Strompreise bergen Hochspannung in sich. Denn die Bildung des Endkundenpreises ist hochkompliziert.

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Wien – Wiewohl sich Politiker in westlichen Bundesländern ungerecht behandelt fühlen, weil "ihre" Landsleute aufgrund niedrigerer Stromtarife weniger gefördert werden: Gesenkt werden durch den von den Versorgern in Abzug gebrachten Zuschuss die Stromrechnungen aller rund vier Millionen Haushaltskunden. Die Hälfte der privaten Stromkunden in Österreich mit einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von rund 2500 Kilowattstunden (KWh) bekommt so seinen gesamten Stromverbrauch zum gestützten Preis von zehn Cent pro KWh, die Differenz zu den 2900 KWh verfällt in dem Fall.

An einer Beispielrechnung eines Zwei-Personen-Haushalts in Wien mit einer Wohnfläche von 75 Quadratmetern lässt sich erkennen: Die staatliche Stütze ist durchaus nicht knapp bemessen. Denn vom Jahresverbrauch von 3213 KWh im Vorjahr sind 2900 KWh zum gestützten Preis von zehn Cent pro KWh zu beziehen, die darüber hinaus gehenden 313 KWh sind zum Marktpreis zu beziehen. So weit die Theorie.

Theorie und Praxis

In der Praxis ist die Berechnung deutlich komplizierter. Denn einfach auf die gesamte, von Mai 2022 bis Juni 2023 laufende Stromabrechnung umlegbar ist die Preisstütze nicht. Bei kaum einem Kunden ist der Preis pro KWh an allen zwölf Monaten gleich hoch.

Das hat mehrere Gründe: Die Strompreise werden unterjährig erhöht, in Wien war das stets im Jänner. Da kommt also noch was im Frühjahr; wie hoch die Tarife sein werden, steht in den Sternen, deshalb ist auch die Ersparnis kaum abzuschätzen.

Auch sind die Perioden innerhalb einer Jahresabrechnung nicht linear gewichtet, der Strom ist nicht an jedem Tag des Jahres gleich teuer. Von Mai bis August kostete die KWh im Wiener Beispielhaushalt mit Standard-Tarif Optima 11,5 Cent (Arbeitspreis netto; ohne Mehrwertsteuer, ohne Netztarif etc). Mit September wurde der Tarif von Wien Energie angehoben, er beträgt – so genau lässt sich das dem Ankündigungsschreiben nicht zu entnehmen – netto ungefähr 24 Cent pro KWh. Vorausgesetzt, der Kunde akzeptiert die angekündigte umstrittene Zwangsmigration in den neuen Tarif "Optima entspannt". Tut er das nicht, springt der Strompreis sofort auf 29 Cent pro KWh.

Ab 1. Dezember

Da ab 1. Dezember die Strompreisbremse eingeführt werden soll, wird ein Teil, in der Beispielrechnung ungefähr die Hälfte, mit dem gedeckelten Tarif von zehn Cent pro KWh angenommen. Das ergibt in der Überschlagsrechnung eine Dämpfung gegenüber dem Listenpreis um grob geschätzt 150 Euro.

Kostete der Strompreis von Mai 2022 bis Mai 2023 gleichmäßig 24 Cent pro KWh würde sich die zu erwartende Ersparnis auf rund 450 Euro belaufen. Da es aber seit Mai bereits eine Erhöhung gegenüber der Jahresrechnung 2021/22 gab, fällt die Ersparnis gegenüber dem Vorjahreszeitraum geringer aus. Die von der Politik genannten durchschnittlichen 500 Euro Ersparnis dürften sich am durchschnittlichen Verbrauch eines Drei-Personen-Haushalts orientieren, dem wiederum ein Durchschnittspreis zugrunde liegt, der allerdings die realen Preise und die Preisunterschiede von Versorger zu Versorger nicht abbildet.

Erst im Nachhinein

Wie hoch die Ersparnis tatsächlich ausfallen wird, lässt sich deshalb bestenfalls im Nachhinein, also im Juni 2023 feststellen. Dann nämlich weiß man, wie hoch der tatsächliche Verbrauch war und zu welchem Tarif in welchem Zeitraum Strom bezogen wurde.

Je höher der Strompreis, desto höher wäre die "Ersparnis" für die Stromkunden durch den Strompreisdeckel. Dies allerdings nicht unbegrenzt, denn der Deckel ist gedeckelt bei 40 Cent pro Kilowattstunde.

Der auf dem Notizzettel angeführte Wert der Strompreisbremse in Höhe von 290 Euro für 2900 Kilowattstunden ist vor diesem Hintergrund ebenfalls nur ein Annäherungswert, denn er muss mit zukünftigen Preissteigerungen gegengerechnet werden, kann also unterschiedlich hoch sein. Zusätzlich erschwert wird dies durch einen "schiefen" Abrechnungszeitraum, etwa von Mai bis Mai.

Etappen bis zum Deckel

Zurück zum Beispielhaushalt: Von Mai bis Ende August 2022 kostete der Strom für den Beispielhaushalt rund hundert Euro netto. Für die 91 Tage von September bis Ende November kostet die KWh geschätzte 24 Cent, was sich auf rund 190 Euro summiert. Bleiben 172 Tage bis zur nächsten Jahresabrechnung Ende Mai 2023 mit einem teils unsicheren Preis, der durch die Strompreisbremse gedämpft wird – dies aber nur so lange, bis die subventionierten 2900 KWh verbraucht sind. Das wäre gemessen am Vorjahresverbrauch Mitte April.

Allerdings könnte in diesem Zeitraum eine weitere Erhöhung kommen, denn Wien Energie behält sich eine neuerliche Anhebung des Strompreises am 1. April 2023 vor. (Luise Ungerboeck, 8.9.2022)