Der erfahrene Medienrechtler Georg Zanger, der sich auch für die Verbesserung der österreichisch-chinesischen Beziehungen engagiert, muss sich wegen eines Tweets vor Gericht verantworten.

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Wien – Schriftführerin Natascha P. muss an diesem Vormittag etwas mit der testosterongeschwängerten Atmosphäre im Verhandlungssaal 305 kämpfen. Ist sie doch die einzige Frau mit beruflicher Funktion in einem Privatanklageverfahren wegen übler Nachrede, und mitunter geht es recht hitzig zu. Sitzen sich bei dem Prozess doch vor Richter Daniel Potmesil zwei Seiten gegenüber, die in diesem Leben eher keine engen Freunde mehr werden.

Als Privatankläger treten Peter Pilz und das von ihm herausgegebene Online-Medium "zackzack.at" auf. Volkert Sackmann, einst Staatsanwalt im Grauen Haus und nun Anwalt, ist sein Rechtsvertreter. Auf der Anklagebank nimmt Sackmanns Standeskollege Georg Zanger Platz, er wird von Johannes Kerbl verteidigt. Inhaltlich dreht sich der Prozess um einen Tweet Zangers vom 6. Dezember 2021, in dem er geschrieben hatte, " zackzack hat seit August 2021 wiederholt unwahr behauptet, dass Martin Ho ein Drogendealer sei".

Mehrere Artikel zu Drogen in Lokalen

Es geht um mehrere Geschichten in dem Online-Medium, in dem die Lokale des Wiener Gastronomen und illegale Rauschmittel eine Rolle spielen. Um welche stimulierende verbotene Substanzen es geht, ist nicht schwer zu erraten, war doch beispielsweise eine Geschichte mit "Die Ho-Kain Affäre" getitelt, kombiniert mit einem Bild des prominenten Geschäftsmanns.

Auch Pilz selbst bezog sich in einem Kommentar auf diesen Artikel und warf die Frage auf, warum niemand etwas gegen den Drogenhandel in den Lokalen unternehme. "Zwei Antworten und eine Erklärung" lieferte der ehemalige Politiker gleich mit: "1. Die Polizei tut nichts" und "2. Medien schauen weg", außerdem habe Ho "mächtige Freunde. Sein wichtigster Freund ist mit Sebastian Kurz der Bundeskanzler. Das System 'Kurz' funktioniert als 'Familie'", zeigte sich Pilz am 29. August 2021 überzeugt.

Millionenklagen gegen Medium

Ho sah sich verunglimpft und leitete rechtliche Schritte ein – mit einer Klagssumme von einer Million Euro, was laut Pilz dem Jahresumsatz von "zackzack" entspricht, also existenzgefährdend war. Noch dazu, da es zeitnah wegen eines anderen Themas ähnliche Schritte des Unternehmers René Benko gab, bei der es gar um eine Klagssumme von zwei Millionen Euro ging.

Zunächst konnte Ho sogar noch einen kleinen juristischen Erfolg verbuchen, ein Richter des Landesgerichts Wien trug "zackzack" eine Veröffentlichung auf, die aus Sicht Zangers aber nicht korrekt umgesetzt wurde. Deshalb habe er den Tweet abgesetzt, argumentiert er nun. Aus Sicht Sackmanns dagegen habe man mittlerweile fünf Verfahren gegen Ho in der Causa nicht rechtskräftig gewonnen, der Inhalt von Zangers Tweet sei also nicht nur eine üble Nachrede, sondern auch eine Kreditschädigung. "Es ist das Schlimmste, was man einem Medium vorwerfen kann, dass es wiederholt unwahr berichtet!", zeigt er sich empört.

Inkriminierter Tweet bereits gelöscht

Zu Beginn der Verhandlung ist Richter Potmesil noch hoffnungsfroh. "Es liefen ja schon Vergleichsgespräche, das gestrige Schriftstück klingt aber nicht mehr so optimistisch. Woran scheitert es denn?", bietet er sich als Referee an, um zwischen den Parteien eine außergerichtliche Einigung zu erreichen. "Der Tweet ist ja mittlerweile gelöscht?", fragt Potmesil Zanger, der das bestätigt.

Pilz und Sackmann ist das zu wenig. "Mein Problem als Herausgeber ist, es geht auch um eine generalpräventive Wirkung", argumentiert er. Es könne nicht sein, dass man unwahre Behauptungen in die Welt setze. "Es ist mir wichtig, dass es klare Folgen hat und nicht billig ist." Während Pilz betont ruhig und emotionslos seinen Standpunkt darlegt, scheint Sackmann die Rolle des "Bad Cops" zuzukommen. "Es geht darum: 'Wie mache ich ein Medium fertig'", ist der Anwalt überzeugt. Er beschwert sich auch, dass Zanger im Vorfeld auf ein Vergleichsangebot nicht reagiert habe: "Sie setzen mir Fristen und halten selbst keine ein", zürnt er. Den Vorwurf Zangers wiederum, er führe eine "Privatfehde" gegen ihn, weist er entschieden zurück.

Antragssteller Pilz reichen 100.000 Euro

Potmesil bemüht sich redlich, die Emotionen zu dämpfen, in den Wortgefechten und Zwischenrufen verliert man aber den Überblick. "Könnten Sie das Angebot nochmals genau zusammenfassen?", bittet Verteidiger Kerbl schließlich die Gegenseite. Pilz will einen Widerruf Zangers auf Twitter, eine Unterlassungserklärung – und Geld. Angesichts von Hos Klagssumme von einer Million Euro gibt er sich kulant. "Jetzt versuch ich entgegen meiner Gewohnheit großzügig zu sein: Zehn Prozent dieser Summe wären genug." Diese 100.000 Euro sollten an zwei noch zu benennende Organisationen gespendet werden.

"Es gibt die Bereitschaft, den Widerruf auf Twitter zu veröffentlichen und eine Unterlassungserklärung abzugeben. Aber die monetäre Sache muss sich Herr Pilz mit Herrn Ho ausmachen", meint der Verteidiger. Zanger selbst merkt noch an, dass er nicht wisse, wie es im Punkt der Kreditschädigung überhaupt zu einer Verurteilung kommen sollte. "Unfassbar!", ortet Sackmann mangelnde Fehlereinsicht. "Warum ist das so emotional?", versucht Richter Potmesil wieder zu bremsen, ehe klar wird, dass es keinen Vergleich geben wird.

Angeklagter schweigt zu Finanzen

Also beginnt der Prozess mit der Einvernahme des 75-jährigen Zangers. Der Unbescholtene will keine Angaben über Einkünfte, Vermögen oder Schulden machen und verweist lediglich auf drei Sorgepflichten. Dann macht er von seinem Recht Gebrauch, eine zusammenhängende Erklärung zu verlesen, in der er seinen Standpunkt darlegt. "Geht es schon?", fragt er Schriftführerin P. nach dem Vortrag. "Natürlich", antwortet die erfahrene Kraft, die schneller tippen als Zanger vorlesen kann.

Also kann der Angeklagte seine Position noch näher ausführen. "Für mich war es völlig klar ein Angriff auf Martin Ho persönlich", sagt er zu der Berichterstattung. Der Gastronom habe sich an ihn gewandt und Rechtsbeistand gesucht. "Er hat mir gesagt, dass er in seinem Unternehmen eine Null-Drogen-Politik verfolge, alle Mitarbeiter auch entsprechend instruiert seien und man mit der Polizei kooperiere", ist Zanger offenbar auch heute noch überzeugt.

"Ziel nicht, jemanden zu diffamieren"

Es sei "absurd" anzunehmen, er hätte Ho zu den Klagen gegen Pilz und "zackzack" geraten, falls er nicht von dessen Unschuld überzeugt gewesen wäre. Sonst hätte er ihn ja in "sinnlose Klagen hineingejagt". Zum inkriminierten Tweet selbst sagt der Angeklagte: "Mein Ziel war nicht, irgendwen zu diffamieren, sondern aus dem Gerichtsbeschluss zu zitieren, denn trotz Auftrag des Gerichts wurde die Veröffentlichung von 'zackzack' verweigert oder nicht richtig gemacht", nimmt er die Information der Öffentlichkeit für sich in Anspruch.

"Aber warum haben Sie dann nicht einfach den normalen Rechtsweg gewählt und Beschwerde bei Gericht eingelegt? Warum haben Sie das auf Twitter veröffentlicht?", interessiert Richter Potmesil. "Ich wollte an dem Platz, wo der Shitstorm entsteht, klarmachen, was von 'zackzack' veröffentlicht werden muss", verdeutlicht Zanger, dass das soziale Medium eine virtuelle Kloake ist. "Aber wenn Sie eh meinen, keinen Fehler gemacht zu haben, warum waren Sie dann vorher grundsätzlich zu einer Unterlassungserklärung und einem Widerruf bereit?", ist der Richter überrascht. Zanger verweist auf die anderen laufenden Verfahren.

Angeklagter verweigert Antworten

Als Sackmann mit seinen Fragen an der Reihe ist, würdigt ihn der Angeklagte keines Blickes, sondern starrt den vor ihm sitzenden Potmesil an. Zanger bittet den Richter, Sackmann auszurichten, dass er keine Fragen von ihm beantworten werde. Sackmann stellt sie für das Protokoll dennoch und kann sich nicht verkneifen, den Angeklagten mehrmals als "Herr Professor Doktor Zanger" anzusprechen und genüsslich zu sagen, Zangers Selbstbeschreibung auf seiner Webseite laute "Doyen des Medienrechts". Was übrigens nicht ganz korrekt ist, Zanger bezeichnet sich als "Pionier des Medienrechts".

Sackmann ist jedenfalls überzeugt, dass der Angeklagte eben aufgrund seiner Erfahrung genau wusste, was er schrieb, und dass es nicht zulässig gewesen sei. Dass es sich auch um Kreditschädigung gehandelt habe, will Sackmann durch einen Zeugen beweisen. "Es gibt kein besseres Beweismittel dafür als den Herausgeber", degradiert er seinen Mandanten Pilz verbal etwas zu einem Objekt.

Investoren fragten nach

Der 68-Jährige erinnert unter Wahrheitspflicht also daran, dass er bei derart hohen angedrohten Klagssummen ja verpflichtet sei, der Geschäftsführung aufzutragen, Rücklagen zu bilden. Es hätten auch größere Investoren bei ihm nachgefragt, ob an Zangers Behauptungen etwas dran sei. "Ich habe ihnen erklärt, dass wir es nicht beweisen können, aber auch nie behauptet haben." Dennoch ist für Pilz klar, dass es sich von Anfang an um eine Slapp-Klage gehandelt habe, was für "Strategic Lawsuits against Public Participation" steht. Er und "zackzack" sollten also eingeschüchtert werden, um kritische Berichterstattung zu unterbinden, ist er überzeugt. Und Investoren würden tatsächlich im Umfeld von Slapp-Klagen vorsichtiger.

Richter Potmesil sieht diesen Punkt am Ende nicht so, er verurteilt Zanger aber wegen übler Nachrede zu einer Geldstrafe in der Höhe von 40 Tagsätzen à 97 Euro, 30 davon sind bedingt. Insgesamt sieht der Richter also eine Zahlung von 970 Euro bei einem "nicht mehr ganz jungen unbescholtenen Rechtsanwalt" für tat- und schuldangemessen. Da sich beide Streitparteien Bedenkzeit nehmen, ist die Entscheidung nicht rechtskräftig. Die Justiz werden sie ohnehin noch länger beschäftigen. (Michael Möseneder, 8.9.2022)