Über die Staatsanwaltschaften wacht – neben Justitia – künftig vermutlich eine Generalstaatsanwaltschaft.

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Wer soll künftig über die Arbeit der Staatsanwaltschaften und Oberstaatsanwaltschaften in Österreich wachen? Mit dieser Frage hat sich in den vergangenen Monaten eine hochkarätig besetzte Arbeitsgruppe aus verschiedenen Bereichen der Verwaltung und der Justiz beschäftigt. Klar war nur eines: Die Justizministerin oder der Justizminister soll künftig nicht mehr an der Weisungsspitze stehen. So soll politischer Einfluss auf Strafverfahren verhindert werden – beziehungsweise der Anschein, dass es solchen geben könnte.

Nach vielen Debatten hat sich die Arbeitsgruppe nun auf ein Modell verständigt. Die rund 25 Mitglieder haben ihren Abschlussbericht in einer Sitzung am Donnerstag mit breiter Mehrheit angenommen. Der Vorschlag, der dabei herausgekommen ist: Die Generalstaatsanwaltschaft soll bei der Generalprokuratur angesiedelt werden und aus mehreren Dreiersenaten bestehen.

Weisungsfreie Senate

Die Generalprokuratur ist jene Staatsanwaltschaft, die vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) verhandelt und als Hüterin des Rechts gilt. Diese Aufgabe wird sie auch künftig beibehalten, dazukommen soll eben die Funktion als Fachaufsicht über die Staatsanwaltschaften. Dafür braucht es dann keinen Weisungsrat mehr, und auch das Justizministerium würde seine Aufsichtsrolle verlieren. Die Generalprokuratur müsste um entsprechende Planstellen aufgestockt werden.

Aus jetziger Sicht soll einen Senat der Generalprokurator leiten, zwei andere dessen Stellvertreter. Sie sind allesamt weisungsfrei gestellt, die Stimmenmehrheit entscheidet. Besetzt werden sollen die Senate aus den Staatsanwaltschaften, gefragt ist langjährige Erfahrung. Personalkommissionen sollen diese Leute aussuchen.

Knackpunkt Kontrollrecht

Die große und ungeklärte Frage ist, wie die Generalstaatsanwaltschaft kontrolliert werden soll. Anzunehmen ist, dass das Parlament die Kontrolle wird haben wollen. Das wird in den politischen Verhandlungen wohl die größte Rolle spielen. Der Vorschlag der Arbeitsgruppe ist keineswegs bindend, sondern Ausgangspunkt für die koalitionsinternen Verhandlungen. Das Justizministerium steht bekanntermaßen unter Leitung von Alma Zadić (Grüne), ihre Gesprächspartnerin hier ist Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). Sie hat bereits klargemacht, dass es ohne parlamentarische Kontrolle nicht gehen wird.

Zu hören ist in dem Zusammenhang, dass es auch Forderungen gibt, einen Ständigen Unterausschuss im Parlament einzurichten, wie beispielsweise für die Kontrolle der Nachrichtendienste. Die Vertreter der Staatsanwaltschaften wollen jedenfalls verhindern, dass Abgeordnete über laufende Verfahren informiert werden könnten.

Einwände von ÖVP-nahem Juristen

Nicht einverstanden mit dem Ergebnis der Arbeitsgruppe und dem Abschlussbericht ist dem Vernehmen nach der Rechtsanwalt und Strafrechtsprofessor Peter Lewisch. Seine Einwände (dissenting opinions) werden sich im Abschlussbericht widerspiegeln, weil dort alles genau festgehalten wurde. Lewisch soll sich unter anderem dafür ausgesprochen haben, dass die Senate auch mit Personen besetzt werden können, die nicht die Voraussetzungen fürs Richteramt erfüllen (wie das etwa Staatsanwälte tun).

Er sei mit seiner Meinung aber recht isoliert geblieben, sagen mehrere Sitzungsteilnehmer. Lewisch gilt als ÖVP-nah, er hat unter anderem für Sebastian Kurz (ÖVP) ein Gutachten verfasst, in dem er "keine konkrete Verdachtslage" gegen den Ex-Kanzler feststellte. Weil das Privatgutachten mit dem Logo der Universität Wien versehen war, fasste Lewisch eine Zurechtweisung von Rektor Heinz Engl aus.

Aus dem Justizministerium: "Gestern fand die letzte Arbeitsgruppensitzung statt, in der der Abschlussbericht besprochen wurde. Nun werden die Stellungnahmen im Haus eingearbeitet und der Bericht finalisiert."(Renate Graber, Fabian Schmid, 9.9.2022)