Sebastian Kurz (links) hinterließ seinem Nachfolger Karl Nehammer eine beschuldigte ÖVP sowie Ermittlungen im Kanzleramt. Nun wehrt sich das Ressort gegen Anordnungen der WKStA.

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Wien – Verhandlungen zwischen dem Kanzleramt und einem Vertreter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA): Auch diese Premiere bringt die Causa Umfragen. Einig wurden sich die Gesprächspartner allerdings nicht.

Grund für die Differenzen ist eine Anordnung der WkStA, die dem Kanzleramt am 16. August zukam. Darin erklären die Ermittler, dass sie im Rahmen der Causa Umfragen und Inserate nun die Daten dutzender Mitarbeiter des Kanzleramts sicherstellen wollen: E-Mails, Office-Dokumente, Laufwerke inklusive der Backups aus der Zeit von Dezember 2017 bis Oktober 2021.

Nötig sei das, weil in den sichergestellten Daten der beschuldigten (Ex-)Kanzleramtsmitarbeiter – also beispielsweise Ex-Pressesprecher Johannes Frischmann oder Kurz-Medienberater Gerald Fleischmann – nur sehr wenig zu finden sei. Nun möchte man deren E-Mails quasi bei den nichtbeschuldigten Sendern und Empfängern im Kollegenkreis entdecken.

Das Bundeskanzleramt will die Daten so und in diesem Ausmaß aber nicht herausgeben. Die Einwände gegen die Anordnung sollen inzwischen auch schriftlich übermittelt worden sein. Man hätte eine Amtshilfe präferiert, hieß es.

Nicht konkret genug

Das wurde mehreren Medienvertretern bei einem Hintergrundgespräch im Kanzleramt am späten Mittwochnachmittag erklärt. Anwesend waren dort neben Bernd Brünner, Generalsekretär im Kanzleramt, und Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur, auch die Arbeitsrechtlerin Katharina Körber-Risak und der Strafrechtsexperte Alexander Tipold.

Die Sicht des Kanzleramts lautet sinngemäß, dass die Anordnung zur Sicherstellung der Daten nicht ausreichend "determiniert" wurde. Denn eine Zwangsmaßnahme wie eine solche Sicherstellung setze voraus, dass dadurch etwas Bestimmtes gefunden werden soll. Im vorliegenden Fall seien jedoch weder konkrete Personen noch konkrete Gegenstände beschrieben, wird argumentiert. Und durch diese unzureichende Klarheit sei für das Kanzleramt klar: So ist diese Maßnahme nicht gerechtfertigt.

Man wolle sich nun mit der Korruptionsstaatsanwaltschaft auf einen anderen Weg "einigen". Aktuell sehe man aber "keine Grundlage, rechtskonform zu handeln", hieß es. Es gehe schließlich teilweise auch um private Daten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Erinnerungen an die Causa Aktenlieferung

Die Angelegenheit erinnert an einen der vielen bemerkenswerten Vorgänge rund um den Ibiza-U-Ausschuss: Damals weigerte sich das Finanzministerium, einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) über die Lieferung vieler Daten an den U-Ausschuss Folge zu leisten. Schon da wurde Peschorn vom damaligen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) mit "Verhandlungen" beauftragt, damals mit dem U-Ausschuss. Man wurde sich nicht einig, der VfGH ordnete dann die erstmalige Exekution eines höchstgerichtlichen Spruchs in einem Ministerium an, und zwar durch den Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen.

Der beauftragte das Straflandesgericht Wien damit, die Exekution durchzuführen. Im Bundesrechenzentrum und im Finanzministerium wurden Datensätze sichergestellt und an den U-Ausschuss übermittelt. Peschorn und Blümel wurden damals angezeigt, die WKStA ermittelte und stellte ein.

Anordnung umstritten

Die Anordnung der WKStA sorgte in den vergangenen Tagen für eine gewisse Unruhe in ÖVP-nahen Kreisen, aber auch in der Anwaltschaft. Michael Rohregger, Vizepräsident der Rechtsanwaltskammer Wien, schrieb in einer Kolumne von "Sippenhaftung 2.0", das Umfeld der Beschuldigten werde "Kollateralschäden eines Strafverfahrens" ausgesetzt.

Von anderer Seite ist zu hören, dass die massive Löschtätigkeit im Bundeskanzleramt für die Sicherstellungsanordnung verantwortlich ist. Die Beschuldigten hatten ja teils kurz vor der Hausdurchsuchung im Oktober 2021 neue IT-Geräte erhalten, türkise Kabinettsmitarbeiter und Minister gaben auch im U-Ausschuss an, regelmäßig ihre Daten zu löschen. (Katharina Mittelstaedt, Fabian Schmid, 8.9.2022)