Die Teilnehmer des STANDARD-Klimagespräch im Park: Kabarettist Michael Niavarani, Aktivistin Lena Schilling, STANDARD-Redakteur Philip Pramer , Anwältin Michaela Krömer, Ökonom Gernot Wagner, Meteorologe Marcus Wadsak (v.l.n.r).

Foto: Regine Hendrich

Sogar Michael Niavarani spürt die Auswirkungen des Klimawandels schon. Der Kabarettist und Schauspieler erinnert sich an einen Auftritt im "Theater im Park" in diesem Hitzesommer, bei dem auch abends die Temperatur nicht unter 30 Grad fiel – und Niavarani als Esel verkleidet auf der Bühne stand. "Unter diesem Eselskopf hatte es dann 50, 55 Grad", scherzt der Schauspieler.

Wo Niavarani Wochen zuvor noch tierisch schwitzte, nahm der Kabarettist am Mittwoch (unverkleidet) für das erste STANDARD-Klimagespräch im Park Platz. Vor fast 600 Menschen im Publikum diskutierte eine Runde von Expertinnen und Experten auf der Wiener Freiluftbühne über die Frage, wer die Verantwortung in der Klimakrise trägt. Zu Gast waren die Klimaaktivistin Lena Schilling, die Rechtsanwältin Michaela Krömer, der Klimaökonom Gernot Wagner und der Meteorologe Marcus Wadsak, welcher eingangs in einer Keynote den wissenschaftlichen Unterbau für die Diskussion lieferte.

Das Gespräch können Sie in voller Länge auch im "Podcast Edition Zukunft" hören.

Nicht nur Problem des Einzelnen

Schilling warnte davor, Klimaschutz allein zu einer Frage von Konsum- und Lebensentscheidungen von Einzelpersonen zu machen. Viele könnten sich eben nicht aussuchen, ob sie an einem Ort mit guter Bahnanbindung wohnen oder doch mit dem Auto fahren müssen. In den vergangenen Jahrzehnten seien Gleise ab- und Straßen ausgebaut worden – und das sei eine politische Entscheidung gewesen. "Wir sind in einer Gesellschaft eben nicht nur lauter Individuen, sondern ein Kollektiv", sagt die Klimaaktivistin, die für ihren Protest gegen den Lobautunnel bekannt wurde. Die Macht des Einzelnen liege vor allem darin, politische Maßnahmen zu beeinflussen, etwa durch Demonstrationen.

Denn derzeit handle die Politik nur sehr zögerlich. Österreich habe als eines von wenigen Ländern in der EU seine Treibhausgasemissionen seit 1990 nicht gesenkt. "Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen", sagt Michaela Krömer.

Lena Schilling fordert alle auf, demonstrieren zu gehen.
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Warten auf das Klimaschutzgesetz

Das Klimaschutzgesetz aus dem Jahr 2011 sei eines der kürzesten Gesetze überhaupt. "Da steht auf gut Österreichisch drin, dass wir ein Problem haben und dass wir uns dazu etwas überlegen werden." Das Gesetz ist noch dazu 2020 ausgelaufen – seitdem hat Österreich kein Klimaschutzgesetz, das konkrete CO2-Budgets festsetzt. Unter anderem deshalb hat Krömer zusammen mit Greenpeace eine Klimaklage gegen die Republik eingeleitet, mit der sie die Regierung gerichtlich zu mehr Klimaschutz zwingen will.

Der Klima-Fußabdruck, der die Emissionen des eigenen Lebensstils quantifiziert, sei vor allem durch den Ölkonzern BP großgemacht worden, merkt die Rechtsanwältin an. "Das ist natürlich eine sehr kluge Idee, um Gesellschaften zu spalten und die Verantwortung abzuschieben", sagt Krömer.

Problematischer "Fußabdruck"

Das grundlegende Problem lässt sich allerdings auch mit den gängigen CO2-Rechnern erkennen. Marcus Wadsak hat einen von ihnen ausprobiert: Von den sechs bis sieben Tonnen CO2, die durchschnittlich auf eine in Österreich lebende Person kommen, ließen sich vielleicht 1,5 Tonnen einsparen – wenn man sehr fleißig ist. "Der Rest davon steckt im System, den können wir nicht beeinflussen", sagt der Meteorologe.

Für Michaela Krömer kritisiert Österreich für zu wenig Klima-Ambition.
Foto: Regine Hendrich

Das habe auch Corona deutlich gemacht. Im ersten Lockdown, als Menschen auf vieles verzichten mussten, sanken die Emissionen um nur 16 Prozent. Bis 2030 müsste der CO2-Ausstoß in Europa aber um etwa die Hälfte sinken. "Das zeigt uns, dass wir die Dinge, die wir tun, nicht weniger, sondern anders machen müssen", schließt Wadsak aus diesen Zahlen.

Die ewige Diskussion um Verzicht und Einschränkung sei auch eine Frage des Framings: "Denn wenn wir weitermachen wie bisher, verzichten wir auf eine lebenswerte, gesunde, schöne Welt mit einer Atmosphäre, die wir atmen können", sagt Wadsak. Eine klimafreundliche Lebensweise sei zudem oft auch besser für den Menschen – im Zug, "der besten Form der Elektromobilität", könnten Fahrgäste im Gegensatz zum Auto etwa entspannen oder arbeiten.

Gernot Wagner sieht einen Wettlauf zwischen klimatischen und sozioökonomischen Kippunkten.
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Emotionale Debatten

Klimaökonom Wagner sieht derzeit einen Wettlauf zwischen den klimatischen Kipppunkten, nach deren Überschreiten sich die Erde unkontrolliert erhitzt, und den sogenannten sozioökonomischen, an denen Klimaschutz in Wirtschaft und Politik zum Standard wird. Das kürzlich in den Vereinigten Staaten verabschiedete milliardenschwere Klimaschutzpaket könnte dazu beitragen, den weltweiten Wettlauf um klimafreundliche Technologien zu beschleunigen, sagt der Austroamerikaner.

Rein rational sei der Mechanismus hinter der Klimaerwärmung nicht so schwierig zu verstehen, sagt Niavarani. Dass es trotzdem so schwierig sei, wirksame Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen, liege an den Emotionen. "Was die Waffen für die Amerikaner sind, ist das Auto für Österreich", sagt der Kabarettist. Um eine Wende zu erreichen, müsse man etwa das Thema Autofahren zunächst entemotionalisieren. (pp, 8.9.2022)

Diese Podiumsdiskussion ist eine entgeltliche Einschaltung in Form einer Kooperation mit Wien Energie. Die redaktionelle Verantwortung liegt beim STANDARD.