Zwar reisen derzeit viele Flüchtlinge nach ihrem Asylantrag weiter, bis dahin sind aber etliche von ihnen im Lager Traiskirchen untergebracht.

Foto: APA / Herbert P. Oczeret

Traiskirchen/Wien – Zum öffentlichen Thema wurde die Beinahe-Überfüllung des Asyl-Erstaufnahmezentrums Traiskirchen durch eine technische Panne. Vor der Pforte am Eingang zu dem weitläufigen Gelände mit Bauten aus der Zeit um 1900, in denen Flüchtlinge nach ihrer Ankunft in Österreich untergebracht werden, hatte sich eine Warteschlange gebildet. Der Scanner, mit dem die Zutrittskarten überprüft werden, streikte.

Private Flüchtlingshelferinnen, die vor Ort waren, teilten die Nachricht von der Warteschlange in sozialen Medien. Journalisten fragten im Innenministerium an – und erfuhren nebenbei, dass in der Großunterkunft derzeit an die 1.800 Menschen leben. Einem Abkommen zwischen dem Ministerium und der Stadt Traiskirchen zufolge sollen dort im Grunde nur 500 Personen wohnen, obwohl das Zentrum um einiges mehr an Ressourcen hat. Das Innenministerium gibt als Höchstbelag 1.840 Menschen an.

42.000 Asylanträge bis Juli – neben den Ukraine-Flüchtlingen

"Ja, wir kratzen an der Kapazitätsgrenze", sagt Andreas Achrainer, der Geschäftsführer der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) sowie Flüchtlingskoordinator im Bundeskanzleramt. Parallel zu den hohen Asylantragszahlen im heurigen Jahr – zwischen Jänner und Ende Juli haben in Österreich, unabhängig von den Ukraine-Flüchtlingen, rund 42.000 Menschen um internationalen Schutz ersucht – habe sich auch der Belag in Traiskirchen nach und nach erhöht, schildert er.

Zwar, so Achrainer, würden viele Flüchtlinge kurz nach ihrem Asylantrag weiterreisen. "Aber es bleiben trotzdem viele Menschen übrig, die untergebracht und versorgt werden müssen." Organisatorisch erschwerend sei die hohe Fluktuation: Viele der Flüchtlinge, die in Österreich aufgegriffen wurden und die, um ihr Hiersein zu legalisieren, einen Asylantrag gestellt haben, würden in Österreich eine Nachdenkpause einlegen – und dann doch weiterfahren.

Altes Problem: Bundesländer erfüllen Quoten nicht

Wobei, wären nur die in Österreich Pausierenden zu versorgen, so würden sich die Traiskirchener Belagszahlen im akzeptablen Bereich bewegen. Eng ist es im Erstaufnahmezentrum aus einem anderen Grund: weil es zu wenige Quartiere der Bundesländer gibt, die ihre Übernahmequoten nicht erfüllen.

Tatsächlich können Asylwerberinnen, deren Antrag beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) bereits läuft, nicht, wie es eigentlich vorgesehen ist, in Länderquartiere überstellt werden. Dort herrscht Quartiernot. Von Wien abgesehen erfüllt kein Bundesland die diesbezügliche Quote.

Tagsatz-Wirren

Das ist keineswegs neu – doch angesichts der gestiegenen Antragszahlen besonders spürbar. Dass die Tagsätze für Unterkunftsgeberinnen bis dato nur in Wien und Tirol erhöht wurden, obwohl die Bund-Länder-Einigung darauf bereits im März 2022 verkündet und im Juni 2022 vom Bund fixiert wurde – aber vor der praktischen Umsetzung sämtliche Landtage und der Nationalrat zustimmen müssen –, verstärkt den Engpass.

Denn, so Herbert Langthaler von der Asylkoordination, "mit dem alten Satz von 21 Euro pro Tag und Flüchtling kann man keine kostendeckenden Quartiere eröffnen". Selbst mit dem erhöhten Tagsatz von 25 Euro "wäre das angesichts der Inflation schwer bis unmöglich", ergänzt er,

Bürgerinnen-Proteste

Aber auch die BBU selbst hat es auf der Suche nach Objekten und Grundstücken für die Flüchtlingsunterbringung schwer. In Kindberg im steirischen Mürztal, wo das ehemalige Landespflegezentrum für Flüchtlinge genutzt werden soll, haben Einwohnerinnen eine Petition gestartet, um gegen diesen Plan zu protestieren. Sie fürchten das Entstehen einer Massenunterkunft.

Auch in Schärding herrschte bis vor kurzem Aufregung, weil unweit eines Kindergartens ein Containerdorf für Asylwerber errichtet werden sollte. Von dem Plan wurde dem Vernehmen nach wieder Abstand genommen.Das Problem ist bekannt: In vielen Gemeinden wird die Bereitschaft betont, Flüchtlingen zu helfen – aber nicht in Gestalt eines Quartiers vor Ort.

Aus dem Innenministerium hieß es, der Belagsstand in Traiskirchen ändere sich mehrmals täglich. Das System sei "mittlerweile an der Grenze der Belastbarkeit angekommen". (Irene Brickner, 8.9.2022)