Der Bundespräsident als Kandidat mit seinen Unterstützerinnen und Unterstützern (v. li.): die Schauspielerin Konstanze Breitebner, Kabarettistin Caroline Athanasiadis , der Tischler Erik Carl Wursag, die Ex-Justizministerin Maria Berger, der Arzt Siegfried Meryn, der Vizepräsident des Europäischen Parlaments Othmar Karas und Van der Bellens Ehefrau Doris Schmidauer.

Foto: Robert Newald

"Mir geht ganz schön die Muffn", tönt es im breiten Kaunertalerisch von der Bühne in der Arena 21 im Museumsquartier. Denn hier "sein fascht mehr Leut do, als wir in unserer Gemeinde Einwohner ham", sagt Pepi Raich, Altbürgermeister der Gemeinde Kaunertal.

Pepi Raich, Altbürgermeister der Gemeinde Kaunertal, mit der Dorfkapelle.
Foto: Robert Newald

Der Bürgermeister ist nicht das einzige Versatzstück der Heimatliebe für den Wahlkampfauftakt am Freitagvormittag. Van der Bellen zieht mit Blasmusik der Kaunertaler Kapelle und seiner Ehefrau Doris Schmidauer winkend ein.

Kabarettist Gerald Fleischhacker führt durch den Vormittag, an dem es "Van-der-Bellen-Dudler", Almdudler in Spezialflaschen, zu trinken gibt. Er begrüßt Gäste aus allen Parlamentsparteien außer der FPÖ: Aus der ÖVP-Reichshälfte sind etwa der Vizepräsident des Europäischen Parlaments Othmar Karas und Maria Rauch-Kallat gekommen, die SPÖ ist prominent mit dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig vertreten.

Von den Grünen sind unter anderem Parlamentsklubchefin Sigrid Maurer und Vizekanzler Werner Kogler für ihren Ex-Parteichef gekommen. Auch der ehemalige Hohe Repräsentant in Bosnien-Herzegowina, Valentin Inzko, winkt Van der Bellen aus dem Publikum zu – und der winkt gut gelaunt zurück. Von den Neos ist der Ex-Abgeordnete Sepp Schellhorn gekommen.

Nach Raich treten ein Tischlergeselle, der mit Van der Bellen von einem Wahlplakat lacht, sowie Karas und die ehemalige Justizministerin Maria Berger (SPÖ) ans Rednerpult. Karas und Berger loben Van der Bellens Integrität und seinen Respekt vor Gewaltentrennung und Justiz. Der Präsident selbst beginnt mit der Würdigung der verstorbenen Königin Elisabeth II., "Ikone der Integrität, der Disziplin, des Pflichtbewusstseins", und bittet um eine halbe Minute des Schweigens.

Foto: Almdudler statt Bier.

Danach räumt Van der Bellen dem "Klimanotstand" viel Platz ein, aber auch der Notwendigkeit von Sanktionen gegen Russland und der Unterstützung aller von der Teuerung Betroffenen. Die Sanktionen müssten aufrechterhalten werden, und was sollte eine Aufhebung überhaupt heißen, fragt Van der Bellen: "Dass die armen Oligarchen dann wieder auf ihre Yachten dürfen, weil sie sonst kein Zuhause haben?"

Auch für sein Alter wirbt der 78-Jährige. Denn bei einem etwa 35-Jährigen sei "bei allem Respekt" die Gefahr viel größer, sich in Abhängigkeiten zu begeben. Wohl nicht zufällig ist sein jüngster Mitbewerber Dominik Wlazny (Marco Pogo) 36.

Auch mit anderen Bewerbern beschäftigt Van der Bellen sich in seiner Rede vor Bergen, die den Bühnenhintergrund zieren, kurz: Wer ankündige, die Regierung entlassen zu wollen, der sollte "sich die Konsequenzen schon genau überlegen". Ein einziges Mal hätte man das tun müssen, nämlich als 1933 "Dollfuß das Parlament aushebelte", sagt der amtierende Bundespräsident mit ernster Stimme.

"Eine Wahl ist eine Wahl, keine Wiesn, schon gar keine gmahte", sagt der Kandidat, man müsse, "sorry", am 9. Oktober schon hingehen.

Van der Bellen dankte besonders dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig.
Foto: Robert Newald

Am Ende gibt es noch einen Appell gegen Diskriminierung jeder Art, gegen die er "weniger aus ideologischen Gründen" sei, sondern weil er als "ausgebildeter Ökonom" wisse, dass sie jede Gesellschaft schädige. Bei der Gleichberechtigung von Mädchen und Frauen seien "vor allem wir Männer gefragt".

"Dass du dir die Zeit genommen hast und hier stehst": VdB richtet sich ganz am Ende sichtlich erfreut von der Bühne aus an den Wiener Bürgermeister Michael Ludwig und dankt ihm. Dieser nickt aufmunternd.

Zum Ausklang wird noch eines der Wahlkampfvideos gezeigt. Die bekannten Zitate von der "Schönheit der Verfassung" und "So sind wir nicht" aus dem Jahr 2019 und die Melodie von Kate Bushs "Running Up That Hill" sind darin zu hören – einem Song, der 2022 so etwas wie eine fulminante zweite Amtszeit in der Musikwelt erleben durfte. (Colette M. Schmidt, 9.9.2022)