Aktuell werden kaum neue Projekte begonnen, sagen Marktexperten.

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Die Wohnbauleistung dürfte heuer in Österreich auf einem absoluten Rekordhoch zu liegen kommen. 2022 werden bundesweit laut Zahlen des Unternehmens Exploreal voraussichtlich 52.681 Wohneinheiten allein im mehrgeschoßigen Bereich fertiggestellt, davon dürften in Wien 20.340 Einheiten entstehen. Hier hat Exploreal, das Wohnprojekte ab fünf Einheiten in die Statistik aufnimmt, zuletzt die Prognose bereits um knapp 700 Einheiten nach unten revidiert. Dennoch dürfte es ein Rekordjahr werden, sagten die Exploreal-Masterminds Alexander Bosak und Matthias Grosse am Mittwoch bei einem Pressegespräch.

Und einen Höchststand verzeichnet auch das gewerbliche Segment in Wien: Voraussichtlich 70 Prozent aller neuen Wohneinheiten werden heuer von gewerblichen Bauträgern fertiggestellt, nur noch 30 Prozent von gemeinnützigen Bauträgern. In Niederösterreich sind die gewerblichen Bauträger mit 47 Prozent in der Minderheit.

Unterschiede zwischen Wien und NÖ

Wo sich Wien und Niederösterreich noch unterscheiden, ist die Anzahl der Wohneinheiten pro Neubauprojekt, bei der Wohnnutzfläche – "und natürlich dem Preis", erläuterte Michael Pisecky, Wiener Fachgruppenobmann und stellvertretender Bundesobmann der Immobilientreuhänder in der WKÖ. Eine neue Bauträgerwohnung kostet in Wien derzeit im Schnitt knapp 430.000 Euro, in Niederösterreich etwas mehr als 300.000. Grund dafür sind auch die wesentlich höheren Grundkostenanteile in Wien (im Schnitt 1.046 Euro vs. 474 Euro in Niederösterreich).

Pro Projekt gibt es in Wien außerdem durchschnittlich 50 Wohneinheiten, während es in Niederösterreich 21 sind. Allerdings sind die Wiener Wohnungen im Schnitt auch deutlich kleiner als jene in Niederösterreich: In der Bundeshauptstadt stehen 57,7 Quadratmeter Nutzfläche zur Verfügung, in Niederösterreich 75,2 Quadratmeter. "Die Differenz ist sicher mit ein Grund, warum sich viele Menschen im Umland von Wien nach einem neuen Zuhause umsehen", so Pisecky. Außerdem werden in Niederösterreich mehr Reihen-, Doppel- und Einfamilienhäuser errichtet als in der Bundeshauptstadt.

"Herausfordernde Zeiten"

Für den WKÖ-Bauträgersprecher Hans Jörg Ulreich ist der Bedarf "in der großen Masse erfüllt". Ohnehin würde sich der Markt gerade gravierend ändern: "Jetzt kommen extreme Preissteigerungen bei den Baukosten dazu sowie extreme Einschränkungen bei der Finanzierung. Wir werden also in den nächsten Jahren noch deutlichere Änderungen sehen." Projekte, die bereits gestartet wurden, werden natürlich fertiggebaut, "aber es wird kaum noch etwas begonnen".

Derzeit seien die Baufirmen zwar noch "zu 120 Prozent" ausgelastet, sagte Ulreich im Pressegespräch. Doch auch das werde sich deutlich ändern. "Es kommen herausfordernde Zeiten auf uns zu."

Auch die "bösen Fonds, die alles aufkaufen", seien vom Wiener Markt beinahe alle schon wieder verschwunden, sagte Ulreich. "Grund dafür ist das Zusammenspiel aus deutlich gestiegenen Zinsen und deutlich gesunkener Rendite. Es rechnet sich für Fonds schlicht nicht mehr, in Österreich in Wohnungen zu investieren."

Peripherie vs. Wiener Umland

In Niederösterreich seien freifinanzierte Mietwohnungen von Investoren großteils auf das Wiener Umland konzentriert, sagte Pisecky. Dort seien die Grundkostenanteile auch annähernd auf Wiener Niveau, "in der Peripherie wird es aber wesentlich günstiger".

Und der Anteil des gewerblichen Sektors sei in Niederösterreich auch deshalb geringer, "weil die Wohnbauförderung hier fast ausschließlich an Gemeinnützige vergeben wird". Rechne man private Bauten, also etwa die vielen Einfamilienhäuser, die jedes Jahr gebaut werden, aber dazu, sei der Anteil der Gemeinnützigen natürlich kleiner.

Sehr viel gebaut wird in Niederösterreich vor allem in St. Pölten, Wiener Neustadt und Krems. "Das geht teilweise schon über den unmittelbaren Bedarf hinaus, das sehen wir an langen Verwertungsfristen am Mietmarkt von St. Pölten und Wr. Neustadt." In den Umlandgemeinden von Wien seien Bedarf und Neubau aber ziemlich ausgewogen.

Sehr wenig gebaut wird im Waldviertel. Doch hier würden die Zahlen ein wenig täuschen, meinte Pisecky, es herrsche nicht Stillstand, es fehle bloß der mehrgeschoßige Wohnbau. Und es gebe kaum größere Städte – und "dementsprechend weniger Projekte".

Neue Vergaberegeln zu streng

Zu den neuen Vergabekriterien für Häuslbauer-Kredite seitens der FMA merkte Pisecky an, dass diese nachvollziehbar seien, doch es gebe folgendes Problem: Wenn etwa eine Familie eine Eigentumswohnung besitzt, die 300.000 Euro wert ist, und in ein größeres Objekt übersiedeln will, das 600.000 Euro kostet. "In der Vergangenheit hat diese Familie 300.000 Euro an Kredit beantragt und konnte sich das auch leisten." Nun sei es aber so, dass die neue Wohnung voll finanziert werden müsse. "Das heißt, es wird geprüft, ob sich diese Familie das 600.000-Euro-Darlehen leisten kann. Da fallen viele Finanzierungen raus."

Die Banken hätten zwar Möglichkeiten für Ausnahmen, doch die würden eigentlich für Menschen benötigt, die sie auch wirklich brauchen. "Es wäre also sehr wichtig, dass man diese Zwischenfinanzierungen aus dem Ausnahmentopf der Banken herausnimmt", forderte Pisecky.

Was den aktuellen Markt betrifft, so bemerke man ein leicht steigendes Angebot an gebrauchten Immobilien, "aber es ist trotzdem immer noch sehr knapp". Die Nachfrage sinke leicht, was den Unsicherheiten am Markt und den erwähnten Problemen bei der Finanzierung zuzuschreiben sei. "Wir gehen davon aus, dass das Preisniveau stabil ist, aber dass insgesamt doch wesentliche Veränderungen bevorstehen." (Martin Putschögl, 7.9.2022)