Der ORF sucht derzeit Agenturen für eine neue Imagekampagne, inspiriert von sinkenden Vertrauenswerten in mehreren Studien: ORF-Generaldirektor Roland Weißmann vor dem schon älteren Claim "ORF wie wir".

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Wien – Vertrauens- und Glaubwürdigkeitswerte des ORF gehen laut mehreren, insbesondere internen Untersuchungen zurück. Nach STANDARD-Informationen aus mehreren Quellen sucht der ORF nun Werbeagenturen für eine Imagekampagen, mit der er gegensteuern will. Die Akzeptanz des ORF als öffentlich-rechtliches Unternehmen spielt auch bei der GIS-Gebührenfinanzierung eine zentrale Rolle, die zwei Drittel der ORF-Einnahmen bringt.

Legitimation und Gebühreneinnahmen

"Legitimation und Relevanz hängen von der Glaubwürdigkeit ab – und damit auch die Gebühreneinnahmen des ORF", betont auch ORF-Stiftungsrat Heinz Lederer (SPÖ).

Für Lederer ist trotz Finanzkrise der aktuell "schwierigste Punkt" für den ORF und seine Führung "der Verlust an Glaubwürdigkeit", den "alle Untersuchungen" ergeben hätten. Lederer vermisst hier einen Bezug zur Lebensrealität des Publikums – "hier geht es um Jobs, um Arbeitslosigkeit, um Sorgen über Energiekosten und Teuerung", sagt der Stiftungsrat. Der ORF und seine Berichterstattung müssten "in die Mitte der Gesellschaft". Daran müsse der ORF nun "dramatisch arbeiten".

ORF lässt Agenturen präsentieren – auch für Ö3

Im ORF will man die gerade laufende Wettbewerbspräsentation unter großen Agenturen des Landes nicht kommentieren; sie schließt sich an eine, wie es heißt, turnusmäßige Wettbewerbspräsentation für Ö3 an. Gerade hat der Radiotest die Marktanteile von Ö3 erstmals merklich hinter jenem der Privatsender verortet. Auch beim ORF-Popradio, einer wesentlichen Stütze der ORF-Werbeeinnahmen, besteht also Handlungsbedarf.

Ablehnung der GIS

Eine der involvierten Agenturen soll nach STANDARD-Infos für die ORF-Präsentation eine eigene Befragung über die Akzeptanz der GIS in Auftrag gegeben haben. Die Agentur kommentierte den Pitch auf Anfrage nicht, das nach diesen Infos beauftragte Institut wollte eine solche Befragung nicht bestätigen. Kolportiert wird eine sehr breite Ablehnung der GIS in dieser Befragung in der Größenordnung von 80 Prozent.

2020 hat das Wiener Meinungsforschungsinstitut Gallup wie damals berichtet die Akzeptanz der GIS abgefragt und kam zum Ergebnis: Nur 34 Prozent der Befragten fanden die GIS "in Ordnung", 56 Prozent sprachen sich damals für ihre Abschaffung aus.

Vertrauen und Glaubwürdigkeit

Die jüngsten ORF-Daten über sinkendes Vertrauen und rückläufige Glaubwürdigkeit des ORF stammen von einer aktuellen Studie des Beratungsunternehmens Fehr Advice, das bereits 2018/19 eine große Studie für den ORF durchgeführt hat. Anlass damals: Die Schweizer Volksabstimmung über eine Abschaffung der Rundfunkgebühren dort und Überlegungen der damals noch ÖVP-FPÖ-Regierung in Österreich, die GIS-Gebühren abzuschaffen und den ORF aus dem Staatsbudget zu finanzieren.

Das Sora-Institut ließ der ORF nach STANDARD-Infos ebenfalls die Sicht der Bevölkerung auf den ORF abfragen. Die Ergebnisse signalisieren eine kritischere Haltung gegenüber dem ORF und seiner Berichterstattung, die man in der ORF-internen Analyse etwa auch auf einen sehr ausgeprägten Klima-Fokus und sprachliches Gendern zurückführt.

Der Digital News Report für Österreich sieht den ORF hier in einem breiteren Medientrend: Nach Vertrauens-Höchstwerten 2021 gehen bei vielen Medien die Werte nun wieder auf das Niveau vor dem Corona-Hoch zurück.

"Für den ORF kann das kritisch werden"

Sinkende Vertrauenswerte für den ORF alarmieren auch die von den Grünen entsandte ORF-Stiftungsrätin Sigrid Pilz. "Für den ORF kann das kritisch werden", sagt Pilz, die das Problem aber in größerem Kontext sieht: "Es gibt keine öffentliche Institution vom Bundespräsidentin abwärts, die nicht angeschüttet, desavouiert und unter Generalverdacht gestellt wird. Das ist extrem besorgniserregend."

"Vernunft vor Empörung"

Pilz hat eigene Erfahrungen als Patientenanwältin in Zeiten von Corona: "Wenn wir uns dem nicht entgegenstellen, wenn wir diesem Grundverdacht eines Teils der Bevölkerung Nahrung geben, dann werden wir die Demokratie nicht schützen können". Es gelte "Vernunft vor Empörung zu stellen".

"Wen wundert's", fragt Pilz, nach der Regierungsbeteiligung einer FPÖ, die "selbst dafür gesorgt hat, dass der ORF in Misskredit kommt" und die hinterfragt habe, "ob es den ORF überhaupt noch braucht". (fid, 10.9.2022)