New York am 8. November 2006, einem Mittwoch: Spätnachmittags hatte hartnäckiges Nieseln eingesetzt, das sich bis zum frühen Abend zu einem veritablen Schnürlregen auswuchs. Davon völlig unbeeindruckt standen Celebritys, Galeristen und Kunstpromis Schlange vor dem Rockefeller Plaza. Der enorme Andrang war einer von Christie’s als Jahrhundertauktion vermarkteten Versteigerung geschuldet, mit der auch ein unrühmliches Kapitel österreichischer Restitutionspolitik zu Ende gehen sollte.

Kommt Gustav Klimts "Birkenwald" zur Versteigerung, könnte das Gemälde von 1903 gut 50 oder auch 70 Millionen Dollar einspielen.
© Courtesy Paul G. Allen Family Collection

Im Mittelpunkt dieses – auch aufgrund der Verfilmung (Die Frau in Gold (Women in Gold), Simon Curtis, 2015) – international berühmten Falls standen fünf Gemälde von Gustav Klimt, die einst dem Zuckerindustriellen Ferdinand Bloch-Bauer gehörten, dessen Sammlung in der NS-Zeit beschlagnahmt worden war.

Causa Bloch-Bauer

Eine Restitution der über Jahrzehnte in der Österreichischen Galerie Belvedere verwahrten Bilder blieb den Erben auch nach der Einführung des Kunstrückgabegesetzes vorerst verwehrt und wurde erst in einem Schiedsverfahren 2006 entschieden: zugunsten der von Maria Altmann, der Nichte von Ferdinands Ehefrau Adele Bloch-Bauer, angeführten Erbengemeinschaft.

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Paul Allen (1953–2018) war nicht nur engagierter Philanthrop, sondern auch Kunstsammler.
Foto: 2014 Getty Images

Auf ein zeitlich befristet eingeräumtes Vorkaufsrecht verzichtete die Republik, und die Klimt-Bilder wanderten zum Zwecke des Verkaufs schließlich in die USA ab. Das 1907 von Klimt gemalte Porträt Adele Bloch-Bauer I wechselte im Juni 2006 über einen von Christie’s vermittelten Private Sale für 135 Millionen Dollar in den Besitz Ronald Lauders, der dieser "Goldenen Adele" in seiner Neuen Galerie in New York ein öffentlich zugängliches Domizil bot. Der exorbitante Kaufpreis war damals der höchste in der Geschichte des Kunstmarktes je bezahlte. Ein Coup mit Signalwirkung, der den Wert von Klimt-Werken in die internationale Topliga hievte. Dementsprechend höher setzte Christie’s dann die Schätzwerte für die anderen vier restituierten Bilder an, die an eingangs erwähntem Novemberabend zur Versteigerung kamen.

Bunte Adele für Oprah

Den höchsten Zuschlag des Abends erteilte das Auktionshaus für das "bunte" Porträt Adele Bloch-Bauer II (1912) bei 87,93 Millionen Dollar (68,7 Mio. Euro), gefolgt von 40,33 Millionen Dollar (31,51 Mio. Euro) für Klimts Birkenwald aus dem Jahr 1902. Wer diese beiden Bilder erwarb, sollte fast eine Dekade unbekannt bleiben.

Das Porträt der Gattin des Zuckerindustriellen war in den Besitz der Selfmademilliardärin und Talkshowqueen Oprah Winfrey gewechselt, die es 2017 mit einem stattlichen Aufschlag für 150 Millionen Dollar an einen chinesischen Sammler verkaufte.

Wer sich den Birkenwald aus dem Angebot fischte? In den Klimt-Werkverzeichnissen, die teils auch Angaben zum Verbleib der Gemälde enthalten, ist dazu lediglich "Privatbesitz" vermerkt. Licht in das Informationsdunkel brachte eine im Portland Art Museum (Oregon) gestartete Wanderausstellung 2016. Unter dem Titel Seeing Nature präsentierte man knapp 40 Landschaftsbilder aus der Privatsammlung des Microsoft-Co-Gründers Paul Allen. Darunter befand sich das in der Fachliteratur auch als Buchenwald bezeichnete Klimt-Werk.

Versteigerung im November

Der genaue Umfang der epochenübergreifenden Paul G. Allen Family Collection ist bis heute unbekannt. 2009 hatte das Forbes-Magazin die bis dahin angefallene Summe der Ankäufe bereits mit 750 Millionen Dollar beziffert. Zu späteren Investitionen gehörte etwa ein 2016 für stattliche 82,4 Millionen Dollar ersteigerter Heuhaufen von Claude Monet. Von manchem trennte sich der 1953 in Seattle Geborene auch wieder, etwa von einem Mark Rothko, den er 2007 für 34,2 Millionen Dollar erwarb und 2014 für 56,2 Millionen Dollar mit sattem Zugewinn wieder verkaufte.

Für Cezannes zur Versteigerung gelangendes Gemälde "La montagne Sainte-Victoire" (1888/90) erwartet Christies einen Erlös von etwa 100 Millionen Dollar.
© Courtesy of the Paul G. Allen Estate

Als Philanthrop engagierte sich Paul Allen bis zu seinem Tod 2018 stark für medizinische, wissenschaftliche und technologische Forschungen und ließ dafür jährlich zumindest 30 Millionen Dollar springen. 2010 gehörte er zu den ersten Unterzeichnern der "Giving Pledge"-Initiative von Bill Gates und Warren Buffett, in der sich Wohlhabende dazu verpflichten, Teile ihres Vermögens für das Gemeinwohl zur Verfügung zu stellen.

70 Millionen Dollar

Für den guten Zweck wird im November ein Teil seiner Kunstsammlung in New York versteigert, wie Christie’s Ende August bekanntgab: mehr als 150 Werke, die 500 Jahre Kunstgeschichte dokumentieren und etwa eine Milliarde Dollar schwer sein sollen.

Zu den avisierten Highlights gehört etwa Cezannes La montagne Sainte-Victoire, für das die monetären Erwartungen mit etwa 100 Millionen Dollar beziffert wurden. Ob auch Gustav Klimts herbstlicher Birkenwald versteigert wird, den Kunstkritiker Franz Servaes zeitnah zur Erstpräsentation in der Secession 1905 als "ausgezeichneten Zimmerschmuck" bezeichnete, ist derzeit nicht in Erfahrung zu bringen. Eine entsprechende STANDARD-Anfrage in New York ließ das Auktionshaus unbeantwortet. Der Schätzwert könnte sich auf 50, vielleicht auch 70 Millionen Dollar belaufen. (Olga Kronsteiner, 12.9.2022)