Der Guffert-Eisschacht ist eine Schachthöhle, die nur durch Abseilen zu erreichen ist – der Fachausdruck für das Begehen einer Höhle lautet "befahren".
Foto: Christoph Spötl

Kaum ein Land hat mehr dokumentierte Eishöhlen als Österreich. Ein Team aus Forschenden der Universitäten Innsbruck und Belfast hat nun acht von ihnen untersucht und Proben von 2.000 Jahre alten Eisschichten genommen.

Bei allen acht Höhlen, die in Tirol, der Steiermark, Oberösterreich und Kärnten liegen, handelt es sich um schwer zugängliche Schachthöhlen, die eine Herausforderung für die Feldforschung darstellen. Die Auswahl erfolgte nicht zufällig: Die Höhlen sind einander ähnlich, von der Geometrie bis hin zur Lage. Ihr Eis bildet sich durch herabrutschenden Schnee. Ihre Ähnlichkeit erlaubte erst die Durchführung einer vergleichenden Studie. Die Ergebnisse wurden nun im Fachjournal "Scientific Reports" veröffentlicht.

Charlotte Honiat und Tanguy Racine bei der Probenentnahme im Tiroler Guffert-Eisschacht.
Foto: Christoph Spötl

Suche nach Holzresten

In den Höhlen nahmen die Forschenden Proben. Dabei ging es ihnen nicht um das Eis selbst, sondern um Einschlüsse aus organischem Material. "Um das Eis zu datieren, haben wir uns auf kleinste Einschlüsse von Holz in den Eisschichten konzentriert", erklärt Tanguy Racine vom Forschungsteam.

Ziel war die Bestimmung der Massenbilanz, also ein Bild der Zu- und Abnahme des Eises. "Wir können für den Zeitraum der letzten zwei Jahrtausende ein vergleichbares Auf und Ab der Eisentwicklung in Eishöhlen und Gletschern belegen. Für beide ist wesentlich, wie viel Schnee im Winter fällt und wie warm die Sommer sind", sagt Racine. Ein Großteil des unterirdischen Eises in den untersuchten Höhlen stamme von der sogenannten Kleinen Eiszeit zwischen dem 15. und dem 19. Jahrhundert.

Für die jüngere Vergangenheit konnte das Team nun einen starken Rückgang des Eises belegen. "Wir sehen eine Geschwindigkeit des Eisrückgangs, die in keiner Periode in unserem Messzeitraum der letzten 2.000 Jahre zu beobachten war", berichtet Racine. Im Guffert-Eisschacht in Tirol betrug der Rückgang drei Meter allein in den letzten drei Jahren. Für manche Höhlen ist das eine schlechte Nachricht.

Kleine Höhlen gefährdet

"Besonders für die mittleren und kleineren Eishöhlen müssen wir davon ausgehen, dass sie in den nächsten Jahren bis Jahrzehnten massiv an Eismasse einbüßen oder sogar gänzlich eisfrei werden", prognostiziert Racine.

Für die Wissenschaft würde damit ein wertvolles Klimaarchiv verlorengehen, weshalb in den nächsten Jahren mehr Proben aus Eishöhlen gewonnen und gekühlt für die Nachwelt gelagert werden sollen.

Höhlenforschung, auch Speläologie genannt, wird in Österreich nicht nur von hauptberuflichen Wissenschaftern wie Racine betrieben. Vielfach ist es eine Amateurwissenschaft, die von Vereinen durchgeführt wird. In oft mehrere Tage dauernden Expeditionen steigen die Aktiven in die Höhlen ein, um neue Räume zu finden und zu vermessen. Dazu gehören sorgfältig geplante Rettungspläne und regelmäßige Übungen. Der Lohn ist das Erkunden fremder Welten, die noch nie ein Mensch betreten hat und die für die Naturwissenschaft wertvolle Informationen liefern können. (Reinhard Kleindl, 8.9.2022)