Das Erstaunen war bei manch einem groß, als Mitte Juni bekannt wurde, dass die Martin Flugrettung die Ausschreibung für zwei neue Notarzthubschrauber im Burgenland für sich entscheiden konnte. Die sollen ab 2026 ihren Dienst antreten. Seit 2005 war im Südburgenland und in Teilen der Steiermark der Christophorus 16 des ÖAMTC im Einsatz. Er ist in Oberwart stationiert. Das Nordburgenland wurde von den ÖAMTC-Helis Christophorus 9 (Wien) und Christophorus 3 (Wiener Neustadt) mitversorgt. Nicht nur wegen der Historie gingen Branchenkenner davon aus, dass es auch der ÖAMTC sein wird, der den neuen Auftrag bekommen wird und beide Stützpunkte, einen in der Nähe von Oberwart, einen in der Umgebung von Gols im Bezirk Neusiedl am See, besetzen wird.

Von Wiener Neustadt aus betreute der ÖAMTC auch das Nordburgenland. Ab 2026 soll es einen eigenen Notfallhubschrauber in Gols geben.
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Die Idee, einen Notarzthubschrauber im Nordburgenland zu stationieren, ist nicht neu. Sie war Teil des "Masterplans für Burgenlands Spitäler", den Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) Ende 2019 vorstellte. In diesem Papier findet sich auch das geplante und umstrittene Krankenhaus Gols. Umstritten ist es deswegen, weil es im Natura-2000-Gebiet gebaut werden soll. Umweltschützer würden das Krankenhaus lieber in Neusiedl am See sehen. Doch die Gesprächsbereitschaft vonseiten des Landes dürfte nicht allzu groß sein, denn schon in der Ausschreibung ist für den neu zu bauenden Heliport ein Gebiet rund um Gols genannt.

Verzögerte Ausschreibung

Wegen Corona verzögerte sich die Ausschreibung dann aber um rund zwei Jahre auf Anfang 2022. Im Juni stand dann die Martin Flugrettung als Sieger fest. Der ÖAMTC klagte gegen diese Entscheidung beim Landesverwaltungsgericht. Am 11. August hob dieses dann wegen eines Formalfehlers die Entscheidung auf: Es fehle die zwingend vorzulegende Patronats- oder Subunternehmererklärung zwischen der Mutterfirma Heli Austria und des Tochterunternehmens Martin Flugrettung. Beide Unternehmen leitet Roy Knaus. Das Gerangel zwischen Knaus und dem ÖAMTC ist übrigens nicht neu und zeitweilig durchaus heftig.

Knaus wird immer wieder mangelnde Sicherheit angekreidet, was man mit teilweise spektakulären Abstürzen in der Vergangenheit begründet. Roy Knaus lässt diese Kritik nicht gelten und verweist seinerseits auf die Unfälle des ÖAMTC, vor allem aus der Zeit von Heli Air, dem Vorgänger der Christophorus Flugrettung.

Neuausschreibung

Die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts nahm nicht nur der ÖAMTC gerne zu Kenntnis, auch die ÖVP sah sich und die Christophorus-Flotte bestätigt. Denn nach Ansicht der ÖVP hätte nach dem Ausschluss der Martin Flugrettung automatisch der Zweitplatzierte der Ausschreibung, der ÖAMTC, den Zuschlag erhalten müssen. Im Land Burgenland sah man das anders und schrieb Ende August die Flugrettung neu aus.

Hinter vorgehaltener Hand heißt es, dass Doskozil alles unternehmen wolle, um den als der ÖVP nahestehendend geltenden Verein ÖAMTC nicht im roten Burgenland zu haben. Offiziell heißt es: "Oberste Zielsetzung für das Land ist es, in einem fairen Verfahren das inhaltlich beste Angebot für die burgenländische Bevölkerung zu erhalten. Gerade bei einem derart bedeutenden und langjährigen Vertrag kann nach Anschauung des Landes ein Formalfehler nicht den Ausschlag geben, welchem Bieter der Zuschlag erteilt wird. " So erklärt der vom Land mit der Abwicklung des Verfahrens beauftragte Rechtsanwalt Claus Casati den Grund der Neuausschreibung. Zudem werde im Neuverfahren das Qualitätskriterium stärker gewichtet.

Sonderlandtag

Die ÖVP reagierte darauf, in dem sie einen Sonderlandtag mit einer dringlichen Anfrage an Doskozil betreffend "Vergabeverfahren Notarztrettungsdienst mit Notarzthubschraubern im Burgenland" einberief.

"Mit der Brechstange", sagte Markus Ulram (ÖVP) im Sonderlandtag, wolle Doskozil "einen roten Hubschrauber gegen den Christophorus auszutauschen und gefährdet damit die Flugrettung." Er erinnert daran, dass Doskozil 2017 als Verteidigungsminister die Flugrettung dem Bundesheer übertragen wollte – was aber der ÖAMTC verhindert hätte.

Einen neuen Stützpunkt befürworte Ulram, aber man hätte den alten Vertrag im Südburgenland weiterlaufen lassen sollen und nur den neuen Stützpunkt ausschreiben sollen. Und nach dem klaren Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts, das die "berufliche Zuverlässigkeit und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit" als nicht gegeben ansah, hätte der ÖAMTC den Zuschlag bekommen müssen. "Was erwartet man sich von einer neuen Ausschreibung", fragt er Doskozil, "wenn man eh schon alle Kandidaten und deren Kennzahlen kennt?"

Die Schuld der anderen

Doskozil holte bei seiner Beantwortung weit aus und begann mit einem Angriff auf die Bundesregierung, welche die Gesundheitsversorgung gegen die Wand fahre, wiederholte seine Kritik an der ÖGK und kam erst nach mehreren Minuten auf den Punkt: "Es gibt Regeln, und die sind gesetzlich definiert. Wir müssen bei einer Erweiterung der Standorte neu ausschreiben. Mir sind beide Anbieter recht, und der ÖAMTC hat bisher seine Leistungen gut erbracht. Doch ich habe die Vergabe nicht entschieden, sondern eine Kommission." Er erinnert daran, dass das Verfahren gezeigt habe, dass man mit einer Neuausschreibung "einiges an Geld sparen" könne, denn "wir wollen auf keinen Fall einem im Verfahren unterlegenen Anbieter schadenersatzpflichtig werden".

Johannes Tschürz (FPÖ), der 2016 für die Flugrettung im Burgenland zuständig war und den ÖAMTC-Vertrag bis 2025 verlängerte, sprach sich abermals für den ÖAMTC aus, denn die "Flugrettung muss funktionieren, und der Christophorus hat einwandfrei funktioniert." Und er ist der Meinung, dass es bei der Flugrettung nicht darum gehe, Geld zu sparen. Und wenn der Landeshauptmann an einem Formalfehler festhalte, wenn das Landesverwaltungsgericht zu dem Schluss kommt, dass das Angebot der Martin Flugrettung schon von vornherein auszuschließen gewesen wäre, weil es der Ausschreibung nicht entsprochen habe, dann "verstehe ich die Welt nicht mehr".

Am Ende wird wohl alles beim Alten bleiben, die Neuausschreibung stattfinden und der Sonderlandtag wohl eher der bevorstehenden Gemeinderatswahl am 2. Oktober und nicht der Sorge um die Flugrettung geschuldet gewesen sein. (Guido Gluschitsch, 7.9.2022)