Ein echtes Zebra und ein Faultier als Attraktion bei einer Verlobungsparty, Geburtstagsfeste für Chihuahuas oder ein Maklerevent, bei dem man sich Botox spritzen lassen kann? Was nach einem wirren Traum oder einem schlechten Drogentrip klingt, ist scheinbar Realität in den Kreisen von Immobilienmaklerinnen in Los Angeles. Zumindest lassen einen Netflix-Serien wie "Selling Sunset" oder "Selling the OC" das glauben.

Sie folgen dabei dem vermeintlichen Arbeitsalltag von Frauen – und neuerdings auch Männern –, die Chrishell, Davina, Gio oder Amanza heißen und Immobilien für The Oppenheim Group verkaufen. Die Luxusvillen kosten drei, 18, 40, 75 oder sogar 106 Millionen Dollar und bringen den Maklerinnen eine Provision im fünf- bis sechsstelligen Bereich ein.

Der Infinitypool ist in der Luxusvilla so selbstverständlich wie die High Heels an den Füßen der Maklerinnen.
Foto: Netflix

Der Immobilienverkauf ist allerdings nur Nebensache, das zeigt sich rasch. Statt "Lage, Lage, Lage" zählt hier "Drama, Drama, Drama". Gelästert wird etwa über den zu billigen Verlobungsring einer Kollegin – Achtung, kein Diamant! –, über ein "Hallo, wie geht’s?", das nicht aufrichtig gemeint war, oder darüber, wer den Paparazzi ein unvorteilhaftes Foto zugespielt hat – und zwar absichtlich. Solidarität unter Frauen sieht anders aus, auch wenn in der Serie immer wieder betont wird, wie sehr man einander doch unterstütze.

Es dauert beim Zusehen also nicht lange, bis man sich unweigerlich fragt: Warum schaue ich mir das an? Zunächst sind es die Immobilien, die wohl die meisten überhaupt auf den Play-Button drücken lassen. Immerhin interessiert uns seit jeher, wie andere Menschen wohnen; wenn das noch dazu weit außerhalb dessen liegt, was für die meisten von uns je leistbar sein wird, schauen wir umso lieber hin. Eskapismus und Voyeurismus pur!

Die Outfits fallen auf, im Alltag dürften sich aber selbst Maklerinnen in Los Angeles nicht so kleiden.
Foto: Netflix

Und jeder von uns wohnt schließlich irgendwie, und daher "betrifft" das Thema alle. Da stellt man sich schnell vor, wie man es selbst finden würde, zwei Geschirrspüler zu besitzen, einen Infinitypool, Stellplätze für 25 Autos, ein Bett, das vor einer atemberaubenden Aussicht rotiert, einen Golfplatz auf dem Dach, ein Schlafzimmer, dessen Decke sich öffnen lässt, oder einen LED-Screen, der im Garten aus dem Boden auftaucht und so groß ist wie ein Fußballtor.

Schlechter Geschmack

Oder – und das macht noch viel mehr Spaß – man urteilt über den schlechten Geschmack so mancher Millionäre. Da gibt es etwa die Versace-Villa, in der das markentypische Muster nicht nur auf dem Geschirr prangt, sondern auch auf Teppichen und Tapeten – inklusive Holzvertäfelung bis unter die Decke und einer Couch der Automarke Bentley. Oder Gärten, die zwar wenig Arbeit machen dürften, aber der Vorstellung einer grünen Oase, wie man sie sich hierzulande wünscht, nur wenig entsprechen, weil entweder Kunstrasen verlegt oder alles zubetoniert ist und kein einziger Grashalm wächst.

Ein neues Büro der "Oppenheim Group" hat in Orange County aufgemacht, die passende Serie dazu gibt es seit August auf Netflix zu sehen.
Foto: Netflix

Irgendwann kommt dann der Moment, in dem man sich denkt: "Unmöglich, wie sich die benehmen!" – und man beschließt, dass diese Intrigen, der Sexismus und die Verherrlichung des Kapitalismus nicht mehr auszuhalten sind. In dem Moment ist es aber eigentlich schon zu spät: Man ist angefixt, wird zur Schaulustigen, fragt sich, ob die fiese Maklerin ihre verdiente Abreibung in der nächsten Folge noch bekommt – Cliffhanger und Netflix’ automatisches Abspielen der nächsten Episode tun ihr Übriges.

Fiktion und Realität

Die Ausrede vor anderen und vor sich selbst ist dann weiterhin das Interesse für Immobilien, in meinem Fall noch dazu ein berufliches. Doch wie realistisch sind die Darstellungen in der Serie überhaupt? Die Maklerinnen und Makler haben tatsächlich alle eine Lizenz, und auch ihre Abschlüsse aus der Serie sind tatsächlich über die Bühne gegangen, beteuert The Oppenheim Group immer wieder.

Die Dramen sind der Hauptinhalt der Serien – wenn sie sich zumeist auch in Villen abspielen, die mehrere Millionen kosten.
Foto: Netflix

Die Intrigen sind freilich inszeniert, und auch die Outfits dürften dem großen Auftritt vor einem Millionenpublikum geschuldet sein. "Ich habe immer wieder mit Kolleginnen in den USA zu tun", sagt etwa die Wiener Luxusimmobilienmaklerin Elisabeth Rohr, "und die meisten von ihnen entsprechen nicht dem Bild aus der Serie, sie sind erfreulich normal." Doch auch Rohr hat es erwischt, immer wieder einmal habe sie in die Serie reingeschaut. Ihre Kinder hätten sie darauf gebracht und freilich: das Interesse für Immobilien. (Bernadette Redl, 14.9.2022)