So etwa könnte die neu identifizierte Saurierart "in echt" ausgesehen haben – und zu Tode gekommen sein: nämlich in einem Sumpf.

Marcus Burkhardt

Die Schwäbische Alb, ein Mittelgebirge im Südwesten Deutschlands an der Grenze zur Schweiz, ist so etwas wie ein Eldorado für Paläontologinnen und Paläoanthropologen. Dort wurden unter anderem das älteste Musikinstrument der Welt (eine über 30.000 Jahre alte Knochenflöte) und auch eine der ältesten figürlichen Darstellungen eines Menschen (die Venus vom Hohlefels, ebenfalls mehr als 30.000 Jahre alt) gefunden.

Doch die Schwäbische Alb war nicht nur bei den frühen Modernen Menschen in Europa beliebt, sondern auch schon viele Millionen Jahre davor bei Dinosauriern. Nun wurde sogar eine neue Art entdeckt, deren Überreste freilich schon vor genau 100 Jahren ausgegraben und seit vielen Jahren in der paläontologischen Sammlung in Tübingen aufbewahrt worden waren. Der wissenschaftliche Name der neuen Art, die auch eine neue Gattung bildet, macht kein Geheimnis daraus, dass sie aus Deutschland stammt: Tuebingosaurus maierfritzorum.

Darstellung der gefundenen Knochen mit einem Schattenriss von Tuebingosaurus maierfritzorum sowie im Vergleich zu Fritz Maier (?).
Illustration: Omar Rafael Regalado Fernandez und Ingmar Werneburg

Gut versteckt in einer Sammlung

Wie aber kam es zu dieser Entdeckung? In einem großangelegten Projekt untersuchten die Paläontologen Omar Rafael Regalado Fernandez und Ingmar Werneburg sämtliche in Tübingen gelagerten Dinosaurierknochen neu. Sie stammen zu einem Großteil aus einem Steinbruch bei Trossingen am Rande der Schwäbischen Alb, wo seit dem 19. Jahrhundert zahlreiche Knochen von Dinosauriern gefunden und oft als Plateosaurier klassifiziert wurden.

Nach wie vor unstrittig ist, dass diese Dinosauriergruppe vor etwa 200 Millionen Jahren in Teilen Europas sehr häufig vorkam. Heutigen Fachleuten ist allerdings auch bewusst, dass es bei der taxonomischen Einordnung in der Vergangenheit oft zu Ungenauigkeiten kam, weshalb manche Funde vorschnell in die Gattung der Plateosaurier aufgenommen wurden.

Kein typischer Plateosaurier

Bei der erneuten Analyse eines 1922 in Trossingen gefundenen Skeletts, von dem vor allem der hintere Teil des Körpers erhalten ist, stellten Regalado Fernandez und Werneburg fest, dass viele Knochen nicht denen eines typischen Plateosauriers entsprachen. So wies das Teilskelett unter anderem eine breitere und kräftiger gebaute Hüfte mit verschmolzenen Kreuzbeinwirbeln sowie ungewöhnlich große und robuste Langknochen auf – beides spricht für eine Fortbewegung auf vier Beinen.

Die beiden Entdecker mit einem Oberschenkelknochen von Tuebingosaurus maierfritzorum.
Foto: Valentin Marquardt / Uni Tübingen

Dies steht im Gegensatz zu den Plateosauriern, die den langhalsigen Sauropoden aus dem Jura zwar auch ähnelten, sich aber vermutlich noch auf zwei Beinen fortbewegten. Nach einem eingehenden Vergleich aller anatomischen Merkmale ordneten die Wissenschafter das aus Trossingen stammende Teilskelett neu im Dinosaurierstammbaum ein und stellten fest, dass sie eine bislang unbekannte Art und Gattung entdeckt hatten – eben: Tuebingosaurus maierfritzorum.

Der lebte vor etwa 203 bis 211 Millionen Jahren, war ein Pflanzenfresser und mit großer Wahrscheinlichkeit schon ein Vierbeiner. Aus diesen Gründen war er viel enger mit den später erscheinenden, großen Sauropoden wie beispielsweise Brachiosaurus oder Diplodocus verwandt als mit den Plateosauriern. Das umgebende Sedimentgestein und die Erhaltung der Knochen sprechen dafür, dass der gefundene Tuebingosaurus in einem sumpfigen Gebiet versank und zu Tode kam. Die Knochen der linken Körperseite waren vermutlich einige Jahre lang an der Oberfläche der Witterung ausgesetzt.

Die beiden Entdecker erklären ihren Fund.
Eberhard Karls Universität Tübingen

Der wissenschaftliche Name

"Sein Gattungsname, Tuebingosaurus, ist eine Hommage an unsere schöne Universitätsstadt und ihre Bewohner", sagt Werneburg. Mit dem dazugehörigen Artnamen maierfritzorum ehre man wiederum die beiden deutschen Zoologen Professor Wolfgang Maier aus Tübingen sowie Professor Uwe Fritz von den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden. Die neue Art wurde in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Vertebrate Zoology" der Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung beschrieben, die gleichzeitig als Festschrift Wolfgang Maier zum 80. Geburtstag gewidmet ist.

Insgesamt konnten die Forschenden in ihrem Projekt zeigen, dass die frühen europäischen Dinosaurier sehr viel diverser waren als bisher angenommen. Die Einzelteile des Skeletts von Tuebingosaurus maierfritzorum, die bislang getrennt gelagert wurden, sind nun wieder zusammengeführt und können derzeit in zwei großen Vitrinen in der Paläontologischen Sammlung in Tübingen besichtigt werden. (red, tasch, 8.9.2022)