Der französische Präsident versucht sich einen neuen Anstrich zu geben: Auf dem Rugby-Feld sucht er neue Allianzen.

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Deutschland erhält ein Entlastungspaket, Großbritannien mobilisiert Milliarden – und Frankreich? Emmanuel Macron, der sich gerne als Macher inszeniert, schafft keinen großen Wurf. Seit der Parlamentswahl im Juni hat er keine Mehrheit mehr in der Nationalversammlung. Die erstarkte Linke und die Rechtspopulisten warten nur darauf, das Präsidentenlager in die Minderheit zu versetzen.

Dagegen sucht Macron nun vorzubauen. Am Donnerstag hat er im Sportzentrum Marcoussis südlich von Paris – wo sonst das Rugby-Nationalteam trainiert – die erste politische Initiative seiner zweiten Amtszeit (2022 bis 2027) lanciert. Sie heißt "Nationaler Rat der Neugründung", und trägt nicht zufällig das gleiche Kürzel "CNR" wie der legendäre "Nationale Widerstandsrat". Dieser hatte nach dem Zweiten Weltkrieg nach planwirtschaftlicher Manier das französische Sozialsystem geschaffen.

Macron will mit seinem Rat fünf Bereiche "neu gründen": Gesundheit, Umwelt, Schule, Arbeit und Alter. Nach der Lancierung in Marcoussis sollen lokale Komitees im ganzen Land Vorschläge erarbeiten; die Bevölkerung kann sich per Internet an den Diskussionen beteiligen, und die Regierung will die Vorschläge ab 2023 politisch umsetzen. Macron schloss am Donnerstag nicht aus, zu einzelnen Themen Volksabstimmungen zu organisieren.

Stupende Soloauftritte

Die Methode erinnert deshalb nicht nur an den glorreichen Widerstandsrat von 1944, sondern auch an die "große Debatte", die Macron 2019 in der Gelbwestenkrise organisiert hatte. Noch relativ frisch in der Politik, gelang es dem jungen Präsidenten damals mit mehrstündigen stupenden Soloauftritten, die Sozialkrise zu beruhigen.

Seine jüngste Initiative wirkt allerdings eher als Versuch zur Umgehung des Parlaments, wo die Macron-Partei "Renaissance" (früher: "La République en marche") mit Partnern nur noch 249 von 577 Sitzen belegt. Die weit rechts außen agierende Marine Le Pen und die Linke sprechen von einem "Ablenkungsmanöver". Grüne erinnern daran, dass Macron 2019 auch schon versprochen hatte, er werde die Empfehlungen eines eigens geschaffenen Klimarats "ohne Filter" übernehmen – um sie dann massiv zusammenzustutzen.

Geschlossener Boykott

All diese Oppositionsparteien boykottierten den Neugründungsrat geschlossen. Macron entgegnete in Marcoussis: "Wer nicht mitmacht, kann sich später nicht beklagen, dass man ihn nicht um seine Meinung fragt." Trotzdem folgten nur fünfzig Lokalpolitiker und wenige Sozialpartner seiner Einladung ins Rugby-Zentrum. Auch die französischen Medien fragen, was das Ganze bezwecke. Die kritischsten Stimmen glauben, der CNR sei ein "Flop", noch bevor er seine Arbeit aufgenommen habe.

Auch wenn es Macron schaffen sollte, die Debatte aus der Nationalversammlung zu verlagern, muss das Parlament zum Schluss darüber befinden. Aus diesem Grund muss Macron auch seine zentrale Rentenreform vor sich herschieben, nachdem er sie schon in der ersten Amtszeit (2017 bis 2022) hatte vertagen müssen.

Ein neuer Parteiname wie "Renaissance" oder ein neuer Ratsname wie "Refondation" werden da nicht viel helfen. Sie wirken wie ein bloßer politischer Neuanstrich. Den strebt Macron auch mit der Berufung eines neuen Spindoktors an. Frédéric Michel, der unter dem Medienmagnaten Rupert Murdoch groß geworden ist, zeichnet für die Imagepflege des Präsidenten verantwortlich. Macron volksnah auf dem Rugby-Feld zu präsentieren gehört wohl auch dazu. (Stefan Brändle aus Paris, 8.9.2022)