Ronnie Kasrils (83), einer der ersten Bombenleger des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) und Geheimdienstminister im befreiten Südafrika, wird es schlecht bei dem Gedanken, dass Königin Elizabeth posthum sogar als Anti-Apartheid-Kämpferin gefeiert wird. In den Nachrufen zum Tod der Monarchin will neben der "Financial Times" auch der linksliberale "Guardian" wissen, dass Elizabeth II über den Südafrika-Kurs Maggie Thatchers zutiefst unglücklich gewesen sei.

"Du bist aber schlank geworden, Elizabeth!" – "Du siehst auch nicht schlecht aus, Nelson."
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Beweise für diese Gewissheit mussten die Zeitungen allerdings schuldig bleiben – allein schon wegen der politischen Zurückhaltung, die der britischen Herrscherin auferlegt wird. Bekanntlich hatte sich die Eiserne Lady stur gegen einen Boykott des Apartheid-Regimes gesperrt und Nelson Mandela einen "Terroristen" genannt. Die Queen – im Herzen eine Anti-Apartheid-Kämpferin? "Allein der Gedanken macht mich krank", stöhnt Kasrils.

Alles nur ein Missverständnis?

Das Missverständnis könnte dem innigen Verhältnis der Queen mit Nelson Mandela zuzuschreiben sein: Zumindest nach der Freilassung des Helden des Anti-Apartheid-Kampfs verband die beiden Adligen ein starkes Band. Unter Freunden soll Mandela Großbritanniens Königin "Lizzie" genannt haben, erzählt seine Tochter. Und als er Mitte der 1990er-Jahre als Südafrikas Präsident den Buckingham Palace besuchte, begrüßte er die königliche Gastgeberin mit den Worten: "Du bist aber schlank geworden, Elizabeth!" Deren Replik: "Du siehst auch nicht schlecht aus, Nelson." Mandela sei der einzige Politiker gewesen, der Ihre Hoheit mit dem Vornamen anredete, erinnert sich Mandelas persönliche Assistentin Zelda le Grange: "Der Queen hat das gefallen."

Als sich der verlorene Enkelsohn Harry im vergangenen Jahr über Rassismus am britischen Königshof beschwerte, kann er seine die Großmutter nicht gemeint haben: Die ist über den Vorwurf erhaben. Während ihrer 70-jährigen Regentschaft blieben Elizabeth II rassistische Aussetzer erspart: Ihre zahllosen Reisen auch in die afrikanischen Staaten des Commonwealth schützten sie vor Tunnelblick.

Ein kleines Tänzchen

Überhaupt stellte das Commonwealth für die machtbeschnittene Staatslenkerin das beste Gefährt dar, mit dem vom Empire noch gerettet werden konnte, was zu retten war. Während ihrer Amtszeit als Oberhaupt des Commonwealth stieg die Zahl der Clubmitglieder unaufhörlich an: Mit Togo und Benin schließen sich dem englischen Verein zunehmend auch Afrikas frankophone Staaten an.

Zur Förderung des Nachlassverwalters des Empires tat die Monarchin fast alles, sogar tanzen. Als sie beim Besuch des unabhängigen Ghana 1961 auf dessen Präsidenten Kwame Nkrumah stieß, wurde ihr geraten, mit dem Sozialisten und Propheten der Afrikanischen Einheit das Tanzbein zu schwingen: Auf diese Weise könne Nkrumah womöglich wieder von seinem prosowjetischen Kurs abgebracht werden, soll ihr bedeutet worden sein.

Ihre Majestät gehorchte und legte mit Ghanas Staatschef einen flotten Foxtrott hin. Ghana blieb im Commonwealth, und aus dem westafrikanischen Staat wurde einer der engsten Freunde des Vereinigten Königreichs. So zumindest geht die Legende. (Johannes Dieterich, 9.9.2022)