Die Trockenheit des Neusiedler Sees lässt den Schilfgürtel wachsen.
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Feuchtgebiete wie Moore binden große Mengen CO2. Durch den Klimawandel geraten diese Systeme in Bewegung, was international Sorgen wegen einer Freisetzung zusätzlicher Treibhausgase nährt. In Österreich ist es vor allem der Neusiedler See, der stark an Wasser verliert und ohne Gegenmaßnahmen auszutrocknen droht. Durch den Rückgang des Wassers wächst der Schilfgürtel. Wie sich das auf die Klimabilanz des veränderten Systems auswirkt, untersucht nun eine neue Forschungseinrichtung der Universität Wien. Neben dem prominenten burgenländischen See werden außerdem österreichische Moore unter die Lupe genommen.

Die Einrichtung namens Core Facility Long Term Wetland Ecosystem Research (LTWER) untersucht, wie die Ökosysteme in Mooren und anderen Feuchtgebieten funktionieren. Im Zentrum der Messungen und Auswertungen stehen die Kohlenstoff- und Wasserkreisläufe im Schilfgürtel von Österreichs größtem See und dem Pürgschachen-Moor – einem alpinen Feuchtgebiet im Nordwesten der Steiermark. Die Einrichtung, die an der Universität Wien angesiedelt ist, unterhält Messstandorte in den Feuchtgebieten. Ein solcher im burgenländischen Illmitz wird am 19. September offiziell eröffnet.

Infrastruktur für Langzeitmessungen

Um die Auswirkungen der klimatischen Veränderungen wissenschaftlich detailliert nachvollziehen zu können, brauche es aufwendige Langzeitmessungen und die nötige Infrastruktur, erklärt der Geoökologe und LTWER-Leiter Stephan Glatzel von der Universität Wien. Mittels sogenannter Eddy-Kovarianz-Messtürme wird am Neusiedler See und im steirischen Hochmoor vor allem die Konzentration der klimarelevanten Spurengase Kohlendioxid und Methan gemessen.

Zusätzlich kann über das Verhältnis der Kohlenstofftypen 12C und 13C auch darauf geschlossen werden, aus welchem Teil des Ökosystems die Gase stammen. Außerdem kann gemessen werden, wie sich Kohlenstoff- und Stickstoffkonzentrationen im Wasser verteilen. Letztlich sehe man nicht nur, was ins System hineinkommt und was hinausgeht, sondern kann auch auf zugrunde liegende Prozesse schließen, sagt Glatzel.

Auch in der Umgebung des Neusiedler Sees trocknen Wasserflächen aus.
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Gerade Feuchtgebiete werden oft als wichtigste Kohlenstoffsenken der Welt bezeichnet und können viel Kohlenstoff längerfristig speichern. Leiden sie aber unter Trockenheit, kann sich ihre Funktion als Gegenspieler zum Temperaturanstieg auch umkehren. Ob sich so etwas im Burgenland und in der Steiermark zeigt, messen die Wissenschafterinnen und Wissenschafter schon seit ungefähr drei Jahren. Unter dem Dach der "Core Facility" wird der längerfristige Betrieb der in der Anschaffung mehrere Hunderttausend Euro teuren Geräte gesichert.

Auch wenn die Daten bis jetzt erst wenige Jahre umspannen, zeichnen sich bereits Veränderungen ab: Im Pürgschachen-Moor sehe man, dass es in einem feuchten Jahr CO2 speichere und dass das System insgesamt Klimagase einspare, sagt Glatzel. In trockenen Jahren wird deutlich weniger CO2 eingelagert, durch die Methanfreisetzung wird das Moor aber letztlich zur Quelle für klimarelevante Gase – was den Klimawandel fördert. "Das zeigt, dass dieses Moor an der Kippe von der Senke zur Quelle ist", warnt Glatzel. Das Ökosystem sollte daher feucht gehalten werden und nicht Wasser für die Landwirtschaft entnommen werden.

Gefahr durch Schilfbrände

Im Schilfgürtel des Neusiedler Sees wiederum verdichtet sich die Biomasse durch das fehlende Wasser stark. Das Schilf nimmt durch die aktuelle Austrocknung zwar Kohlenstoff auf, das geht aber zulasten des im Boden gespeicherten Anteils, erklärt Glatzel. Wenn nun das Gros in die Biomasse eingebaut wird, laufe man etwa Gefahr, dass durch Schilfbrände umso mehr davon in sehr kurzer Zeit in die Atmosphäre gelangt.

Eine gute Nachricht gibt es immerhin: Im Schilfgürtel nehmen die Methanemission aufgrund der trockeneren Verhältnisse ab, was für das Klima positiv ist, berichtet Pamela Baur von der Arbeitsgruppe Geoökologie. Insgesamt werden für den Neusiedler See aber mehr Extreme erwartet, was das Management des dortigen Ökosystems erschweren wird. (red, APA, 8.9.2022)