Ein Neustart in einem anderen Land, nachdem man aus seiner Heimat fliehen musste, birgt viele Schwierigkeiten. Vor allem unbegleitete Minderjährige haben – abgesehen von ihren teils sehr traumatischen Erlebnissen – mit vielerlei neuen Herausforderungen zu kämpfen. Neben der nicht immer leicht zu durchschauenden rechtlichen Situation und anderen Zukunftsängsten finden sie sich oftmals in einer kulturell völlig anderen Umgebung wieder und sind teilweise auch mit Alltagsrassismus konfrontiert.

Kinder auf der Flucht

Wie groß das Problem ist, zeigen Daten der Flüchtlingsbewegung im Jahr 2015 und 2016. Allein in Österreich stellten in diesem Zeitraum über 12.000 unbegleitete Minderjährige einen Asylantrag, etwa 1000 davon waren Kinder unter 14 Jahren. Auch beim Ukraine-Krieg sind aktuell Kinder am schlimmsten betroffen. Mehr als zwei Millionen Minderjährige mussten das Land bisher verlassen, weitere 2,5 Millionen flüchteten innerhalb des Landes.

Tausende minderjährige Flüchtlinge kommen jährlich allein in Österreich an. Im Rahmen eines Projekts der FH Kufstein werden Lern- und Lehrmodule entwickelt, die ihnen helfen sollen.
Foto: IMAGO/Beata Zawrzel

Um Expertinnen und Experten für Migrationsarbeit, aber auch Geflüchtete zu unterstützen, wird im Zuge des Projekts 4 One Another an der Fachhochschule Kufstein eine Reihe von Lern- und Lehrmodulen entwickelt, die die Bedürfnisse, aber auch Anforderungen für eine gelungene Integration von Minderjährigen in Fokus haben.

Bei der Entwicklung der Module stützt sich die Forschungsgruppe rund um Claudia Stura auf die Interviewforschung. "Die Minderjährigen, meist Teenager, welche sich vielfach ohnehin in einem schwierigen Entwicklungsstadium befinden, sind hier in einer besonders belastenden Situation, da sie allein geflüchtet sind", erklärt Stura. Viele der Geflüchteten haben einen langen Weg auf sich genommen und teilweise schwierige Fluchterfahrungen gemacht. Endlich im Ankunftsland angekommen, wartet mitunter ein langwieriger Prozess, der darüber entscheidet, ob sie überhaupt ein Bleiberecht erhalten.

Das Projekt ist in drei Projektschritte unterteilt, wobei in der ersten Projektphase 14 geflüchtete Minderjährige sowie 32 Expertinnen und Experten interviewt wurden. Abgefragt wurde unter anderem, welchen Herausforderungen sich die Geflüchteten im Alltag stellen mussten und inwieweit sie gerade am Anfang adäquat betreut wurden.

Internationale Zusammenarbeit

Es besteht eine Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern aus Griechenland, Belgien, den Niederlanden, Spanien und Italien, wobei die FH Kufstein die wissenschaftliche Begleitung für das Projekt stellt. Auf Basis der Interviews werden didaktisch aufbereitete Module ausgearbeitet, welche später in der täglichen Arbeit mit den geflüchteten Minderjährigen verwendet werden können.

Die Module sollen auf einer Open-Source-Plattform bereitgestellt werden, die auch von den Geflüchteten selbst genutzt werden kann. Auf eine kindgerechte Verwendung wurde Rücksicht genommen. Sollte der Asylbescheid negativ entschieden werden, sollen die Geflüchteten zumindest davon profitieren, dass bestimmte Kompetenzen gefördert werden. So zielen die Module darauf ab, grundlegende Infos zum rechtlichen Rahmen in Europa und den jeweiligen anderen Ankunftsländern zu vermitteln.

Kompliziertes Asylrecht

Denn aus den Interviews wurde klar ersichtlich, dass nach der Ankunft häufig eine Überforderung herrscht. Das Asylrecht, die dazugehörenden rechtlichen Rahmenbedingungen und die Anforderungen, welche an sie gestellt werden, seien anfangs überwältigend und nur schwer zu begreifen. Rückblickend hätten viele gerne besser gewusst, was im Asylprozess rechtlich wichtig gewesen wäre.

Gleichzeitig soll die interkulturelle Kompetenz gefördert und Flüchtenden etwa auch die Bedeutung von Gender-Mainstreaming nähergebracht werden. Im Akkulturationsprozess ist dabei aber ebenso wichtig, den Kontakt mit der eigenen Familie aufrechtzuerhalten sowie die Pflege der eigenen Kultur zu berücksichtigen. Denn viele der Kinder leben nach der Flucht entweder in Heimen, wie etwa dem SOS- Kinderdorf, oder in betreuten Wohngemeinschaften sowie bei Pflegefamilien. Wesentliche weitere Punkte sind auch der Umgang mit Diskriminierung und anderen Stressfaktoren im Alltag.(Karin Grabner, 11.9.2022)