Die Frau in einem Heimwerkerladen südlich von Sydney hat Tränen in den Augen. Mit leicht zitternder Hand bedient sie die Kassa. "Ich kann es kaum glauben", sagt sie zum Kunden, "die Queen ist nicht mehr da. Einfach weg." Wegen des Zeitunterschieds zwischen Europa und dem Fünften Kontinent kam die Nachricht vom Tod von Königin Elizabeth II für die meisten Australierinnen und Australien beim Frühstück. Fernsehmoderatoren, gekleidet ganz in Schwarz, Direktübertragungen aus London, ohne Unterbrechung.

Die Queen ist tot – in Australien wird wieder über die Gründung einer Republik diskutiert werden.
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Australische Politiker teilten ihre Erlebnisse und Begegnungen mit ihrer Majestät. "Sie war sehr amüsant", erinnerte sich Ex-Premierminister Kevin Rudd. Auf den öffentlichen Gebäuden, aber auch in den Gärten von Privathäusern standen bald Flaggen auf halbmast.

Am Freitagabend (Ortszeit) wurden in der Hauptstadt Canberra 96 Salutschüsse abgefeuert, einer pro Lebensjahr ihrer Majestät. Die kommenden zwei Wochen gelten offiziell als Trauerzeit. Das Parlament hat seine Sitzungen abgesagt. Premierminister Anthony Albanese kündigte an, in den nächsten Tagen nach London zu fliegen, zur formell vollzogenen Abdankung der Monarchin und zu ersten Gesprächen mit König Charles III.

Jahrzehntelange Auflösungserscheinungen

Der frühere australische Premierminister John Howard meinte im Fernsehen, eines der größten Anliegen der Königin sei gewesen, "das Wohlergehen und das Fortbestehen des Commonwealth zu garantieren". Die Monarchin hatte viele der heute 54 Länder besucht, die dem Commonwealth of Nations angehören, wann immer es ihr Gesundheitszustand zuließ. 15 der Länder diente sie als Staatsoberhaupt, 14 ohne Großbritannien. Einige der Länder in diesem freiwilligen Verbund von Nationen haben in den vergangenen Jahrzehnten die Unabhängigkeit gesucht und auch gefunden. Zuletzt hat sich Barbados zur Republik erklärt.

Verschiedene Beobachter hatten im Lauf der Jahre gemeint, der Tod der Regentin würde auch das Ende des Commonwealth bedeuten, falls sich mehr Länder von der Krone abwenden und zur Republik werden.

In Australien, einem der größten und wichtigsten Länder im Commonwealth, war es 1999 beinahe so weit gekommen. Eine Volksabstimmung endete aber mit einem Nein zur Republik. Der Grund war weniger, dass Australien die Monarchie unbedingt beibehalten wollte. Viele Abstimmende befürchteten, im Fall einer Republik einen Politiker zum Präsidenten zu haben. Die Königin dagegen galt als Garantin von Stabilität, Zuverlässigkeit und Unbestechlichkeit. "Weshalb etwas ändern, wenn es doch funktioniert?", so die rhetorische Frage der Monarchiebefürworter damals. Seit dem Nein hatte unter Republikanhängern ein ungeschriebenes Gesetz gegolten, bis zum Tod von Königin Elizabeth keinen weiteren Anlauf zu nehmen in Richtung Republik.

VIDEO: In ganz Großbritannien versammelten sich Menschen, um gemeinsam um Queen Elizabeth II. zu trauern. Vor dem Buckingham Palace stimmten Fans der Monarchin die britische Nationalhymne an.

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Karten in Australien neu gemischt?

Das könnte sich unter Charles III ändern. Kaum war das Ableben der Monarchin bekannt geworden, forderte der australische Grünen-Chef Adam Bandt auf Twitter: "Wir müssen eine Republik werden." Die Forderung so bald nach dem Tod der Monarchin wurde zwar von Kommentatoren als respektlos bezeichnet. Seine Aussage lässt aber vermuten, dass die Republikdebatte in Australien eher früher als später erneut aufleben wird.

Verschiedene Auguren haben spekuliert, ein zweites Referendum zur Republikfrage könnte mit einem Ja enden. Dies nicht unbedingt, weil sich das Land seit 1999 von der Monarchie abgewendet hätte. Im Gegenteil: Australien war seither jahrelang von monarchietreuen konservativen Regierungen geführt worden – zeitweise vom wohl begeistertsten Monarchisten: Premierminister Tony Abbott ist ein gebürtiger Brite.

Vielmehr könnte die Republikbewegung von der Tatsache profitieren, dass Charles als Prinz nicht denselben Grad an Beliebtheit genossen hatte wie seine Mutter. Es gab zeitweise sogar Forderungen, die Krone solle direkt an seinen Sohn William gehen und Charles überspringen.

Die Kritik an Charles kommt aus unerwarteter Richtung. Am Freitag, nur Stunden nach dem Tod von Elizabeth II, warnte der frühere Außenminister Alexander Downer im australischen Fernsehen Charles, er solle als Monarch "nicht mehr so politisch sein" wie während seiner Zeit als Thronfolger. Der Ex-Politiker ist nicht der einzige Australier, dem Charles' bisheriges Engagement in Umweltfragen ein Dorn im Auge ist. Downer ist nicht nur ein führender Konservativer, er ist auch überzeugter Monarchist.

Zwiegespaltenes Neuseeland

Auch in Neuseeland reagierten die Menschen mit Bestürzung auf den Tod der Königin. Premierministerin Jacinda Ardern meinte, sie habe die Nachricht mit großer Trauer aufgenommen, verspüre aber eine tiefe Dankbarkeit der Monarchin gegenüber. "Hier ist eine Frau, die ihr Leben ganz und gar für den Dienst für andere hingab." Ardern ordnete an, die Flaggen auf halbmast zu setzen.

In Neuseeland hat es im Lauf der Jahre immer wieder Proteste gegen die Monarchie gegeben – allem voran vonseiten der ersten Bewohner, der Maori. 1981 wurde die Königin auf der Südinsel sogar Ziel eines Mordanschlags, 1986 wurde ihr Auto mit Eiern beworfen. Während Stimmen immer wieder fordern, Neuseeland solle eine Republik werden, gab es unter der Regentschaft von Elizabeth II keine ernsthaften Bemühungen für eine Trennung von der Krone. (Urs Wälterlin, 9.9.2022)

VIDEO-Nachruf: Sie war die dienstälteste Monarchin der Welt. Nun ist sie im Alter von 96 Jahren verstorben. Ein Nachruf in Bewegtbild.
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