Wenn durch die Explosion der Energiepreise die Kosten des täglichen Lebens genauso schnell steigen wie der Zorn der Bevölkerung, dann muss die Politik gegensteuern. Ihre Versuche, Haushalten durch Zuschüsse einen finanziellen Ausgleich zu verschaffen, sind – zumindest laut öffentlicher Meinung – verpufft. Deshalb greift die Regierung nun direkt in die Preisbildung ein. Das ist in anderen EU-Staaten schon früher geschehen, oft mit unerwünschten Folgen wie explodierendem Gaskonsum in Spanien und leeren Tankstellen in Ungarn.

Die Strompreisbremse, die am Mittwoch beschlossen wurde, stellt niemanden ganz zufrieden, gilt aber als vertretbarer Kompromiss. Ihre größte Stärke: Sie wirkt schnell und unbürokratisch. Sie nutzt jedem im Land, was politisch von Vorteil ist. Dafür fehlt ihr die soziale Treffsicherheit – zumindest vorerst. Nicht die bedürftigsten Haushalte, sondern die kleinsten werden mit der Regel, den Preis der ersten 2900 Kilowattstunden auf zehn Cent zu begrenzen, am stärksten gefördert. Das können Alleinerzieherinnen mit Sozialhilfe genauso sein wie reiche Singles – wie auch Besitzer von Ferienwohnungen. Villenbewohner werden für einen Großteil ihres Stroms weiterhin den Marktpreis zahlen müssen, aber ebenso Großhaushalte mit wenig Einkommen – typischerweise studentische Wohngemeinschaften und Familien mit Migrationshintergrund.
Dieser eine Schwachpunkt könnte in einer zweiten Phase mit weiteren Förderungen, die bereits angekündigt wurden, gelindert werden. Ein anderer aber bleibt bestehen: Für einen guten Teil der Haushalte, die weniger als 2900 kWh im Jahr konsumieren, fehlt nun jeder Anreiz zum Stromsparen. Das konterkariert gleich zwei zentrale Staatsziele: die Abhängigkeit von russischem Erdgas und den CO2-Ausstoß zu senken. Eine etwas niedrigere Grenze für die geförderte Strommenge hätte wohl auch die falschen Anreize verringert.
Frustration der Bevölkerung
Das Hauptproblem an der neuen Maßnahme aber ist, dass die Frustration der Bevölkerung wohl nur wenig zurückgeht, aber die Begehrlichkeiten weiter steigen. Wenn Strom gestützt wird, warum nicht auch der Gaspreis? Und weil nicht alle Menschen im Land mit Gas heizen, müssen auch Öl und Pellets vom Geldregen profitieren. Kanzler Karl Nehammer hat dies schon versprochen und kann dies nicht mehr zurücknehmen.
Aber bei Öl und Pellets ist die Umsetzung kompliziert und eine soziale Staffelung noch schwieriger. Hier drohen Eingriffe in den Markt, die Verzerrungen und Missbrauch mit sich bringen. Ganz zu schweigen von den ökologischen Folgen: Jeder Euro, der in die Förderung fossiler Energien fließt, lässt die Klimaziele in weitere Ferne rücken.
Besonders problematisch wird es, wenn auch der Energieverbrauch von Betrieben per Gießkanne gefördert wird. Das würde den ökologischen Umbau der Wirtschaft deutlich verlangsamen.
Auch solche Forderungen wird die Regierung schwer abwehren können. Nach anfänglichem Widerstand gegen allzu populistische Schritte wird sie nun von einer Stimmung getrieben, die fest davon ausgeht, dass die Füllhornpolitik der Corona-Pandemie auch in der Energiekrise zum Zug kommt. Aber steigende Öl-, Gas- und Strompreise sind mit einem Lockdown nicht zu vergleichen. Soziale Härten abzufedern ist richtig, doch die staatliche Freizügigkeit muss Grenzen haben – nicht nur der Strompreis. (Eric Frey, 7.9.2022)