Als Martin Papouschek nach dem Lehrabschluss einen Arbeitsplatz als selbstständiger Tischler sucht, aber nicht findet, entsteht die Idee einer geteilten Werkstatt.

Foto: Regine Hendrich

Seit rund zehn Jahren wird im Werksalon getischlert – sowohl Profis als auch Hobbytischler kommen in die offene Werkstatt.

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Eine Tischlerei zu gründen kam für Antoinette Rhomberg und Martin Papouschek nie infrage. "Davon gibt es schon genug, wir wollten etwas machen, das wirklich zu uns passt", sagt die gebürtige Vorarlbergerin. Im Jahr 2013 gründen die beiden den Werksalon im 22. Wiener Bezirk. Angelehnt an den Begriff Coworking-Space für Schreibtischarbeiten, wollen die studierte Betriebswirtin und der Tischlermeister mit ihrem Comaking-Space einen geteilten Arbeitsort für verschiedene Handwerke bieten.

Wer den Werksalon auf der Stadlauer Straße besuchen möchte, muss erst das alte Fabrikgelände überqueren. Folgt man den Schildern bis ans Ende, wird man von einem Outdoorbereich mit Kräuterbeeten, Blumentöpfen und Liegestühlen empfangen. Die schweren Türen zur Werkstatt sind weit geöffnet, beim Eintreten liegt der Geruch von Holz und Sägespänen in der Luft. Im Hintergrund surren und klappern die Maschinen.

Im Comaking-Space, wie die Gründer Antoinette Rhomberg und Martin Papouschek den Werksalon nennen, kommen verschiedene Disziplinen zusammen.
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"Nach fast zehn Jahren sind wir nun da angekommen, wo wir immer hinwollten", erzählt Gründerin Rhomberg, während sie eine Melange mit Hafermilch zubereitet. Gerade sind die beiden aus ihrem fünfwöchigen Urlaub zurückgekehrt. Während der letzten zweieinhalb Jahre Pandemie hätten die Werkstattbetreiber durchgearbeitet, sofern es die Corona-Maßnahmen zuließen.

Und auch die Anfänge der Selbstständigkeit seien nicht immer einfach gewesen. Papouschek sei kein Handwerker der ersten Stunde, sagt er. Erst Ende 20 entscheidet er sich für den Tischlerberuf, absolviert eine Lehre und macht danach den Meister. Auf der Suche nach einem Arbeitsplatz als selbstständiger Tischler stößt er auf keine offenen Ohren. "Sich in einen Betrieb einzumieten schien damals unmöglich", erzählt er.

Neue Arbeitskonzepte

Eine Werkstatt nur für sich zu eröffnen sei dennoch keine Option gewesen. Man brauche viele Maschinen für die Arbeit, aber immer nur für einen bestimmten Arbeitsschritt. Gerade im urbanen Raum komme außerdem der Platzmangel hinzu: "In der Stadt zahlst du für jeden Quadratmeter. Und im Gegensatz zu anderen Handwerksberufen brauchen wir die Werkstatt auch, um unsere Waren zu fertigen und zwischenzulagern", sagt er.

Auf der Suche nach neuen Arbeitskonzepten treten die beiden eine Weltreise an und stoßen auf Best-Practice-Beispiele rund um den Globus. "In Singapur gab es Produktionsstätten für Backwaren, die von verschiedenen Firmen genutzt wurden. In Toronto haben wir eine geteilte Glasbläserei besucht", sagt Rhomberg. Am meisten faszinieren die beiden jedoch Orte, an denen mehr als eine Disziplin zusammenkommt. Vor allem im Bereich Kunst und Design gebe es immer schon geteilte Ateliers und Studios, in denen Kreative aus unterschiedlichen Bereichen werken.

Zurück in Österreich, gründen sie den Werksalon. "Jetzt kennt und versteht jeder das Konzept von Sharing Economy, aber damals war das für viele komplett neu. Ein Beispiel dafür: Erst 2010 ist der Carsharing-Service Car2Go mit 50 Autos nach Wien gekommen", erklärt die Gründerin. Zwei Jahre habe es gedauert, bis die Gemeinschaftswerkstatt – die ebenfalls geteilte – Betriebsanlagengenehmigung bekommen habe. Bis dahin sei eine gewerbliche Nutzung nicht möglich gewesen.

Geteilte Aufträge

"Wir sind also eher aus einer Notsituation zu unserem zweiten Unternehmensstandbein gekommen", erzählt Rhomberg. Obwohl mittlerweile alle langfristigen Arbeitsplätze vermietet sind, geben die beiden immer noch wöchentlich Tischler-Workshops für Privatpersonen. Mehr als 2000 Möbelstücke wurden bislang von Freizeittischlerinnen und Hobbyhandwerkern gefertigt. Freie Plätze gibt es im Werksalon nur mehr für projektbasiertes Arbeiten. Auch im oberen Bereich der Werkstatt sind alle Tische belegt. Selbstständige aus den Bereichen Mode, Design und Marketing gehen hier ihrer Arbeit nach.

Im oberen Bereich der offenen Werkstatt gehen Selbstständige aus den Bereichen Mode, Design und Marketing ihrer Arbeit nach.
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Eine der insgesamt 24 Mieterinnen und Mieter ist Marlene Schöninkle – die 41-jährige Tischlerin hat seit letztem Jahr einen Studioplatz im unteren Bereich des Werksalons. Aktuell hilft sie einer weiteren Werkstattkollegin bei einem Projekt aus. Nicht nur Arbeitsfläche und Werkzeuge, sondern auch Aufträge werden in der Gemeinschaftswerkstatt geteilt: "Wir beauftragen uns gegenseitig, wenn wir Unterstützung brauchen", sagt Papouschek.

Fehlende Fachkräfte

Und an Aufträgen für Handwerker fehlt es nicht – ganz im Gegenteil. Auch heuer ist die Liste der bundesweiten Mangelberufe in Österreich noch einmal länger geworden. Konkret bedeutet das: In mehr als 60 Berufen stehen weniger als 1,5 Arbeitssuchende pro offene Stelle zur Verfügung. Während Kellner in diesem Jahr neu hinzugekommen sind, fehlen Bau- und Möbeltischlerinnen schon seit Jahren auf dem heimischen Arbeitsmarkt. Was bei der Personalsuche hilft, haben einige Unternehmen schon für sich entdeckt: flexible Arbeitszeiten und allen voran das Angebot einer Viertagewoche. Immer wieder berichten Produktionsbetriebe von einem Anstieg an Bewerbungen seit einer Verkürzung der Arbeitswoche. Auch Rhomberg und Papouschek arbeiten nur vier Tage pro Woche – und einige Mieterinnen und Mieter würden es ihnen gleichtun.

Vor allem Gründer am Anfang ihrer Karriere seien hier tätig, aber auch Ältere, die gegen Ende ihrer Berufslaufbahn in die Selbstständigkeit wollen, finden sich unter den Mieterinnen und Mietern. Verlassen hätten die Gemeinschaftswerkstatt bislang nur jene, die aus dem Werksalon "hinausgewachsen" seien, sagt Rhomberg. Sobald Großaufträge angenommen werden, würde der Platz in der geteilten Arbeitsstätte nicht mehr ausreichen. "Das sind dann auch keine Jobs mehr für Einpersonenunternehmen, ab dem Zeitpunkt haben viele auch schon eigene Mitarbeitende."

Ausbaufähiges Angebot

Derzeit absolviert eine Person eine außerordentliche Lehre zur Tischlerin im Werksalon. Ein Lehrbetrieb im klassischen Sinn soll die offene Werkstatt aber nicht werden. Das Interesse am Handwerk sei unter Kindern und Jugendlichen jedoch gegeben, sagt Rhomberg. Letztes Jahr seien 50 Mädchen zwischen sechs und 16 Jahren zum Töchtertag in die Gemeinschaftswerkstatt gekommen, um selbst Holzwaren zu fertigen. "Um junge Menschen über solche Initiativen hinaus zu betreuen, fehlen uns aber die Ressourcen, sowohl personell als auch was die Arbeitsfläche betrifft."

Doch nicht nur das Freizeitangebot für Junge sei im Handwerk ausbaufähig, sondern auch das Angebot zur geteilten Nutzung von Ressourcen. Ob es ihre Mission sei, die Sharing Economy in Österreich noch weiter voranzutreiben? Nein, sagen Rhomberg und Papouschek. Das könnten ruhig andere machen. (Anika Dang, 10.9.2022)