Der riesige Manchar-See in Sindh ist weit über die Ufer getreten.

Foto: Reuters/AKHTAR SOOMRO

Wie das Meer würden viele Teile des Landes ausschauen. So beschreibt Premierminister Shehbaz Sharif die Auswirkungen der Flutkatastrophe in Pakistan, nachdem er am Mittwoch die besonders arg betroffene Region Sindh im Süden besucht hatte. Weite Teile des Landes stehen immer noch unter Wasser, da bahnt sich schon die nächste Katastrophe an. Cholera, Durchfall – was auch immer in stehenden Gewässern gedeiht: Die Gefahr, dass Seuchen in den Flutgebieten ausbrechen, ist groß. NGOs wie Ärzte ohne Grenzen oder Care schlagen Alarm. Im Land hat die Regierung das National Emergency Operation Centre (NEOC) eingerichtet, das 24 Stunden im Einsatz ist – und das wohl noch länger.

Besondere Sorge bereitet aktuell der Manchar-See in Sindh. Denn der größte Süßwassersee des Landes droht weit überzulaufen. Bereits seit dem Wochenende wird versucht, den See an drei Stellen kontrolliert abzulassen. Aber für die kommenden Tage sind weitere Regenfälle angesagt. Alleine in den Gebieten rund um den See wurden 100.000 Menschen evakuiert. Im ganzen Land sind 33 Millionen Menschen von den Fluten betroffen. Mehr als 1.300 Menschen sind bereits gestorben, unter ihnen auch viele Kinder.

Im Flachland kann Wasser nicht abfließen

Der Süden ist mit Abstand am schlimmsten betroffen: In dem flachen Teil kommt es in normalen Monsunsaisonen zu vergleichsweise geringen Regenmengen, in der Provinz Sindh sind es 120 Millimeter. Heuer waren es aber 670 Millimeter, also mehr als fünfmal so viel. Die Erde dort kann das viele Wasser nicht aufnehmen. Und vor allem kann es nirgendwo abfließen. Bis zu einen Monat könnte es dauern, bis es überhaupt wieder abgeronnen ist.

Ganz anders stellt sich die Situation im Norden Pakistans dar, etwa in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa. Die Region ist laut offiziellen Wetterdaten zwar weniger arg betroffen, aber in der Bergregion wurden kleine Bäche zu Sturzfluten. In den schmalen Tälern haben sie alles mitgerissen, was am Weg lag. Ausgelöst wurden diese Sturzfluten wiederum hauptsächlich durch die verstärkte Gletscherschmelze.

Auf das ganze Land gerechnet gab es in der bisherigen Monsunsaison fast doppelt so viel Regen wie im Jahresdurchschnitt der vergangenen 30 Jahre. Es handle sich um "die schlimmste Naturkatastrophe von Pakistans jüngerer Geschichte", sagt der Regionaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Ahmed Al-Mandhari.

Video: 128.000 Schwangere sind auf Notversorgung angewiesen.


Überflutungen haben hunderttausende Menschen gezwungen, ihr Zuhause zu verlassen und in provisorischen Zeltlagern zu leben. Unter ihnen sind auch viele Schwangere, die auf medizinische Versorgung angewiesen sind.
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Verheerende Folgen für Agrarland Pakistan

Millionen Menschen mussten fliehen, eineinhalb Millionen Häuser, viele Brücken und große Teil des Straßennetzes sind zerstört. Auf rund zehn Milliarden US-Dollar schätzt die Regierung die Schäden. Wahrscheinlich wird es aber noch viel mehr sein.

Denn die Schäden, die die Fluten in zweiter Konsequenz mit sich bringen, könnten sich als noch viel verheerender herausstellen. Im landwirtschaftlich geprägten Pakistan stehen viele Bauern und Bäuerinnen mit kaputten Geräten vor ihren zerstörten Feldern. So steigen schon jetzt die Preise für Reis auf lokalen Märkten signifikant an. 750.000 Nutztiere sind außerdem in den Fluten verendet.

Weltweite humanitäre Hilfe, auch aus Österreich

Die humanitäre Hilfe für das ohnehin wirtschaftlich arme Land ist angelaufen. Sowohl von der Uno als auch von vielen Ländern erreichen Sachspenden, Fachkräfte und Geldbeträge die Hilfesuchenden. Dringend benötigt werden etwa Zelte und Schlafsäcke für die vielen Flutflüchtlinge, Medikamente und Sanitätsprodukte.

Aftab Khokher, Pakistans Botschafter in Österreich, weist darauf hin, dass jene Versorgungsgüter – anders als in Österreich – in Pakistan ohnehin keine Selbstverständlichkeit seien. Umso mehr werden sie zur Mangelware während einer Naturkatastrophe.

Österreich hat Pakistan bereits Hilfe zugesagt, sowohl bilateral als auch über die koordinierte EU-Hilfe. So werden aus Österreich etwa 400.000 Antigentests und 10.000 medizinische Handschuhe über die EU an Pakistan gehen.

Koordination inmitten politischer Krise

Schon vor der Flutkatastrophe drohte Pakistan ein Schuldenberg zu erdrücken. Außerdem sind, spätestens seitdem Imran Khan im April als Premier den Hut ziehen musste, die üblichen Machtkämpfe zwischen den Politclans wieder voll ausgebrochen. Nun ist wieder ein Mitglied des mächtigen Sharif-Clans Premierminister. Khokher betont, dass angesichts der Naturkatastrophe aber alle zusammenrücken würden, Regierende wie Oppositionelle.

Als vom Klimawandel besonders stark betroffenes Land muss Pakistan langfristig neue Lösungen finden. Dabei könnte der Austausch von Technologie in Sachen erneuerbarer Energie mit Ländern des Westens eine Schlüsselrolle spielen. Doch allein der Wiederaufbau wird viel Monate, wenn nicht Jahre dauern. Einstweilen hofft man in Pakistan darauf, dass das Wasser endlich wieder geht.

Bundesregierung hilft mit zwei Millionen Euro

Die österreichische Bundesregierung unterstützt nach den massiven Überschwemmungen mit Zahlungen aus dem Auslandskatastrophenfonds des Außenministeriums die Opfer. Als unmittelbare Reaktion auf die akute Notlage der Bevölkerung beschloss die Bundesregierung am Mittwoch im Ministerrat die Auszahlung von zwei Millionen Euro, wie es in einer Aussendung hieß.

Je eine Million Euro werden dem Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) bzw. der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRK) zur Linderung der humanitären Krise bereitgestellt. "Angesichts der starken Monsunregen in Pakistan und deren verheerenden Folgen für die dortige Bevölkerung unterstützen wir als Bundesregierung die humanitären Anstrengungen vor Ort, indem wir zwei Mio. Euro aus den Mitteln des Auslandskatastrophenfonds zur Verfügung stellen. Es handelt sich dabei um eine weitere Unterstützungsleistung im Sinne unserer humanitären Tradition der Hilfe vor Ort. Die bereitgestellten Mittel gehen an die internationalen Hilfsorganisationen, die derzeit dabei helfen, das Leid der Betroffenen zu lindern," sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP).

Ausschüttung aus Auslandskatastrophenfonds

"Die Flut in Pakistan ist ein weiteres extremes Wetterereignis, das die immer rascher auftretenden Folgen der Klimakrise unter Beweis stellt. Es ist unsere Verantwortung, den Betroffenen zu helfen und die Folgen dieser Katastrophe abzumildern. Deswegen haben wir heute die Ausschüttung von zwei Millionen Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds beschlossen. So kann unbürokratisch humanitäre Soforthilfe geleistet werden. Genauso ist es aber unser Auftrag, die Klimaschutzbemühungen so schnell und unverzüglich wie möglich zu intensivieren", so Vizekanzler Werner Kogler (Grüne).

Die bereitgestellten Mittel sollen in , von den Vereinten Nationen Ende August gemeinsam mit der Regierung von Pakistan lancierten "2022 Pakistan Floods Response Plan (FRP)" für lebensrettende Maßnahmen, den Bereichen Ernährungssicherheit, Nothilfe im landwirtschaftlichen Bereich, Unterkünfte, medizinische Erstversorgung, Schutz vulnerabler Bevölkerungsgruppen, Wasser und Hygiene, Gesundheit von Frauen und Unterstützung im Bildungsbereich fließen. (Anna Sawerthal, APA, red, 7.9.2022)