Der Datenschutz steht einer Zusammenführung von personenbezogenen Daten über die Haushalte in Österreich prinzipiell nicht im Wege, allerdings bedarf es einer Rechtsgrundlage.

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Über das Basismodell der Strompreisbremse hinaus argumentiert die Regierung, dass man erst in einem zweiten Schritt erwägen könne, weitere Maßnahmen zu ergreifen, die auch sozial treffsicher sind. Der Grund: Es gebe derzeit noch keine Möglichkeit, die relevanten personenbezogenen Daten miteinander zu verknüpfen. Aber warum eigentlich nicht?

Auf Nachfrage von DER STANDARD beim zuständigen Ministerium (BMK) heißt es, dass den Stromlieferanten keine Daten zu den Haushaltsgrößen vorliegen und die relevante Verknüpfung der Zahl an Hauptwohnsitz-Gemeldeten aus dem Zentralen Melderegister nur über einen vorgelagerten Schritt erfolgen könne. Ein Schritt, der mehrere Monate zum Aufbau der notwendigen Infrastruktur in Anspruch nehmen würde.

Erst vergangene Woche hatte ein vergleichbares Statement des deutschen Finanzministers Christian Lindner für Spott in sozialen Medien gesorgt: Lindner gestand vor laufender Kamera ein, dass man deutschen Bürgerinnen und Bürgern nicht einfach Geld auf ihre Konten überweisen könne, weil die Verknüpfung zwischen IBAN und Steuernummer technisch kompliziert sei und daher bis zu 18 Monate in Anspruch nehme.

Eine Frage des Datenschutzes

Hinzu kommt, dass ein solches Vorhaben auch datenschutzrechtliche Bedenken nach sich ziehen würde. "Staatliche Daten über die soziale und finanzielle Situation von Haushalten sollten nicht an private Energieversorger gehen, weil das trotz teilweiser Beteiligung der öffentlichen Hand immer noch privatwirtschaftliche Unternehmen sind", gibt auch Datenschutzexperte Thomas Lohninger von epicenter.works zu bedenken.

Seiner Ansicht nach stehe der Datenschutz einer Zusammenführung von personenbezogenen Daten über die Haushalte in Österreich prinzipiell nicht im Wege, allerdings brauche es dafür eine Rechtsgrundlage. Dabei müsse die Datenverknüpfung so vollzogen werden, dass die Daten in öffentlicher Hand bleiben.

Erinnerungen an das AMDC

Das weckt Erinnerungen an die Entstehung des Austrian Micro Data Center (AMDC) im Rahmen der Pandemie. Ehe das Forschungsdatenzentrum der Statistik Austria Anfang Juli seinen Betrieb aufnehmen konnte, wurde im Vorfeld viel darüber gestritten, die Interessen von Datenschützern jenen der Forscherinnen und Forscher gegenübergestellt. Trotz vorhandener Rechtsgrundlage blieb die Kritik der Datenschützer aufrecht, dass die Gesetzesnovelle gegen die Datenschutzgrundverordnung verstoße und es zu massivem Missbrauch der Bevölkerungsdaten aus fast allen Lebensbereichen kommen könne.

Die Grundidee des AMDC besteht darin, dass über eine vorgelagerte Plattform, die in dem Fall bei der Statistik Austria angesiedelt ist, jene öffentlichen Register, die dort schon ausgewertet werden, auch für die Grundlagenforschung zur Verfügung stehen. Die Statistik Austria stellt im ersten Schritt die selbst erhobenen Informationen für die Forschung zur Verfügung. In weiterer Folge könnten zusätzliche staatliche Datenbanken folgen.

Bei einer Anfrage, die nur dem Antragssteller zur Verfügung gestellt wird, werden speziell zugeschnittene Datensätze erstellt. Darin enthaltene Informationen aus unterschiedlichen verknüpften Quellen werden mit einer Art Stempel versehen, der zwar eine Zuordnung, aber keinen Rückschluss auf Personen oder Firmen erlaubt.

Würde man allerdings erwägen, dieses gangbare Grundprinzip auf eine Lösung in der aktuellen Debatte zu übertragen, würde das trotz Verbleib der Daten in öffentlicher Hand nicht nur einen ähnlichen Aufschrei unter Datenschützern nach sich ziehen. Es würde auch bedeuten, dass die Statistik Austria, die ohnehin schon auf einem enormen Datenhort sitzt, noch mehr Macht zugestanden würde.

GIS-Daten sollten nur Zwischenlösung sein

Für eine weitere Entlastung einkommensschwacher Haushalte ist von der Regierung nun vorgesehen, jenen Betroffenen einen zusätzlichen Abschlag von 75 Prozent der Netzkosten zu geben, die von den Rundfunkgebühren befreit sind. Das soll rund 300.000 Personen betreffen und je Haushalt bis zu 200 Euro Ersparnis bewirken.

Konkret fallen unter diese 300.000 Haushalte all jene, die "bei der GIS um Befreiung für Radio, Fernsehen, Telefon und EAG, ehemals Ökostrom, angesucht haben", heißt es dazu von Alexander Hirschbeck, Geschäftsführer der GIS Gebühren Info Service GmbH. Enthalten wären in dieser Zahl auch Haushalte, die keinen Fernseher und kein Radio besitzen – weil sie ja auch um Befreiung von Telefon oder EAG angesucht haben können.

Ein Heranziehen dieser GIS-Daten sei nach Angaben des Ministeriums jedenfalls deshalb unbedenklich, weil die Daten den Netzbetreibern bereits aus der Vergangenheit vorliegen.

Neuer Vorstoß gefragt

Bevor diese behelfsartige Maßnahme überhaupt erst umgesetzt wird, werden bereits Stimmen nach einer Ausweitung derselben laut. So forderte die Armutskonferenz am Donnerstag in einer Aussendung, dass der Bezieherkreis ausgeweitet werden solle, damit mehr einkommensschwache Haushalte geschützt werden können. Im Vorschlag heißt es konkret, dass man weitere 400.000 Menschen mit Niedrigeinkommen, also "Working Poor", ansprechen könne, wenn man die Begünstigten aus dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz hinzuziehen würde.

Versäumnisse bei der Errichtung einer entsprechenden Infrastruktur könne man der Regierung in diesem Fall nicht vorwerfen. "Aus Datenschutzsicht hätten wir auch kein Verständnis dafür, wenn der Staat präventiv für jede theoretische Art von Krise Daten über die gesamte Bevölkerung auf Vorrat speichert und verknüpft", sagt Lohninger. Dennoch sei die Regierung jetzt gefragt, konkrete Lösungsvorschläge für die Zukunft vorzulegen.

Der Datenschutz steht einer Zusammenführung von Personendaten über die Haushalte in Österreich nicht im Wege, aber es bedarf einer Rechtsgrundlage. (Benjamin Brandtner/Harald Fidler, 08.09.2022)