Vom Windrad in den Tank: Grüner Wasserstoff soll künftig einen Beitrag zur Mobilität liefern. Doch die Erzeugungskapazitäten fehlen.
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Warum gerade Wasserstoff? Das fragten sich wahrscheinlich viele, als Sebastian Kurz ankündigte, Österreich zur "Wasserstoffnation Nummer eins" zu machen. Eine halbe Milliarde an Unternehmensförderungen waren dafür vorgesehen. Vor allem um Antriebe, die auf Wasserstoff basieren, sollte es bei den Förderungen gehen. Kritik ließ nicht lange auf sich warten. Besonders die gegenüber der direkten Verwendung von Elektrizität geringere Effizienz wurde ins Feld geführt.

Nun hat eine im Fachjournal "Nature Energy" erschienene Studie zu beantworten versucht, wie realistisch ein breites Ausrollen von Wasserstoff als Energieträger samt der dazugehörigen Technologie ist. Das Ergebnis ist eher ernüchternd. Bis 2035 soll nur ein Prozent der weltweit benötigten Energie über Wasserstoff bereitgestellt werden. In der EU soll die Schwelle von einem Prozent schon 2030 erreicht werden.

Doch das ist viel weniger als bisher angenommen. Der von der EU forcierte Plan, bis 2030 zehn Millionen Tonnen CO2-neutral erzeugten Wasserstoff bereitzustellen, erscheint damit außer Reichweite.

Der Enthusiasmus sei unbegründet gewesen, kritisieren die Forschenden: "Ein Großteil der Debatte und Forschung rund um Wasserstoff drehte sich um nachfragebezogene Fragen geeigneter Anwendungen, Märkte und Sektoren. Doch bisher hat keine Studie den Flaschenhals möglicher Ausbaupfade für die Elektrolyse analysiert."

Das ist nun erstmals geschehen. Ein Computermodell hat tausende mögliche Szenarien durchgerechnet und verglichen. Das Ergebnis: "Dass grüner Wasserstoff Erfolg haben wird, ist keineswegs selbstverständlich. Selbst wenn die Elektrolysekapazitäten so schnell wachsen wie Wind- und Solarenergie, gibt es starke Hinweise auf kurzfristige Engpässe und langfristige Unsicherheit in Bezug auf die Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff", sagt Co-Autor der Studie Falko Ueckerdt vom Potsdam Institute for Climate Impact Research, kurz PIK.

Die einzige Hoffnung bestehe in einem breiten Ausrollen von Wasserstofftechnologie, mit Mitteln einer Mobilisierung wie in Kriegszeiten. Als Vergleich ziehen die Forschenden US-Kriegsschiffe im Zweiten Weltkrieg heran. Dazu müssten in den nächsten Jahren riesige Elektrolyseanlagen mit Leistungen im Gigawatt-Bereich realisiert werden. Nur das könne den Teufelskreis der Unsicherheit brechen. Noch sind derartige Initiativen aber nicht in Sicht.

Blauer Wasserstoff aus Abu Dhabi

Auch die von der damaligen Regierung unter Sebastian Kurz geplante halbe Milliarde bezog sich auf die Entwicklung von Antrieben, nicht auf den Ausbau von Elektrolyseanlagen, die mit erneuerbarer Energie betrieben werden. Magnus Brunner, heute Finanzminister, hat in seiner Zeit als Klimastaatssekretär intensiv für Wasserstoff geworben. Wasserstoff werde "der Schlüssel sein, damit wir die Energiewende schaffen", erklärte er 2021 nach einem Treffen mit Abu Dhabis Kronprinz in Wien, mit dem er ein "richtungsweisendes Wasserstoffabkommen" vereinbart hatte. Auch Deutschland hat dieses Jahr ein ähnliches Abkommen mit den Arabischen Emiraten abgeschlossen.

Tatsächlich weist das Abkommen in eine Richtung, die vielleicht die Leidenschaft für den Wasserstoff erklärt: Sparten, die bisher auf Erdöl setzten, interessieren sich brennend für den gasförmigen Energieträger. Die OMV setzt stark auf Wasserstoff und betreibt einerseits Pilotanlagen, um per Elektrolyse Wasserstoff herzustellen, während das Unternehmen andererseits mit der Post zusammenarbeitet und bis zum Jahr 2030 2.000 Lkws mit Brennstoffzellen auf die Straße bringen will. Man gibt offen zu, beim Wasserstoff Know-how und Ressourcen nutzen zu wollen, etwa das Erdgasnetz zum Transport des klimafreundlichen Gases – ein neues Standbein, sollte der für den Klimaschutz notwendige Ausstieg aus fossilen Energieträgern tatsächlich realisiert werden.


Die größte netzgebundene Elektrolyseanlage Europas befindet sich im deutschen Laage bei Rostock. Sie hat eine Kapazität von zwei Megawatt. Notwendig wären allerdings Kapazitäten im Gigawatt-Bereich.
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Werbung für den Wasserstoff aus dieser Richtung beruft sich meist auf eine Abgrenzung zur Batterietechnologie. Echte E-Mobilität sei für den individuellen, urbanen Personenverkehr, abseits davon soll Wasserstoff als Energieträger dienen. Allerdings nicht in Verbrennungsmotoren, deren Tage mit dem Verschwinden fossiler Treibstoffe gezählt sein dürften.

Denn Wasserstoff ist zwar brennbar und lässt sich im Prinzip auch mittels Verbrennungsmotoren in Vortrieb verwandeln, doch angesichts der technologisch bedingten miserablen Wirkungsgrade von Verbrennungsmotoren von unter 50 Prozent zieht niemand das ernsthaft in Betracht. Die OMV setzt auf Brennstoffzellen, die Wasserstoff in Elektrizität verwandeln. Im Prinzip ist ein Wasserstoffauto nämlich ein Elektroauto mit einem wasserstoffbetriebenen Generator statt einer Batterie.

Das Konzept der Brennstoffzelle ist nicht neu, auch bei den Mondlandungen des Apollo-Programms der Nasa waren Brennstoffzellen mit an Bord. Dennoch sind Brennstoffzellen seit dieser Zeit nicht so günstig geworden, dass ein breiter Einsatz für den Individualverkehr angesichts günstigerer Batterienautos realistisch erscheint.

Warnung vor Taktik

Angesichts der nun festgestellten viel zu geringen Kapazitäten stellt sich die Frage, wie ernst es Politik und Wirtschaft wirklich mit dem Wasserstoff meinen. Die Forschenden warnen jedenfalls vor taktischen Spielchen. Wasserstoff könne nicht als Vorwand dienen, um die Einführung anderer leicht verfügbarer sauberer Optionen wie Elektromobilität oder Wärmepumpen zu verzögern: "Um Treibhausgasemissionen effektiv zu reduzieren und Klimarisiken zu begrenzen, müssen wir alle entscheidenden kohlenstofffreien Technologien mit vollem Einsatz skalieren." Als Ersatz für fossile Brennstoffe auf breiter Front sei Wasserstoff nicht geeignet.

Auch das deutsche Umwelt-Bundesamt findet deutliche Worte. Ein breiter Einsatz sei vor dem Hintergrund der Energieeffizienz nicht zweckmäßig, denn verglichen mit elektrolytisch hergestelltem Wasserstoff könne deutlich mehr fossile Energie ersetzt werden "wenn der erneuerbare Strom direkt eingesetzt wird". Also von der Steckdose in die vielgeschmähte Batterie geladen und von dort mit Elektromotoren direkt auf die Straße.

Der Wasserstoff, den Deutschland im Rahmen des neuen Abkommens mit Abu Dhabi aus den Emiraten bezieht, wird übrigens vorerst nicht "grün", also aus Erneuerbaren gewonnen sein, sondern "blau", was für die Produktion aus Erdgas steht. Angesichts des Ukraine-Kriegs kümmert das derzeit kaum jemanden, sofern überhaupt Gas erhältlich ist. Das Verhindern der Klimakrise hat derzeit nicht die höchste Priorität. (Reinhard Kleindl, 8.9.2022)