Neben Hilfe bei akuten Verletzungen sollen School-Nurses Gesundheitsvorsorge leisten.

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Dass es in Wien zu wenige Schulärztinnen gibt, ist ein bekanntes Problem. Laut Zahlen aus dem städtischen Gesundheitsressort waren im Vorjahr an Pflichtschulen lediglich 372 von 460 schulmedizinischen Stellen besetzt, und der Betreuungsschlüssel von im Schnitt 1.325 Kindern pro Mediziner war alles andere als ideal. Nun reagiert die Stadt und schickt Personen mit Krankenpflegeausbildung an die Schulen, um die dortige Gesundheitsversorgung zu verbessern.

Zwischen diesen sogenannten School-Nurses und Schulärztinnen gibt es zwei wichtige Unterschiede. Erstens verbringen die Pflegepersonen viel mehr Zeit an den Schulen – nämlich 20 bis 40 Stunden pro Woche. Und zweitens dürfen sie bestimmte Aufgaben, etwa Impfungen, nur auf Anordnung von Ärzten durchführen. Prävention, Erste Hilfe und Versorgung bei akuten Erkrankungen seien daher das Hauptbetätigungsfeld der School- Nurses, erläuterten Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) und Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) am Donnerstag bei einem Pressegespräch.

"Wir haben uns vorgenommen, dass wir, was Fragen zur Gesundheit, zur Sexualität und zu Notfällen angeht, eine bessere Qualität anbieten wollen", sagte Hacker. Gedacht sind die neuen medizinischen Kräfte als Ansprechpartner sowohl für Kinder und Eltern als auch für Lehrende. In Großbritannien und in skandinavischen Ländern sind School-Nurses bereits Standard. Wie das System in Wien in der Praxis funktionieren kann, wird derzeit in einem für bis 2023 angesetzten Pilotprojekt erprobt. Dieses dient dazu, Erfahrungen zu sammeln, und es wird wissenschaftlich begleitet.

Test an bisher vier Schulen

Drei Schulpflegepersonen sind seit dem heurigen Sommer im Einsatz, eine weitere kommt noch dazu. Als Teststandorte wurden der Bildungscampus Rudolf-Friemel-Gasse und die Volksschule Quellenstraße in Favoriten sowie die Mittelschule Bendagasse und das Sonderpädagogische Zentrum Kanitzgasse in Liesing auserkoren.

Besonders an Sonderpädagogischen Zentren seien Pflegepersonen eine wichtige Unterstützung, weil dort etwa auch Aufgaben wie Katheterwechsel anfallen, strich Wiederkehr heraus. Für ihn sind School-Nurses ein Beitrag zur Chancengleichheit: "Nicht alle Kinder bekommen von den Eltern die gleichen Informationen mit."

Hacker bezifferte die Kosten für das Pilotprojekt mit 60.000 bis 70.000 Euro pro Jahr – wobei diese im Rahmen einer Förderung von der EU übernommen werden. Rot-Pink möchte das Projekt auf die ganze Stadt ausweiten. Fix sind vorerst zwei zusätzliche Standorte ab Herbst 2023 in Favoriten: der Kindergarten Waldmüllerpark und die Mittelschule Quellenstraße.

Wien sieht Bund in Pflicht

Auch einen österreichweiten Einsatz von Schulpflegepersonen hielte der Gesundheitsstadtrat für sinnvoll. Allerdings brauche es eine Finanzierung – wobei Wien hier die Gesundheitskasse bzw. den Bund in der Pflicht sieht. "Eine Ausrollung des Pilotprojekts wäre undenkbar, wenn nicht berücksichtigt wird, dass School-Nurses ein Teil der modernen Krankenversicherung sind", erklärte Hacker. Er werde das Thema auch in die anstehenden Gespräche zum Finanzausgleich einbringen.

Theoretisch sind die School-Nurses als Ergänzung zu den Schulärztinnen gedacht. Praktisch werde es aber wohl auf einen Ersatz hinauslaufen, sagte Hacker zum STANDARD. "Es ist ja kein Geheimnis, das wir immer weniger Ärzte für die Schulen finden." Nötig sei daher aber auch eine Erweiterung der Kompetenzen von Pflegepersonen, sodass diese selbstständiger agieren können.

Attraktivierung des Pflegeberufs

Nebenbei erhofft sich die Politik, mit der Etablierung von School-Nurses ein weiteres Problem zu lösen: der mangelnde Gang in den bzw. die Flucht aus dem Pflegeberuf. "Jedes Feld braucht eine Vielfalt von Perspektiven", erklärte Hacker. Soll heißen: Sind Altenheim oder Krankenhaus zu unattraktiv, könnte ein Job in der Schule eine Alternative sein.

Eine eigene Schulung braucht es für den Beruf School-Nurse derzeit übrigens nicht, die Ausbildung zur diplomierten Pflegekraft reicht aus. "Liebe zu Kindern" sei aber jedenfalls eine gute Grundvoraussetzung, hieß es. (Stefanie Rachbauer, 8.9.2022)