Putin sieht sich auf der Siegerstraße – dem Westen droht er.

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Die Partei "Geeintes Russland" des russischen Präsidenten Wladimir Putin hat für Anfang November ein Referendum in den dessen Truppen besetzten Gebieten in der Ukraine über deren Annexion vorgeschlagen. "Es wäre richtig und symbolträchtig", ein solches Referendum am 4. November abzuhalten, dem Tag der Nationalen Einheit in Russland, erklärte Andrej Turtschak, Generalsekretär der Partei Geeinetes Russland, am Mittwoch.

Nach der Abstimmung würden "Donezk, Lugansk und viele weitere russische Städte endlich in ihren Heimathafen zurückkehren". Die "russische Welt", die derzeit "formell durch Grenzen getrennt" sei, würde so "ihre Einheit zurückerlangen", fügte Turtschak hinzu.

Ukraine bekennt sich zu Krim-Angriffen

Unterdessen bekannte sich die Ukraine erstmals direkt zu Angriffen auf russische Stützpunkte auf der annektierten Halbinsel Krim. Die Ukraine habe dort eine Reihe erfolgreicher Raketenangriffe ausgeführt, einschließlich auf die Basis Saky erklärte der ukrainische Militärchef Walerij Saluschnji in einem von ihm mitverfassten Artikel für die Nachrichtenagentur Ukrinform am Mittwoch. Zehn Kampfjets seien zerstört worden.

Bisher hat die Ukraine stets nur angedeutet, dass sie in die Angriffe im August involviert gewesen sein könnte.

Saluschnji schrieb außerdem, er habe allen Grund davon auszugehen, dass der Krieg in seinem Land dieses Jahr nicht enden werde. Er warnte auch, es bestehe ein "direktes Risiko", dass Russland unter gewissen Umständen taktische Atomwaffen einsetzen werde. Auch ein erneuter russischer Angriff auf die Hauptstadt Kiew sei nicht auszuschließen, ebenso wenig wie ein Angriff von Belarus aus.

Putin sieht sich auf der Siegerstraße

Russlands Präsident Wladimir Putin stellte das Vorgehen in der Ukraine als rein vorteilhaft für sein Land dar. "Wir haben nichts verloren, und wir werden nichts verlieren", sagte Putin auf dem Wirtschaftsforum im ostrussischen Wladiwostok. Der wichtigste Zugewinn für Russland sei eine Stärkung der eigenen Souveränität.

Dessen ungeachtet machen die ukrainischen Streitkräfte bei ihrer Gegenoffensive im Osten des Landes offenbar Fortschritte. Zwar hielt sich die Regierung in Kiew weiter bedeckt. Doch der gegnerische ranghohe Separatist Danijl Bessonow aus dem russisch besetzten Teil der Region Donezk äußerte sich ungewöhnlich offen. Seinen Angaben zufolge begannen ukrainische Streitkräfte am Dienstag mit einem seit längeren vorbereiteten Angriff auf Balaklija. Die 27.000-Einwohner-Stadt liegt zwischen der umkämpften Großstadt Charkiw und dem russisch-besetzten Isjum, wo sich ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt für den russischen Nachschub befindet.

Die eigentliche Gegenoffensive der ukrainischen Streitkräfte läuft deren Angaben zufolge aber im Süden des Landes. Doch auch hierzu lassen sich die ohnehin spärlichen Informationen und Angaben unabhängig kaum überprüfen. Die Führung in Kiew lässt keine Journalisten an die Front und veröffentlicht nur eingeschränkte Lageberichte, um auch Russland im Unklaren zu lassen und das Momentum der Überraschung nicht aus der Hand zu geben. Eine Militärsprecherin wurde in Medien mit den Worten zitiert, dass "bereits einige Gebiete befreit" wurden. Nach Einschätzung westlicher Militärexperten versucht die Ukraine im Süden anscheinend, Tausende russische Soldaten am Westufer des Dnjepr festzusetzen und deren Nachschublinien zu zerstören.

Russland verärgert über IAEA-Bericht

Nach dem Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA zum Zustand des Atomkraftwerks in Saporischschja äußerten sowohl Russland als auch die Ukraine Kritik. Russlands Außenminister Sergej Lawrow verlangte Erläuterungen zu Teilen des IAEA-Berichts. Präsident Putin kritisierte zudem, dass die IAEA in dem Bericht die Ukraine nicht für den anhaltenden Beschuss der Anlage verantwortlich mache. Der Ukraine geht der IAEA-Bericht nicht weit genug. Es gebe keine klare Anleitung, was jetzt zu tun sei, sagte Präsidentenberater Mychailo Podoljak der Nachrichtenagentur Reuters. Er vermisse auch die Forderung, dass die russischen Truppen das AKW verlassen müssten.

Nawalny wieder in Einzelhaft

Der russische Kremlgegner Alexej Nawalny ist nach eigenen Angaben in seinem Straflager zum vierten Mal hintereinander in Isolationshaft gesperrt worden. Diesmal müsse er 15 Tage in der Einzelzelle verbringen, ließ der Oppositionspolitiker am Mittwoch auf seinem Twitter-Kanal verbreiten. Außerdem habe die Justiz ihn als Wiederholungstäter eingestuft wegen angeblicher Verstöße gegen die Lagerordnung.

Diese Einstufung bedeute, dass Nawalny noch weniger Geld für die Zwangsarbeit im Lager erhalte und noch weniger Päckchen bekommen dürfe, sagte seine Sprecherin Kira Jarmysch. Auch Besuch von außen werde weiter beschränkt. Nawalny schrieb, dass ein seit vier Monaten geplantes Treffen mit seiner Familie sich verzögere.

Wegen angeblichen Betrugs sitzt Nawalny in der Strafkolonie 6 in Melechowo etwa 260 Kilometer nordöstlich von Moskau – unter besonders harten Haftbedingungen. Im Mai bestätigte ein Gericht die neunjährige Haftstrafe. International gilt er als politischer Gefangener. Nawalny hatte sich in Deutschland von einem Giftanschlag im August 2020 erholt, war dann aber freiwillig nach Russland zurückgekehrt. (red, APA, 7.9.2022)