Den Gebrüdern Grimm und Walt Disney ist es wohl zu verdanken, dass die Geschichten von Prinzessinnen, Königen und Ritterburgen heute wie damals die Menschen verzaubern. Wer ein wenig von dieser Magie spüren will und das nötige Kleingeld sowie genug Hingabe besitzt, kann auch heute noch Schlossherrin oder Schlossherr werden.

Wie das geht, weiß Siegbert Sappert von Hendrich Real Estate. Er ist als Makler auf historische Immobilien spezialisiert und hat selbst schon über 3000 Schlösser, Burgen und Paläste besucht. Auch aktuell wieder: DER STANDARD erreicht ihn telefonisch im Loiretal, wo er in einem Schloss seinen Urlaub verbringt.

Das Schloss Friedstein in der Obersteiermark steht derzeit zum Verkauf – Preis auf Anfrage.
Foto: Hendrich Real Estate

Er weiß, was es heißt, heute ein Schloss zu besitzen: Es gehe nicht mehr darum, nur auf dem Thron zu sitzen. Denn ein Schloss zu erhalten ist viel Aufwand. "Man ist betriebswirtschaftlich sehr gefordert. Wenn man keine Leidenschaft dafür hat, sollte man es nicht machen."

Den meisten Schlossherrinnen sei das bewusst. Sie wissen um den Wert und Charme der Objekte, kennen auch ihre moralische Verpflichtung, es für die Nachwelt zu erhalten, und sehen sich in der Tradition der Ahnen, die das Schloss zu dem gemacht haben, was es heute ist. "Es ist ein schönes Gefühl, ein Kulturgut zu behüten, dafür muss man eine gewisse Ehrfurcht mitbringen."

Auch Fridolin Angerer von Spiegelfeld Immobilien ist auf Schlösser spezialisiert. Er berichtet etwa von einem slowakischen Unternehmer, dem er zuletzt ein kleines Schloss in Tschechien verkauft hat. Der Mann habe sein Unternehmen verkauft und "das Wachküssen eines Schlosses als Aufgabe für seinen nächsten Lebensabschnitt gesehen", erzählt der Makler.

Vitaler Schlössermarkt

30 Schlösser sind in Österreich aktuell auf dem Markt, weiß Sappert. Er nennt den Markt "gesund und vital". Aktuell dürften dennoch etwas mehr Menschen als früher überlegen, ihr Schloss zu verkaufen, sagt hingegen Angerer. Anfragen zur Wertfeststellung für Schlösser bekomme er derzeit häufiger. "Die Schlossbesitzer denken darüber nach, sich kostengünstigere Immobilien zu suchen", sagt er. Oftmals wolle die nächste Generation das Schloss nicht übernehmen, oder die Eltern wollen ihren Kindern die Belastung nicht antun, ein so großes Objekt zu erhalten, so der Experte.

Das Schloss Leopoldsdorf bei Wien ist um 25 Millionen Euro zu haben.
Foto: Hendrich Real Estate

Die aktuellen Teuerungen scheinen auf den Schlossmarkt dennoch kaum Auswirkungen zu haben, sagt Sappert – obwohl viele mit Gas geheizt werden und die Energiepreise horrend sein dürften. "Wer sich ein Schloss kauft, hat so viel Geld, dass die aktuellen Entwicklungen keine Rolle spielen", sagt Sappert und rechnet beispielhaft vor: "Man rechnet anfangs mit zehn Millionen Euro, wenn man ein Schloss saniert, am Ende sind es doch 15. So ein Projekt ist vergleichbar mit einem Flughafenbau."

Die meisten Interessentinnen und Interessenten suchen ein Schloss als Wohnsitz für sich und ihre Familie. Oft soll es ein dritter oder vierter Wohnsitz werden. "Woanders wohnen die Menschen oft ganz konträr", sagt Sappert, etwa in einem blitzmodernen Penthouse in der Stadt. Viele wünschen sich zudem, dass zum Schloss ein großer Garten oder Park, eine Jagd oder ausreichend Platz für Pferdehaltung gehört.

Je kleiner, desto besser

Besonders begehrt sind Objekte in der Nähe von Wien mit bis zu 1200 Quadratmetern Wohnfläche. Je größer ein Schloss ist, desto schwerer lässt es sich verkaufen, sagt Angerer. Das liegt vor allem daran, dass große Flächen nur schwer beheizt werden können. "Mitunter gibt es Räume, in denen man im Winter Wasser ausschütten und dann darauf eislaufen kann", erzählt er. Auch sei der Wohnkomfort in einem Schloss oftmals geringer als etwa in einem Neubau.

Je kleiner, desto besser verkäuflich. So dürfte es auch beim Schlössl Seggau im Bezirk Amstetten sein. Der Angebotspreis liegt bei 739.000 Euro.
Foto: Hendrich Real Estate

Durch die Covid-Pandemie ist die Nachfrage nach Schlössern insgesamt etwas gestiegen. Die Kaufpreise seien zwar stabil, allerdings habe sich der Vermarktungszeitraum verkürzt: "Früher hat es drei bis sechs Jahre gedauert, ein Schloss zu verkaufen, heute sind es ein bis zwei Jahre", sagt Sappert. Wie der Immobilienmarkt generell habe sich auch jener für Schlösser vermehrt auf ländliche Regionen im Inland verlagert. Und auch die Strecke, die Interessentinnen und Interessenten bereit sind, von der Stadt bis zum Schloss zurückzulegen, habe sich ausgedehnt, weiß Sappert. Durch Homeoffice sei man örtlich flexibler geworden.

Und warum reizt das feudale Wohnen – trotz hoher Kosten und Mehraufwand? Wer ein Schloss kaufe, der entscheide sich bewusst gegen die Schnelllebigkeit unserer Zeit und dagegen, wie heute gebaut wird, sagt Angerer. "Dass für Jahrhunderte gebaut wird, das kann man von vielen neuen Immobilien nicht behaupten." Ein Schloss ist schon eher etwas für die Ewigkeit. (Bernadette Redl, 11.9.2022)