Dieser Esel, der durch das ländliche Nigeria trottet, dürfte noch im Vollbesitz seines Penis sein.

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Die Liste der in China als kulinarische Leckerbissen oder vermeintliche Medizin nachgefragten Tier-Körperteile wird immer abstruser. Der nigerianische Zoll hat jetzt im Flughafen der Hafenstadt Lagos 7.000 abgeschnittene Penisse von Eseln sichergestellt, die nach Hongkong geflogen werden sollten. Die Geschlechtsteile der Unpaarhufer seien in 16 Säcke gepackt gewesen und hätten durch ihren starken Geruch Aufmerksamkeit erregt, berichtete der Zollbeamte Sambo Dangaladima am Murtala Muhammed Flughafen der lokalen Presse. Für die ungewöhnliche Fracht werde in China rund eine halbe Million US-Dollar bezahlt, fügte der Zöllner hinzu. Einem Verdächtigen sei die Flucht gelungen, hieß es weiter: In Nigeria ist der Export von Eselfleisch verboten.

Mit der Nachfrage nach dem Horn von Rhinozerossen, den Schuppen der vom Aussterben bedrohten Pangoline und zermahlenen Löwenknochen ist die chinesische Nachfrage nach außergewöhnlichen tierischen Körperteilen schon seit Jahrzehnten im Gerede. Der illegale Handel bedroht sowohl das Fortleben der letzten rund 20.000 afrikanischen Nashörner wie der Schuppentiere, die von internationalen Wilderer-Banden gejagt und gefangen werden. Tee aus Löwenknochenmehl und Pulver aus Nashörnern werden von der Traditionellen Chinesischen Medizin Wirkstoffe zur Behandlung zahlreicher Krankheiten wie Krebs und Impotenz zugesprochen.

Potenzförderndes Versprechen

Auch den Penissen von Bullen, Yaks, Hunden oder Eseln werden potenzfördernde Qualitäten zugesprochen. Das Pekinger Nobelrestaurant Guolizhuang bietet die gekochten oder gebratene Geschlechtsteile als Leckerbissen an, die entweder mit Chili oder einer Wasabi-Sauce, auf jeden Fall aber mit goldenem Besteck verzehrt werden. Das Guolizhuang ist lediglich der dekadente Höhepunkt einer herkömmlichen Vorliebe für das Grautier. Chinesische Heiler sprechen Eseln schon seit ewigen Zeiten wunderbare Kräfte zu: So soll ihre zu Gelatine verarbeitete Haut, das "Ejiao", Schlaflosigkeit und Husten heilen, als Creme die Haut falten- und pigmentfleckenfrei halten sowie – dem Löwenknochentee vergleichbar – der Potenz zuträglich sein. Zu Hause, im Reich der Mitte, haben die Eselschlächter schon abgeräumt: Dort hat sich deren Zahl in den letzten zwei Jahrzehnten von elf Millionen halbiert.

Um den Nachschub zu sichern, sind seit geraumer Zeit chinesische Eselkäufer in Afrika unterwegs: Dort brach der auf 13 Millionen Exemplare geschätzte Bestand des "equus asinus" dermaßen zusammen, dass Tierschützer bereits vom "Genozid der Esel" sprachen. In Burkina Faso schoss die Zahl der exportierten Eselhäute innerhalb eines Jahres von 1.000 auf die 18-fache Menge.

Eigene Schlachthäuser

In Kenia entstanden Schlachthäuser allein für Esel. Fachleute drückten ihre Furcht über einen Notstand im afrikanischen Agrar- und Transportwesen aus: In ländlichen Gebieten des Kontinents gilt der Esel als wichtigstes Arbeitstier. Alarmiert stellten Staaten wie Nigeria und Tansania den Export von Fleisch und Häuten der gefährdeten Grautiere unter Strafe, Kenias Regierung ließ sogar (vorerst) die Esel-Schlachthäuser schließen. Dass die Jagd auf die für ihre Angststarre bekannten Tiere trotzdem illegal weitergeht, macht der Fund im Flughafen von Lagos deutlich. (Johannes Dieterich, 8.9.2022)