Wen braucht es zu einer Garageneröffnung? Einen Dompfarrer, einen Wirtschaftskammer-Präsidenten, einen Bezirkschef, einen Bürgermeister, einen Garagenbetreiber, eine Stadträtin und einen Stadtrat.

Foto: PID/Bohmann

Es gibt diese Großprojekte, bei denen es unmöglich erscheint, dass sie jemals fertig werden. Gesamtösterreichisch betrachtet ist der Semmering-Basistunnel wohl so ein Projekt. In Wien war es lange das (mittlerweile in Betrieb gegangene) Krankenhaus Nord. Und im ersten Wiener Bezirk hat sich der Tiefgaragenbau unter dem zentral gelegenen Neuen Markt inklusive Neugestaltung der Fläche darüber diesen Ruf erarbeitet. Gerecht geworden ist er diesem aber nicht.

Nach vielen Wirrungen und Irrungen ist das scheinbar Unerreichbare vollbracht: Unter dem Neuen Markt können mittlerweile 364 Autos und 39 Motorräder auf vier Ebenen abgestellt werden. Der rund 10.000 Quadratmeter große Platz darüber, der einst vor allem als Parkfläche diente, wurde neu gestaltet – mit hellgrauem Pflaster, sechs aus Deutschland herbeigekarrten XL-Platanen sowie weiteren Bäumchen und Beeten. Und: Der von 1739 stammende Donnerbrunnen, der zwischenzeitlich abgebaut und restauriert worden ist, ist auf den Neuen Markt zurückgekehrt.

Dies wurde am Dienstag in einem Festzelt, untermalt von jazziger Livemusik, gefeiert. Mit allem, was in der Wiener City dazu gehört: Sekt am Vormittag, Brötchen vom Nobel-Treff Schwarzes Kameel, Dompfarrer Toni Faber und roter Politprominenz aus dem Rathaus. Für Letztere war die Eröffnung eine willkommene Gelegenheit, um endlich über Angenehmeres zu sprechen als das dominierende Thema der vergangenen Tage: die Probleme der Wien Energie.

Streit auf der Zielgeraden

Und so setzte der für Wasser zuständige Stadtrat Jürgen Czernohorszky zu einem historischen Referat zum Donnerbrunnen an ("Ich kann noch eine halbe Stunde reden." – ORF-Moderatorin Nadja Bernhard, die durch die Veranstaltung führte, ließ das aber nicht zu). Planungsstadträtin Ulli Sima erklärte unter Zuhilfenahme einer Schautafel, dass aufgrund von Sichtachsen und Feuerwehrzufahrten nicht noch mehr Begrünung möglich sei. ("Wir haben jeden Quadratmillimeter genutzt.") Und Bürgermeister Michael Ludwig tat das, was er ohnehin am liebsten macht: Wien loben und preisen ("Dass man bei uns auch als Wiener gerne in die Innenstadt geht, unterscheidet uns von anderen gesichtslosen Städten"). Zu dem Feel-good-Event erschien der ebenfalls geladene Finanzstadtrat Peter Hanke nicht. Ihm sei ein "anderer Termin" dazwischengekommen, sagte eine Sprecherin.

Der Part des geistlichen Lobens und Preisens kam Toni Faber zu. Er hatte dafür Weihwasser aus dem Stephansdom dabei – und schlug den für ihn typischen, weltlichen Ton an. Faber segnete alle, die nun in der Tiefgarage Gastfreundschaft "zu günstigen Konditionen" erfahren würden, wie er es formulierte. "Danke für die Interventionen."

Damit spielte der Dompfarrer auf das jüngste Kapitel in dem langen Gezerre um das Projekt an. Die Bevölkerung im Einzugsgebiet hatte vor kurzem lautstark darauf bestanden, wie einst von der früheren Bezirksvorsteherin Ursula Stenzel (ÖVP) versprochen, vergünstige Parkplätze in der Garage zu erhalten. In einem unlängst verschickten Schreiben vom Betreiber Best in Parking war davon aber keine Rede mehr – auch deshalb, weil schriftliche Vereinbarungen fehlten.

Betreiber zahlt Umbau

Schließlich fanden Geschäftsführer Johann Breiteneder und der aktuelle Bezirkschef Markus Figl (ÖVP) einen Kompromiss. Für Bewohnerinnen und Bewohner mit Hauptwohnsitz im betroffenen Gebiet stehen am Neuen Markt 90 Dauerparkplätze für monatlich 189 Euro (statt regulär 560 Euro) zur Verfügung und weitere 30 in der Corso-Garage in der Mahlerstraße. "Mir war wichtig, dass alle, die jahrelang unter der Baustelle gelitten haben, nun auch etwas davon haben", sagt Figl.

Die ganze Projektgeschichte reicht übrigens mehr als 20 Jahre zurück. Damals tauchten erste Pläne für eine Tiefgarage auf. Ansässige Kaufleute liefen dagegen Sturm: Sie fürchteten jahrelange Bauarbeiten. Unterstützung kam von Verkehrsplanern wie Hermann Knoflacher, der vor zusätzlichem Verkehr im Zentrum warnte. Auch Stenzel wetterte dagegen, sie störte sich vor allem an den Kosten. Eine von ihr 2006 initiierte Stadtteilbefragung endete mit einer Ablehnung des Vorhabens, das Rathaus ortete prompt Suggestivfragen. Letztlich wurde erfolgreich über eine Verkehrsberuhigung an der Oberfläche samt Neugestaltung des Bereichs verhandelt. Dafür brachte eine weitere Abstimmung 2012 die Mehrheit.

Sechs Jahre später erfolgte der Spatenstich für die Garage. Während der Arbeiten wurde allerdings noch einmal umgeplant. Der Grund: Stadträtin Sima war mit den Vorstellungen ihrer grünen Vorgängerin Birgit Hebein nicht zufrieden. Die Kosten von 5,6 Millionen Euro für die Platzgestaltung trägt Best in Parking, insgesamt schlägt das Projekt mit 60 Millionen Euro zu Buche. Die Stadt steuert laut Breiteneder 1,8 Millionen Euro Garagenförderung bei.

Verkehrsberuhigung stockt

So groß die Erleichterung über die Finalisierung dieses Endlosprojekts nun auch ist, dient sich bereits ein Nachfolger an: die seit Jahren diskutierte Verkehrsberuhigung des ersten Bezirks. Geplant ist, dass künftig nur noch jene in die City fahren können, die dort wohnen oder eine Parkgarage ansteuern.

Weil Stadt und Bezirk dies mit Kameras kontrollieren möchten, braucht es aber eine Änderung der Straßenverkehrsordnung. Zuständig ist die grüne Verkehrsministerin Leonore Gewessler, die sich aber unter anderem wegen Datenschutzbedenken Zeit lässt. Figl hofft, zu Jahresende einen Zeitplan vorlegen zu können. Dass die Verkehrsberuhigung so lange dauern könnte wie das Garagenprojekt, glaubt er nicht: "Ich bin Optimist."

Wen braucht es zu einer Garageneröffnung? Einen Dompfarrer, einen Wirtschaftskammer-Präsidenten, einen Bezirkschef, einen Bürgermeister, einen Garagenbetreiber, eine Stadträtin und einen Stadtrat. (Stefanie Rachbauer, 7.9.2022)