Im März 2021 zeigte Dominik Wlazny alias "Marco Pogo" wieder einmal, dass er etwas von Marketing versteht. Der Musiker, Bierproduzent und Bezirksrat brachte einen Resolutionsantrag ein: Die Bezirksvertretung Simmering möge sich für eine "rasche Verbannung von Biermischgetränken aus dem öffentlichen Raum" aussprechen. Der Plan ging nicht politisch auf, aber medial. Im Boulevard bekam Pogo eine halbe Seite. Aber auch wenn solche Quatschaktionen viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen, sind sie längst nicht mehr stellvertretend für die politische Arbeit der Bierpartei. Zumindest nicht nur.

Marlene Swoboda, Bezirksrätin Brigittenau, und Maximilian Hammel, Bezirksrat Ottakring.
Foto: Christian Fischer

Elf Bezirksmandate hält die Partei seit der Wien-Wahl 2020. Parteigründer Wlazny ist Bezirksrat in Simmering, die anderen verteilen sich auf Bezirke wie Ottakring, Landstraße oder Floridsdorf. In den Bezirksparlamenten geht es nicht um Themen wie einen Bierspringbrunnen oder die Bundespräsidentenwahl, sondern um Parkplätze und Mistkübel auf dem Stadtwanderweg. Wenn die Bierpartei hinter der Fassade aus Spaßmarketing vernünftige Politik macht, dann müsste man es dort sehen können.

Besuch in Pogo’s Empire

"Wir waren ja selbst etwas überrascht, dass es so viele Mandate geworden sind", sagt Maximilian Hammel. Es ist ein sonniger Spätsommertag, und Hammel – 31 Jahre, Bezirksrat in Rudolfsheim-Fünfhaus – sitzt mit seiner Kollegin Marlene Swoboda – 28 Jahre, Bezirksrätin in Brigittenau – vor der Parteizentrale in Simmering. Zwei Straßen weiter bauen sich die Türme des Gasometers vor dem Horizont auf, auf dem Schild am Eingang steht "Pogo’s Empire". Nach der Wahl habe es interne Gespräche gegeben: Wer kann, wer will? Die Bezirksräte der Bierpartei kommen alle aus dem näheren Umfeld und sind schon länger mit den Projekten Wlaznys verbunden, sei es die Band Turbobier oder eben die Partei. Hammel macht seit 2014 Videos für Wlazny, die Gastronomin Swoboda stellte vor Jahren ihr Lokal für eine Veranstaltung zur Verfügung und rutschte so hinein.

"Die anderen Parteien haben sich am Anfang auch ein wenig herangetastet, ob wir nur als Querulanten kommen." Maximilian Hammel, Bierpartei-Bezirksrat Rudolfsheim-Fünfhaus

Nach Abschluss der Gespräche steht die Liste mit den Bierbezirksräten. Hammel und Swoboda befinden sich darauf, neben anderen Menschen, die im Brotberuf Musiker, Psychotherapeut oder Fahrdienstleiter sind. Die sich für Politik interessieren, aber noch nicht genau wissen, wie sie funktioniert. "Wir hatten das Glück, dass wir in unserem Umfeld viele Menschen gefunden haben, die man fragen konnte", sagt Hammel. Ehemalige Bezirksräte, Menschen, die in der Politik arbeiten. "So haben wir ein bisschen eine Ahnung bekommen, was auf uns zukommt."

Die Bezirksvertretungen sind quasi die "Parlamente" der 23 Gemeindebezirke und damit die unterste demokratische Ebene. Sie leiden nicht unter zu viel medialer Aufmerksamkeit. Dabei wird dort über Dinge entschieden, die das Leben der Bewohner direkt betreffen: Beleuchtung, Bodenschwellen, Spender für Hundekotsackerln. Aber die Entscheidungen sind von überschaubarer Wirkung. Und größere Weichen können ohnehin nur in Abstimmung mit der Stadt gestellt werden.

Reinhängen oder absitzen

Die Regeln und Usancen in einzelnen Bezirksparlamenten unterscheiden sich. Manche tagen viermal im Jahr, andere treffen sich öfter, dafür kürzer. Manche haben ungeschriebene Regeln, die die Verfahren abkürzen sollen – so ist es in Ottakring üblich, dass sich nur eine Person pro Klub zu Wort meldet –, in anderen gibt es lange und hitzige Debatten. Jedes Bezirksparlament umfasst 40 bis 60 Mandate, gesamt gibt es aktuell 1144. Wie viel Arbeit man sich macht, hängt ein bisschen von einem selbst ab, sagen Bezirkspolitiker. Man könne sich genauso reinhängen wie seine Zeit absitzen. Reich wird man mit dieser Arbeit nicht: Pro Monat gibt es eine Aufwandsentschädigung von knapp 450 Euro. Die Bezirksräte der Bierpartei legen jeweils 100 Euro davon in einen Topf, der karitativen Zwecken zugutekommt.

Dominik Wlazny alias "Marco Pogo" zeigte schon des Öfteren, dass er etwas von Marketing versteht.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

"Die erste Sitzung war schon aufregend", sagt Swoboda. "Aber ich bin sehr freundlich von allen aufgenommen worden." Vor der Sitzung habe es eine Präsidiale, also eine Zusammenkunft der Klubvertreter gegeben, bei der sie ihre Kollegen kennenlernen konnte. Das sind Nettigkeiten, die die großen Parteien den Neulingen zugutekommen lassen. Die Bierpartei hat nirgendwo Klubstärke und damit eigentlich kein Recht, in bestimmten Ausschüssen zu sitzen oder an Präsidialen teilzunehmen. Weil alle Bezirksräte in ihren Parlamenten Einzelkämpfer sind, erfolgt die parteiinterne Abstimmung über die Bezirksgrenzen hinweg. "Wir diskutieren viel gemeinsam, schauen uns Anträge an und überlegen, für welche Bezirke er passen könnte und wo man ihn vielleicht doch etwas adaptieren muss", sagt Swoboda.

Grundsätzlich ist das Gesetzgebungsverfahren in den Bezirksparlamenten nicht anders als in höheren Ebenen: Man bringt vorab online einen Antrag ein. Wird er zugelassen, gibt es eine Abstimmung. Da die Kompetenzen der Bezirke begrenzt sind, hat manch ein Antrag eher auffordernden Charakter ("Der Bezirk möge den Gesundheitsstadtrat bitten, dass …"). Die Anträge der Bierpartei kann man auf der Website einsehen. Selten tragen sie Namen wie "Bierbrunnen", deutlich öfter etwas wie "Überprüfung der Beleuchtungssituation Bushaltestelle Großjedlersdorf". Als großer Erfolg gilt intern der "Safe Space"-Antrag, mit dem die MA 57 (Frauenservice) ersucht wurde, mehrsprachige Informationsplakate zum Thema häusliche Gewalt für Ordinationen zur Verfügung zu stellen. In mehreren Bezirken wurde der Antrag eingebracht, teilweise gemeinsam mit anderen Parteien, und einstimmig verabschiedet.

"Ich habe am Anfang einen großen inneren Schutzwall aufgebaut", erinnert sich Hammel an die Anfangszeit. Als Bürger stelle man sich vor, dass man in den Bezirksparlamenten streiten, verhandeln, abtauschen müsse. In Wahrheit sei das anders. "In den Bezirken kannst du konstruktiv und überparteilich arbeiten, wenn du das willst." Die Vorbehalte und Unbekannten im Umgang waren durchaus beidseitig. "Ich glaube, die anderen Parteien haben sich am Anfang auch ein bisschen herangetastet, ob wir nur als Querulanten kommen."

Diese Grundfrage begleitet die Bierpartei seit ihrer Gründung im Jahr 2014: Wie ernst ist es ihnen wirklich? Manch einer sieht die politischen Ambitionen Wlaznys nur als Marketingvehikel, um mehr Turbobier (der Name der Band ist auch der Name des Bieres) absetzen zu können. Die Kommunikationsberaterin Nina Hoppe nannte seine Kandidatur "demokratiegefährdenden Populismus". Bei der Bierpartei sieht man das wenig überraschend anders. "Ich glaube, wir sind alle sehr konstruktive Menschen, die wirklich arbeiten wollen", sagt Hammel. "Wir benutzen den Humor als Vehikel, aber dahinter stehen ernste Themen."

Man freut sich

Hört man sich bei den anderen Parteien auf Bezirksebene um, wird das durchwegs bestätigt. Man merke zwar manchmal, dass den Neulingen noch Erfahrung fehle. Aber sie seien engagiert und wollten etwas verändern, was in der Bezirkspolitik mindestens so wichtig sei wie die Parteizugehörigkeit. Schlechtes hört man kaum. Aber einzelne Bezirksräte nehmen auch niemandem so richtig Macht weg, da ist es leichter, großzügig zu sein.

Ganz ohne Parteipolitik kommen allerdings auch die Bezirksvertretungen nicht aus. "Manchmal versteht man nicht, warum ein Antrag als nicht zulässig bewertet wird und ähnliche Anträge durchgehen", sagt Swoboda. Oder Ideen würden abgelehnt, tauchten später aber wieder unter einem anderen Absender auf. So habe man im Dezember 2020 erfolglos versucht, per Antrag zu fordern, dass die Stadt die Volkshochschulen als Proberäume zur Verfügung stellen solle. Zwei Monate später verkündete Jugendstadtrat Christoph Wiederkehr genau diese Maßnahme. Einen Zusammenhang könne man nicht beweisen, es sei aber ein "schöner Gedanke", heißt es bei der Bierpartei.

Bereut haben die Entscheidung, ins Bezirksparlament zu gehen, weder Swoboda noch Hammel. Man bekomme sehr viel Zuspruch, vor allem zu Wahlzeiten. Außerdem sei "die Mama ganz stolz", sagt Maximilian Hammel grinsend. "Man kann mehr machen, als man glaubt. Ich freue mich auf die Bezirkssitzungen." (Jonas Vogt, 10.9.2022)

Korrektur: Am 10.9. wurde um 22:54 korrigiert, dass Max Hammel nicht Bezirksrat in Ottakring, sondern in Rudolfsheim-Fünfhaus ist.