Seit 1. September im Soft Launch offen: das Pure am Praterstern.

Foto: Kevin Recher

Kaffee mit Blick auf den Praterstern gefällig?

Warme Farben dominieren das Lokal.

Foto: Kevin Recher

Praterstern von oben.

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Eine offene Küche für den Show-Effekt.

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Im Kiosk gibt es Coffee to go.

Foto: KENH Akos Burg

Es fühlt sich fremd an: drinnen Designermöbel und Baristakaffee, draußen Verkehrschaos und sozialer Trubel. In der alten Polizeistation in der Rotunde am Praterstern wurde ein Lokal integriert. Pure am Praterstern nennt sich das und setzt zu 100 Prozent auf vegetarische und vegane Kost. Seit 1. September hat das Café offen, am Donnerstag will man mit dem Restaurantangebot im Soft Launch starten. "The urban vegetarian" steht auf den Fenstern geklebt, man fühlt sich wie in einer Exklave des verhipsterten siebenten Bezirks.

Auf den 175 Quadratmetern der alten Polizeistation aus den 80er-Jahren hat man mehrere Konzepte untergebracht. Zum einen gibt es im vorderen Bereich Platz für einen Kiosk, in dem Kaffee to go und Snacks angeboten werden, zum anderen gibt es hinten Sitzplätze, um im Restaurant gemütlich essen zu können. Neben einem Schanigarten gibt es noch einen Wintergarten, eine offene Küche sorgt für ein wenig Show-Flair im Inneren. Das Design ist warm, offen, von allen Plätzen kann man auf den Praterstern schauen – ob das ein Vorteil ist, ist fraglich. Der Verkehr ist hypnotisierend, das soziale Elend eher weniger.

Von der Polizeistation zum Veggieladen

Die Busse und Bims sind gar nicht mal so laut, die Obdachlosen, die hier und da schreien, dagegen schon. Die Idee ist ehrenvoll, aber naiv: Der Praterstern wird seit drei Jahren in Richtung eines Aufenthaltsortes neu gestaltet. Mehr Verweilmöglichkeiten wurden geschaffen, Grünflächen geöffnet´, zudem wurde ein Wasserspiel in die Mitte des Platzes hin zur Praterstraße gestaltet.

"Der verruchteste Platz Österreichs", zitieren die Architektinnen und Architekten des Büros Kenh den Ruf des Pratersterns in der Vergangenheit. Die für die Umgestaltung Verantwortlichen soll der Platz ein Ort für alle sein. Das heißt: Einheimische, Reisende und marginalisierte Gruppen. Alle sollen sich wohlfühlen, alle sollen an dem stark frequentierten Verkehrsknotenpunkt inkludiert sein. Integrieren statt verdrängen war die Aufgabe. Und das Lokal in der ehemaligen Polizeistation ist ein integraler Teil davon.

Veränderter Praterstern?

Es hat sich so viel getan, es ist so viel besser geworden, heißt es mantrahaft von den Architektinnen, Architekten und Restaurantbetreibenden über den Praterstern. Und ja, es ist ruhiger als noch vor einigen Jahren, aber es ist auch Mittwochmittag.

Im Pure sei man vorbereitet, sagt David Bakos, Head of Sales and Business Development der Yamm Gourmet Group, die gemeinsam mit IES Immobilien hinter dem Gastroprojekt stecken, falls es zu Vorfällen kommen sollte: Zum Beispiel, wenn alkoholisierte Menschen in den offenen Schanigarten eindringen oder Obdachlose dort einen Schlafplatz suchen sollten. Wie man seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darauf vorbereiten will, konnte er nicht beantworten. Seit dem Soft Opening sei es aber noch nicht zu Zwischenfällen gekommen.

Gesundheitsbewusstes Essen

Ab 6.30 Uhr hat das Pure offen, damit will man die Arbeiterinnen und Arbeiter in der Früh abfangen, von 8 bis 11 Uhr gibt es Frühstück: Frischgepresste Säfte stehen mit 6,80 Euro auf der Karte, kleine Snacks wie Croissants oder ein Ei im Glas kosten um die 3,50 Euro, größere Frühstückssets, die neben Brot, Ei auch Joghurts und Smoothies beinhalten, sind um 16 Euro zu haben. Ein Cappuccino kostet 4,30 Euro. Von den Speisen und Preisen hat man sich am Schwesternlokal Yamm am Schottentor orientiert. Preislich weniger aggressiv starten wollte man nicht – auch angesichts des Umgebung. Bis 21.30 Uhr hat man offen, auf der Karte finden sich Speisen aus regionalen und Bio-Produkten wie Petersilwurzelsuppe um 5,80 Euro, Erdäpfelgulasch mit Austernpilzen um 16,80 Euro oder Salate um die zwölf Euro.

Gesundheitsbewusste Menschen und Büro-Leute, die um den Praterstern arbeiten, will man ins Pure locken. Mittagsangebote sollen das verstärken. 60 Sitzplätze draußen wie drinnen bietet man an. Bisher hat man viele Mütter und Familien im Lokal bewirtet, für Kinder gibt es einen Motorikpark, Eltern können ihre Kinderwägen in einer eigenen, verschließbaren Kinderwagengarage sicher verstauen. Unter den rund 140.000 Menschen, die jeden Tag den Praterstern frequentieren, sollte weitere potenzielle Kundschaft dabei sein.

Ein Platz zum Verweilen

Ob durch die Gentrifizierung gewisse Personengruppen vertrieben werden oder integriert, wird sich zeigen. Jetzt sieht man noch Menschen im Schanigarten des Pure sitzen und einen Kaffee im Schatten des alten Baumes genießen, andere holen sich einen Coffee to go und spazieren über den neugestalteten Platz. Bei der Bushaltestelle schreit ein Obdachloser einer Frau mit Einkaufstrolley hinterher, eine Gruppe Jugendlicher raucht und sondiert ihre Smartphones, andere wuseln zur gerade einfahrenden Linie O. Vielleicht funktioniert der integrative Gedanke, aus dem Praterstern einen Ort zu machen, von dem man nicht so schnell wie möglich weg will, ja doch? Guten Kaffee und gutes Essen gibt es jetzt ja. (Kevin Recher, 8.9.2022)