Fahrschulen bilden jene aus, die künftig am Straßenverkehr teilnehmen. Wie sieht ihre Zukunft aus?

Foto: APA / dpa / Swen Pförtner

Holzstühle mit grauen Polstern reihen sich um kleine, runde Tische. Darauf stehen Bildschirme, Tastaturen und Mäuse. Ringsum an den Wänden hängen Poster von Autos, die irgendwann einmal von Kunstschaffenden gestaltet wurden: Andy Warhol, Michael Jagamara Nelson, Esther Mahlangu. Im Kursraum der Fahrschule Easy Drivers in der Wiener Augasse liegt neben dem Geruch von Kaffee auch ein wenig Nostalgie in der Luft.

Gerhard Malzer, dem die Fahrschule gehört, ist seit mehr als 40 Jahren Fahrlehrer. In dieser Zeit ist in der Branche viel passiert. Früher ein Symbol für Freiheit und Unabhängigkeit, steht das Auto heute für CO2-Ausstoß, Materialverbrauch, Luxus. In den Städten mangelt es an Parkplätzen, Staus kosten Zeit und Nerven. Der öffentliche Verkehr ist häufig attraktiver.

Gemeinsam mit seiner Frau leitet Gerhard Malzer vier Fahrschulen in Wien. Er ist seit 1981 Fahrlehrer.
Foto: Florian Koch

Malzer merkt das. Die Zahl seiner Fahrschülerinnen und Fahrschüler geht leicht zurück. Gleichzeitig bilden Fahrschulen jene aus, die künftig auf den Straßen unterwegs sind – Nachwuchs für den Verkehr der Zukunft. Dabei arbeiten Malzer und seine Kollegen in einer Branche, die dem Wandel im Verkehrssektor unterworfen ist. E-Autos und andere umweltfreundliche Antriebe ersetzen den Verbrenner. Eines Tages könnte künstliche Intelligenz den Menschen am Steuer ersetzen. Wie stellen sich Fahrschulen darauf ein?

E-Autos noch nicht auf Überholspur

Blickt man sich im Kursraum von Malzers Fahrschule um, scheint die Zukunft noch weit entfernt. An einer Wand hängen die Eingeweide eines Autos: Vom Anhängersteuerventil bis zum Zylinder zeigte Malzer Schülerinnen und Schülern damit früher, was unter der Karosserie passiert. Heute dienen die Auto-Innereien als Dekoration. In Zukunft könnte hier vielleicht die Batterie eines E-Autos hängen. Noch sind diese in den Fahrschulen aber kaum verbreitet.

Ein Grund dafür ist, dass E-Autos immer Automatikautos sind. "Automatik, egal ob Verbrenner oder Elektromotor, wird noch nicht so nachgefragt", sagt Malzer, während er in einem Hinterzimmer seiner Fahrschule sitzt. Bisher sieht die EU-Richtlinie vor: Wer den Führerschein mit Automatikauto absolviert, erhält nur einen beschränkten Führerschein. Wer den uneingeschränkten Führerschein will, kommt am Schaltgetriebe bisher nicht vorbei. Viele Fahrschülerinnen und -schüler greifen deshalb lieber gleich zu Schaltknüppel und Kupplung. Für alle Fälle.

Branche wartet auf neue Regeln

Geht es um die E-Mobilität an Fahrschulen, steht die EU bisher auf der Bremse. "Die Fahrschulen sind bereit, ihre Fuhrparks zu modernisieren und mit Elektroautos auszustatten. Aber dafür muss die EU-Grundlage gegeben sein", kritisiert Stefan Ebner, Geschäftsführer des Fahrschulverbands, gegenüber dem STANDARD. Der Verband hat heuer einen Vorschlag nach Brüssel geschickt. Die Idee: Nach bestandener Prüfung mit dem Automatikauto können Fahranfängerinnen und -anfänger vier Fahrstunden mit Schaltgetriebe absolvieren. Nach einem Test stellt der Fahrlehrer den uneingeschränkten Führerschein aus – ohne zusätzliche behördliche Prüfung.

Eine solche Regelung könnte laut Fachleuten für mehr E-Autos in den Fahrschulflotten sorgen. Länder wie Deutschland und Frankreich haben hier bereits die Spur gewechselt. In Österreich parkt das Thema derzeit noch. "Wir warten jeden Tag auf eine Antwort und hoffen, dass wir relativ bald eine Lösung haben", sagt Joachim Steininger, Obmann des Fahrschulverbands, im STANDARD-Gespräch.

Eine Hürde bleibt laut Fahrschulbesitzer Malzer aber die Infrastruktur. Ein E-Auto in der Flotte sei kein Problem, 15 E-Autos hingegen schon. "Fahrschulautos müssen zehn bis 14 Stunden am Tag fahren", sagt Malzer. "Das hält die Ladung eines E-Autos bedauerlicherweise noch nicht durch." Fahrschulautos gleichzeitig zwischen Fahrstunden aufzuladen hält er für schwierig, nicht zuletzt müsse das Netz am Standort genug Strom für E-Ladesäulen liefern. E-Autos können in den Fahrschulen somit erst an Tempo gewinnen, wenn der gesetzliche und technische Rahmen steht.

Virtuelles Lernen wenig verbreitet

Gelernt wird in Malzers Fahrschule bisher im Kursraum und auf der Straße. Die Lehrenden gehen die Lektionen mit dem Kurs durch, die Schülerinnen und Schüler lösen Aufgaben auf dem Smartphone oder den lokalen PCs. WLAN, Powerpoint und Beamer gehören laut Malzer längst zum Standard. Die Mühlen der Digitalisierung mahlen in den Fahrschulen langsam, so scheint es. Selbst während der Corona-Lockdowns war virtuelles Lernen meist eine Notmaßnahme. Die Zukunft liegt laut der Branche aber in der Lehre vor Ort. "Wir haben alle gesehen: Präsenzunterricht ist durch nichts wirklich zu ersetzen", sagt Steininger.

Für die virtuelle Fahrpraxis gibt es heutzutage schon Simulatoren. In Österreichs Fahrschulen stehen diese aber bisher selten. Lebensnahe Simulationen sind teuer, wenige Fahrschulen haben dafür Geld. Zudem komme das richtige Fahrgefühl bei den meisten nicht auf, so Malzer. Großes Interesse an Simulatoren scheint aber laut der Branche bisher ohnehin nicht zu bestehen. "Ich hatte zwei Jahre lang einen Simulator. Der ist in der Ecke verstaubt", erzählt Steininger. "Die Leute wollen mit dem Auto fahren und nicht in einem Simulator sitzen."

Bild nicht mehr verfügbar.

In Kalifornien dient die Stadt San Francisco bereits als Testgelände für autonome Fahrzeuge – etwa von Google-Tochter Waymo.
Foto: APA / AFP / Getty Images / Justin Sull

Autonom unter Aufsicht

Vor neuen Technologien ist man aber auch im Auto nicht sicher. Viele Pkws fahren längst teilautomatisiert: Sie parken allein ein, halten die Geschwindigkeit oder die Spur. Geht das so weiter, könnten sie irgendwann autonom fahren. Fahrende werden dann zu Fahrgästen. Optimistische Prognosen rechnen damit, dass autonome Autos bis 2025 sicher und verlässlich fahren könnten. Bis 2030 könnten sie schon kommerziell eingesetzt werden. Im Jahr 2040 könnten mehr als 30 Millionen autonome Fahrzeuge verkauft werden, heißt es in Studien.

Malzer grinst ob dieser Entwicklung nur und tritt vorerst auf die Bremse. Ins Auto steigen, Adresse eingeben und entspannt auf die Rückbank legen – bis dahin dauert es noch lange, sagt er. Zudem müssen Fahranfängerinnen und Fahranfänger lernen, mit den Assistenzsystemen umzugehen – damit sie im Notfall eingreifen können. Daher steigt der Schulungsaufwand durch Assistenzsysteme sogar mehr. "Wir brauchen uns keine Sorgen um unseren Job als Fahrlehrer machen", sagt Malzer. Trotz allem beobachtet die Branche die Entwicklungen im Rückspiegel.

Branche braucht Personal

Baustellen sieht Malzer andernorts. Es fehle an Personal, Fahrlehrer sind rar. Dass man erst nach drei Jahren Praxis Fahrlehrer werden kann, hindert viele junge Menschen daran, den Berufsweg einzuschlagen. Hinzu kommen unattraktive Arbeitszeiten, Abend- und Nachtfahrten, der Sommer als Hauptsaison. Malzer sieht in seiner Arbeit trotzdem einen komplexen, didaktischen Beruf, der weit über andere Lehrberufe hinausgeht.

Der Fahrschulbesitzer wirft einen letzten Blick durch den Raum. Er muss los, bis zum Abend gibt er an diesem Tag noch Kurse. Später steht ein Infoabend am BFI an. Dort bildet Malzer den Fahrlehrernachwuchs aus. Auch wenn Malzer seine Lehrinhalte heutzutage digital und interaktiv vermittelt: Die Autoteile an der Wand im Kursraum bleiben vorerst hängen. "Zum Wegwerfen wären sie auch zu schade", sagt er und lacht. (Florian Koch, 10.9.22)