Das Theater von Ephesos war in der Antike ein Prachtbau in einer der ältesten und größten Städte Kleinasiens.
Foto: ÖAW-ÖAI/N. Gail

Gladiatorenkämpfe hatten in der Antike hohen Unterhaltungswert und lockten Tausende Zuschauerinnen und Zuschauer an. Für das Theater von Ephesos war großer Andrang kein Problem: Mehr als 20.000 Personen fanden auf den Publikumsrängen sitzend Platz. Aber auch künstlerische Darbietungen fanden hier statt und Volksversammlungen – die sogenannten Ekklesia. Einem Forschungsteam der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ist es nun gelungen, die Bau- und Renovierungsgeschichte des imposanten Gebäudes zu rekonstruieren.

Dem Gladiator Stephanos wurde im 3. Jahrhundert nach Christus in Pfeilerform ein Ehrendenkmal gesetzt. Der Pfeiler befand sich vermutlich in der Säulenhalle oder am Gang des obersten Sitzbereichs.
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Die Ruinen von Ephesos befinden sich heute in der Türkei, etwa 70 Kilometer südlich von İzmir, unweit der ägäischen Mittelmeerküste. Der Tempel der Göttin Artemis – eines der sieben Weltwunder – zeugt von der einstigen Bedeutung der Metropole, heute lässt sich der damalige Glanz der Bauwerke nur noch erahnen. Das Theater beeindruckt aber nach wie vor mit seiner schieren Größe. Begonnen wurde der Bau in hellenistischer Zeit, in dieser Epoche zählte das ephesische Theater bereits zu den großen Theaterbauten Kleinasiens.

Zugängliche Chronologie

In weiteren Ausbaustufen ab dem 1. Jahrhundert nach Christus bis in die erste Hälfte des 2. Jahrhunderts entstand einer der größten kleinasiatischen Theaterräume der römischen Kaiserzeit mit einem Durchmesser von annähernd 150 Metern. Die rekonstruierte Baugeschichte zeigt ein nun veröffentlichtes Open-Access-Buch des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) der ÖAW: Dargestellt wird in "Der Zuschauerraum des Theaters von Ephesos" erstmals eine genaue Chronologie der einzelnen Bauphasen, von der Errichtung bis zu den Restaurierungsmaßnahmen ab dem 20. Jahrhundert.

Seit langem graben Vertreterinnen und Vertreter der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Ephesos.
Foto: ÖAW-ÖAI

2017 hat das ÖAI die archäologischen Befunde des Großen Theater der antiken Metropole in Buchform veröffentlicht. Im zweiten Band zu dem Monument folgen nun die Ergebnisse der jüngsten Bauforschungen im Zuschauerraum. Ein dritter Band zum Bühnengebäude ist derzeit in Planung.

Umnutzung und Sicherheit

Gudrun Styhler-Aydın, Leiterin der Gruppe "Bauforschung" am ÖAI, beantwortet in dem Buch unter anderem Fragen etwa nach Gestalt und Größe des hellenistischen Theaters und nach der Art und Weise, wie die römische Baukunst das "griechische Theater" adaptierte. Es zeigt auch, wie in der spätantik-frühbyzantinischen Zeit durch bauliche Maßnahmen und Umnutzungen versucht wurde, das Theater zu erhalten.

In der römischen Kaiserzeit zierte diese bartlose tragische Maske das Theater. Die Augen waren damals nicht leer: Die Iris bestand aus einem anderen Material und wurde extra eingesetzt.
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Noch in der Nutzungszeit wurden Bereiche des Baus aus Stabilitätsgründen teilweise massiv vermauert und einzelne Räume verfüllt, um die Sicherheit der Theaterbesucher nicht zu gefährden. Für die Forscherinnen und Forscher ist das ein Glücksfall, denn die im Füllmaterial enthaltenen Funde wie Keramik oder Münzen geben weitere Hinweise für die zeitliche Einordnung der Nutzungs- und Verfallsphasen.

Die Südseite des Theaters mit ihrer Außentreppe.
Foto: ÖAW-ÖAI/N. Gail

Verschüttetes Juwel

Bis in die 1970er-Jahre war das Theater verschüttet. Erst durch die völlige Freilegung und den Einsatz von 3D-Laserscans ab den 2000er-Jahren konnte das Monument so dokumentiert werden, wie es erhalten geblieben ist. Gut sichtbar sind seither der freiliegende Unterbau der Sitzstufen, Treppen und Umgänge mit Details zur Konstruktion, aber auch Beschädigungen, etwa durch Erdbeben.

So sah bei früheren Grabungen die nördliche Hälfte des Theaters aus – inklusive Orchestra, Zuschauerraum und einem Teil des Bühnengebäudes.
Foto: ÖAW-ÖAI

Österreichische Archäologinnen und Archäologen haben eine wichtige Rolle in der Erforschung dieses Bauwerks gespielt. Sie dürfen nach politischen Spannungen zwischen Österreich und der Türkei sowie Schwierigkeiten während der ersten beiden Jahre der Coronapandemie wieder an den Forschungsstätten von Ephesos und anderen bedeutsamen Fundstellen in der Region arbeiten. (APA, red, 12.9.2022)