Kontroverser Regisseur: Ulrich Seidl.

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Der Name Ulrich Seidl ist in aller Munde, nachdem jüngst der Spiegel von Vorwürfen berichtete, die minderjährige rumänische Laiendarsteller seines neuen Films Sparta gegen ihn erheben.

Kritik an seinen Methoden und Filmen ist für den 1952 geborenen Wiener keineswegs neu. Doch bislang hat sie ihm nicht geschadet. Trotz Exmatrikulation von der Filmakademie Wien Anfang der 1980er-Jahre – seinen Arbeiten wurde Rufschädigung vorgeworfen – war sein erster Langfilm Good News 1990 ein preisgekrönter Festivalhit. Werner Herzog, der die Sozialreportage über Zeitungsausträger und Abonnenten unterstützte, zählte zu den prominenten Förderern.

"Wahnsinn der Normalität"

Daraufhin bewegte sich Seidl mit semidokumentarischen Porträts von Einsamen, Ausgegrenzten und Zwanghaften vorwiegend zwischen Kunstkino und TV-Sozialreportage. Er wolle den "Wahnsinn der Normalität" zeigen, so Seidl über seine Porträts.

Für den nächsten Eklat sorgte 1995 Tierische Liebe, worin er Haustierbesitzer beim Schmusen mit ihren Tieren zeigt; wegen seiner teils expliziten Sodomie-Szenen verweigerte der koproduzierende ORF die Ausstrahlung. Doch auch dieser Skandal hat Seidl nicht geschadet: 2001 kam der internationale Durchbruch mit dem Regiepreis am Filmfestival von Venedig für den kultigen Sommerfilm Hundstage.

2003 gründete Seidl mit seiner damaligen Partnerin, der Regisseurin Veronika Franz, mit der er zwei Kinder hat, eine eigene Produktionsfirma. Import Export war 2007 ein weiterer Erfolg, der ein für ihn typisches Thema behandelte: "Verlierer" aus reichen Ländern kaufen körperliche Dienstleistungen, Sex oder Pflege, in ärmeren Ländern. Das neokoloniale Machtgefälle ist offensichtlich.

Grenzüberschreitungen

Seidls neuer Film Sparta wird bereits vor seiner Premiere viel diskutiert und schlägt in dieselbe Kerbe. Der Österreicher Ewald, verkörpert von Georg Friedrich, der bereits in Hundstage, Import Export und Rimini mit Seidl drehte, baut im ländlichen Rumänien mit den dortigen Jugendlichen eine Schule auf und wird mit seinen pädophilen Neigungen konfrontiert. Wieder geht es um ein West-Ost-Gefälle, um Begehren, seine Grenzen und das Machtspiel mit Wissen und Unwissen. Die Grenzüberschreitungen, die dem Regisseur nun vorgeworfen werden, könnten zu einer Absage der Weltpremiere beim Filmfestival in Toronto führen. Sie wiegen außerdem schwerer, als es die bisherige Aufregung um sein Werk tat. (Valerie Dirk, 7.9.2022)