Um ihre Anteilnahme zu zeigen, legen viele Menschen Blumen und kleine Briefe vor den Buckingham Palace. Auch die britische Nationalhymne wurde gemeinsam gesungen.

Foto: AP/Kirsty Wigglesworth

Nach dem Tod von Queen Elizabeth II ist die Anteilnahme auf der ganzen Welt enorm. Unzählige Trauerbekundungen füllen Twitter und andere soziale Medien. Praktisch alle Staatsoberhäupter und relevanten Amtsträger haben kondoliert, ebenso wie viele Künstler.

Nicht nur Menschen, die die Queen persönlich kannten, sind erschüttert. Vor den Toren des Buckingham Palace legen immer mehr Menschen Blumen ab, um sich von ihrer Königin zu verabschieden. Und auch über die Grenzen Englands hinaus fühlen Menschen Trauer oder zumindest eine Art der Betroffenheit. Warum ist das so? Warum löst der Tod einer alten Frau, die für Österreich im Grunde keine Relevanz hat, auch hierzulande so starke Emotionen aus?

Konstanz und Sicherheit

"Für die meisten war die Queen von England ihr gesamtes Leben präsent", erklärt Kerstin Schuller, Gesundheitspsychologin bei der Onlineplattform für psychologische Beratung Instahelp. "Das hat eine gewisse Konstanz und enorme Standhaftigkeit vermittelt." Die Monarchin saß ja so lange auf dem britischen Thron wie niemand vor ihr – 70 Jahre und 214 Tage. "Gerade in Zeiten, in denen es an Standhaftigkeit und Konstanz mangelt und große Unsicherheit herrscht, schmerzt der Tod einer solchen Person besonders," sagt die Psychologin. "Auf einmal ist jemand, der immer präsent war, weg."

Dazu kommt, dass mit dem Ableben der Queen natürlich auch eine Ära zu Ende geht. Die Nachfolge ist zwar ganz klar geregelt, Charles III ist bereits der neue König. Trotzdem ist nicht klar, wie sich der Tod auf gesellschaftliche und politische Verhältnisse auswirken wird. Das macht alte politische Fragen wieder akut, die zuletzt nicht so stark thematisiert wurden. Es bedeutet weitere Unklarheit in einer Zeit, in der ohnehin vieles schwierig ist.

Zum jetzigen Zeitpunkt unerwartet kam die Todesnachricht vor allem auch, weil die Queen zwei Tage zuvor noch in den Medien zu sehen gewesen war. Sie hatte Liz Truss zur neuen Premierministerin von England ernannt. Zu diesem Zeitpunkt ahnte niemand, dass der Buckingham Palace nur zwei Tage später die Nachricht von ihrem Tod bekanntgeben würde. "Wenn eine solche Meldung plötzlich auftaucht, ist das erstmal für viele ein Schock", erklärt Schuller. Da sei es auch nur wenig Trost, dass sie mit 96 ein wirklich stolzes Alter erreicht hat.

Ein Märchen geht zu Ende

Egal ob man ein Fan des britischen Königshauses ist oder nicht: Der Tod der englischen Königin bewegt viele Menschen. Das hänge auch damit zusammen, dass "wir in unserem Kulturkreis das Thema Tod gern beiseiteschieben", weiß die Expertin. Wenn nun aber eine Person wie die Queen stirbt, dränge sich das Thema unweigerlich in den Vordergrund. Schuller erklärt: "Wir denken dann plötzlich daran, dass es einen selbst oder auch einen geliebten Menschen treffen kann. Vielleicht auch die Oma, die eigentlich sehr agil wirkt – die Gefühle, die dann in uns hochkommen, fühlen sich unangenehm an und berühren uns."

Neben der eigenen Verletzlichkeit, die eine solche Nachricht auslösen kann, geht auch ein Märchen zu Ende. Das Märchen der Prinzessin, die als sehr junges Mädchen plötzlich Königin wurde. "Und das Thema Prinzessin und Königshaus übt immer noch eine enorme Faszination aus." Das mag wohl auch an Pomp und Zeremoniell liegen. Die Tatsache, dass man diese Welt nur aus Geschichten und aus dem Fernsehen kennt, mache sie für viele zu etwas nicht Greifbarem. Wenn dann ein einschneidendes und reales Erlebnis wie der Tod eintritt, "ist das oft besonders erschütternd und beängstigend", weiß die Psychologin. (Jasmin Altrock, 10.9.2022)