Die Forscher aus Österreich und Italien gingen von einem "realistischen Szenario" aus, in dem die Bevölkerung in rund zehn Monaten durchgeimpft ist.

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Laxenburg/Wien – In einer Pandemie sollten kurz vor und nach Freigabe und Verfügbarkeit eines Impfstoffes Lockdown-Maßnahmen eher verstärkt als gelockert werden. Das errechneten Forscher unter anderem des Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg, Niederösterreich, anhand von Covid-Daten. Dadurch ließe sich der Anteil an Infizierten möglichst gering halten, bis genügend Geimpfte die Gesamtentwicklung drücken, berichten sie im Fachjournal "Plos One".

Ihre Analysen führten die Wissenschafter der Universität von Padua (Italien) und vom IIASA durch, um aus den während der Covid-19-Pandemie gemachten Erfahrungen für mögliche zukünftige ähnliche Situationen zu lernen. Dazu nahmen sie Daten zu Lockdown- beziehungsweise Eindämmungsmaßnahmen und zum Ausrollen der ersten Corona-Impfkampagnen aus Deutschland, Israel und den USA zur Hand.

Daten aus Deutschland, Israel und den USA

Obwohl die drei Länder die Mittel zum raschen Einkauf von Impfstoffen kurz nach deren Zulassung hatten, gingen sie recht unterschiedlich mit der Situation um. So lief die israelische Kampagne sehr schnell vom Stapel. Sie war von einer kurzen Verschärfung der Maßnahmen begleitet, die in weiterer Folge wieder gelockert wurden. Weitaus langsamer ging die Impfkampagne in Deutschland und den USA vonstatten, heißt es in einer IIASA-Aussendung.

Die Forscher gingen bei ihren Berechnungen davon aus, dass der jeweilige Zeitpunkt, ab dem ein Impfstoff verfügbar ist, nicht exakt bekannt ist. So entwickelten sie ein Modell, das es erlauben soll, die Vakzin-Ankunft möglichst gut in eine Gesamtstrategie einzubauen.

Den Berechnungen zufolge ist es in einem "realistischen Szenario", in dem die gesamte Bevölkerung in rund zehn Monaten durchgeimpft würde, besser, wenn Eindämmungsmaßnahmen nach der Impfstoffzulassung sogar kurzzeitig verschärft werden. Wenn dann die Infiziertenzahlen tatsächlich zurückgehen, können auch die Einschränkungen wieder zurückgefahren werden. Dies stehe im Gegensatz zu anderen Analysen, die davon ausgingen, dass es gestaffelte Maßnahmenlockerungen schon ab Beginn von Impfkampagnen braucht, um wirtschaftliche und epidemiologische Ziele möglichst im Gleichschritt zu erreichen, schreiben die Forscher in ihrer Arbeit.

Erkenntnisse als Hilfe bei zukünftigen Pandemien

Eine kurze Verschärfung rund um den Impfstart ermögliche es jedoch insgesamt, mehr Menschen direkt aus dem gegenüber dem Erreger komplett ungeschützten Status in Richtung Impfschutz zu bringen. Das vermindert wiederum die Anzahl an Infizierten ohne Impfschutz – und damit auch die Anzahl an Personen, die dem Erreger potenziell unvorbereitet begegnen. Das schütze Leben und Krankenhausressourcen am besten.

Ein Beginn der Impfkampagne mit gleichzeitigen, umfassenden Lockerungen mache wiederum nur dann Sinn, wenn die Bevölkerung innerhalb eines Monats durchgeimpft würde. Ein solches Szenario ist allerdings dementsprechend unrealistisch, wie die Wissenschafter einräumen, die hoffen, dass ihre Erkenntnisse die Planung in zukünftigen Pandemien beziehungsweise bei Auftreten neuer, gefährlicherer Sars-CoV-2-Varianten erleichtern. (APA, 7.9.2022)