objektgeförderten Wohnbau. "Das geht, wenn man nur will."

Erhard wurde 1953 in Hannover geboren, seine Familie zog aber wenig später nach Tirol, weil sein Vater eine Druckerei und einen Verlag in Innsbruck geerbt hatte. Er studierte in Innsbruck Theologie, Pädagogik und Geschichte, später war er jahrzehntelang in der Kultur tätig, unter anderem als Ausstellungskurator und ab 2007 als stellvertretender Vorstand der Abteilung Kultur und Leiter des Sachgebiets Museen, Denkmalpflege, Wissenschaft und bildende Kunst im Amt der Tiroler Landesregierung.

"Eigentum ist Diebstahl"

Generell torpediere man mit Eigentum jede soziale Nachhaltigkeit, "denn man fördert natürlich langfristig Spekulation", sagte Erhard und sorgte mit diesen Aussagen für erstaunte Blicke sowohl im Publikum als auch auf dem Podium. Und er ging sogar noch weiter: "Eigentum ist Diebstahl", zitierte er Karl Marx und forderte ein "unbefristetes Vorkaufsrecht für juristische Personen", also etwa für Gemeinden – für den Fall, dass mit gefördert errichteten Wohnungen gehandelt wird.

Claudia O’Brien konnte ihm da nur noch beipflichten: Ja, man müsse gegensteuern, wenn geförderter Wohnbau abverkauft werde. "Der Anteil an freifinanziertem Wohnraum nimmt massiv zu." Auch die Stadt Wien könne da ganz bestimmt noch mehr machen, als sie derzeit tue – etwa mit dem Bauprogramm für neue Gemeindewohnungen.

Die 1989 in Klosterneuburg geborene, nun in Wien beheimatete O’Brien berichtete, dass Leute ihres Alters häufig umziehen müssten oder auch nach Ende ihres Studiums noch in Wohngemeinschaften wohnen würden, weil der freie Markt viel zu teuer geworden sei. Den anwesenden Wohnbauprofis gab sie deshalb mit auf den Weg, dass auch im Neubau viel öfter WG-Lösungen angedacht werden sollten. Und sie nahm einen Impuls aus der Podiumsdiskussion zuvor auf und wies darauf hin, dass am Alsergrund, der als Innenbezirk großteils von Altbauten geprägt ist, soziale Nachhaltigkeit "nicht möglich ist, wenn sie nur im Neubau mitgedacht wird". Es brauche also auch Lösungen für den Bestand.

WGs als soziale Nachhaltigkeit

Und für sehr wichtig hält sie auch die Frage der Neuverteilung des öffentlichen Raums. Denn wenn die Wohnungen immer kleiner werden, brauche es im Umfeld die nötigen Räume für Nachbarschaft, soziale Treffpunkte etc.

Erhard unterstützte das und erzählte abschließend von einem laufenden Großprojekt in seiner Gemeinde, in dem sich nun möglicherweise auch die eine oder andere "Senioren-WG" zusammenfindet. Denn auch das sei ein Aspekt von sozialer Nachhaltigkeit: Schaffe man gute Wohnmöglichkeiten für Seniorinnen und Senioren, könnten diese im Ort bleiben, aber ihre zu großen Einfamilienhäuser weitergeben an junge Familien, die sie dringender brauchen können. (Martin Putschögl, 7.9.2022)